Frage an Rainer Spiering von Sergei W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Seit November 2015 arbeite ich als freiberuflicher Unternehmensberater für Informationstechnologie, leiste Abgaben, zahle Steuern, sorge für meine Altersversorgung.
Mein Lebensmodell ist darauf ausgerichtet, keine Ansprüche an Leistungen von der Gemeinschaft zu stellen. Ich bin selbständig.
Am 16.02.2016 will das BMAS den Gesetzesentwurf gegen den Missbrauch von Werkverträgen dem Kabinett vorstellen. Dieser wirkt sich auch auf mich aus, obwohl ich selbst nach Abzug der Betriebskosten ein weitaus höheres Nettoeinkommen habe, als ein vergleichbarer Angestellter. Die Kriterien zur Definition von Scheinselbständigkeit des §611a, BGB erklären mich zum Scheinselbständigen.
Mehr als 100.000 Selbständige in der IT, aber auch anderer Berufe, insgesamt ca. 2,7 Mio. Einzelselbständige befinden sich in vergleichbarer Lage.
Ist es gewollt, dass ein Steuervolumen von mehreren Mrd. Euro entfällt und stattdessen die Zahl der Privatinsolvenzen und ALGII-Empfänger in die Höhe geht?
Kann es im Sinne des Wirtschaftsstandortes Deutschland sein, wenn das einzige Mittel dem Fachkräftemangel auf dem Sektor der Wissensarbeit auf flexible Weise zu begegnen, per Gesetz abgeschafft wird?
Ist es gewollt, dass in der Folge Innovationsprojekte ins Ausland verlagert oder gar nicht durchgeführt werden?
Was soll ich tun? Meinen Beruf werde ich in der gewohnten Form nicht mehr ausüben dürfen, meine Familie nicht mehr versorgen, meine bisher aufgebaute Altersversorgung finanziell nicht mehr bedienen können.
Ich bitte Sie, für die Nachbesserung des Gesetzesentwurfes einzutreten. Der Grundgedanke des Gesetzes ist zweifellos gut. Der Gesetzgeber muss seiner Fürsorgepflicht gegenüber Schutzbedürftigen nachkommen. Nur darf es nicht sein, dass dies zu Lasten der nicht Schutzbedürftigen geschieht.
Hintergrundinformationen finden Sie hier http://dbits.it/themen/scheinselbststaendigkeit-index.html.
Sehr geehrter Herr Waigant,
Ihren Betrag habe ich eingehend zur Kenntnis genommen und kann Ihnen versichern, dass Ihre Befürchtungen unbegründet sind. Auch möchte ich Sie darauf hinweisen, dass sich Ihre Ausführungen in weiten Teilen auf einen überholten Diskussionsentwurf beziehen. Der Entwurf ist zwischenzeitlich in verschiedenen Teilen verändert werden. Wie Sie sicherlich den Medien entnommen haben, ist zudem der weitere Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens derzeit innerhalb der Regierungskoalition derzeit noch ungeklärt. Gleichwohl mochte ich die Gelegenheit nutzen Ihnen die Grundzüge des Vorhabens aufzuzeigen.
Mit dem Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Missbrauchs von Leiharbeit und Werkverträgen soll es zukünftig klare Strukturen für Leiharbeit und Werkverträge geben. Ziel ist die Verhinderung von Missbrauch und das Umgehen von Arbeitsstandards. Die Leiharbeit wird durch die neue Überlassungshöchstdauer und den Grundsatz von „Equal Pay“ auf ihre eigentliche Funktion zurückgeführt: Sie wird Unternehmen auch zukünftig die nötige Flexibilität für Auftragsspitzen oder Vertretungen bieten, aber nicht als Instrument zur Verdrängung der Stammbelegschaft dienen.
Durch die gesetzliche Umschreibung, wer Arbeitnehmer ist, die Offenlegung von Arbeitnehmerüberlassung sowie Informationsrechte für Betriebsräte soll verhindert werden, dass (vermeintliche) Werkverträge weiterhin zur missbräuchlichen Umgehung des Arbeits- und Sozialrechts genutzt werden. Diese Ziele verfolgen die Bundesregierung und die sie tragenden Regierungsfraktionen ausdrücklich gemeinsam, im Dialog mit den Sozialpartnern und Verbänden. Dieser Dialog stellt die praxisnahe Ausgestaltung des Gesetzentwurfes sicher.
Ein Problem ist in vielen Fällen, dass Verträge zwischen Unternehmen als Werkverträge bezeichnet werden, faktisch aber Leiharbeit praktiziert wird. Bislang gibt es rechtliche Lücken, die es schwarzen Schafen ermöglichen, auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so vorzugehen. Dem schiebt der Gesetzentwurf einen Riegel vor, insbesondere durch die Pflichten zur Offenlegung der Arbeitnehmerüberlassung und die Abschaffung der sog. „Vorratsverleiherlaubnis“. Arbeitgeber, die vermeintliche Werkverträge zur Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzstandards einsetzen, wird die Möglichkeit entzogen, ihr Verhalten nachträglich als Leiharbeit „umzudeklarieren“ und damit zu legalisieren. Wer in Zukunft so handelt, trägt die Konsequenz, dass zwischen dem Beschäftigten und dem Einsatzbetrieb ein Arbeitsverhältnis begründet wird. Damit sollen missbräuchliche Gestaltungen des Fremdpersonaleinsatzes durch Beschäftigung in vermeintlich selbstständigen Dienst- oder Werkverträgen verhindert werden.
Für ehrliche Arbeitgeber schafft die Regelung gleichzeitig mehr Rechtssicherheit bei der Abgrenzung von abhängiger und selbstständiger Tätigkeit von Einzelpersonen. So wird auf Basis der geltenden Rechtsprechung gesetzlich definiert, wer Arbeitnehmer ist. Damit sollen missbräuchliche Gestaltungen des Fremdpersonaleinsatzes durch Beschäftigung von Einzelpersonen in vermeintlich selbstständigen Dienst- oder Werkverträgen verhindert werden. Im Dialog mit den Sozialpartnern konnte dafür eine praktikable Lösung gefunden werden. Eine Rechtsverschärfung ist damit ausdrücklich nicht verbunden. Die sinnvolle Arbeitsteilung in Wirtschaft und Arbeitsleben wird nicht eingeschränkt, da eine Gesamtabwägung aller Umstände maßgeblich bleibt. Weiterhin werden die Informationsrechte des Betriebsrates gestärkt und gesetzlich definiert. Denn der Betriebsrat muss über den Einsatz von Werkverträgen im gesamten Geschäftsprozess überhaupt Bescheid wissen, um seine Beteiligungsrechte wahrnehmen zu können und auch einschätzen zu können, ob es sich tatsächlich um Werkverträge oder doch um verdeckte Arbeitnehmerüberlassung handelt. Daher erhalten Betriebsräte zukünftig das Recht, über Art und Umfang der vergebenen Aufgaben und die vertragliche Ausgestaltung der eingesetzten Werkvertragsnehmer im eigenen Betrieb informiert zu werden. Die Schaffung von Transparenz ist ein wichtiger erster Schritt, für bessere Kontrolle und zur Wahrnehmung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats.
Weitergehende Informationen zum Gesetzentwurf werden Sie nach dem Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens im Anschluss an Beschluss des Bundeskabinettes über den Gesetzentwurf auf der Internetseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales finden können.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Spiering, MdB