Philipp Jourdan
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Sonja V. •

Frage an Philipp Jourdan von Sonja V. bezüglich Verkehr

Thema Stuttgart 21 - Fragen aus der Podiumsdiskussion der Calwer Obenbleiber am 23.02.2011:

1. Warum schafft man es in 17 Jahren nicht, den Nachweis eines Stresstests zu erbringen? Das sollte eigentlich Grundlage des ganzen Projekts sein!

2. Geht es bei S21 wirklich um Argumente, dann müsste nach dem Faktencheck das ökologischere, nutzerfreundlichere, billigere, risikolosere und schneller umsetzbare K21 Verkehrsprojekt umgesetzt werden – warum nicht? Macht gegen 67.000 Bürger?“

3. Viele Menschen in BW haben vor den großen Demos nie dieses Projekt wahrgenommen. Was haben Gegner und Befürworter falsch gemacht, um ihren Standpunkt öffentlich zu machen (landesweit)?

4. Was soll ich bezüglich der S-Bahn-Anbindung von Calw noch glauben? Prewo: Hat nix mit S21 zu tun! Köblitz: S21 macht S-Bahn wahrscheinlicher. Der eine so, der andere so.

5. Was passiert eigentlich, wenn die nächsten Bäume, die zu groß zum Verpflanzen sind, im Schlosspart gefällt werden? Wieder Wasserwerfer, Polizeigewalt etc?
Wenn S21 nicht realisiert wird, was passiert dann mit dem Ausbau des Transeuropäischen Streckennetzes? Gibt es Alternativen?

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

1. Warum schafft man es in 17 Jahren nicht, den Nachweis eines Stresstests zu erbringen? Das sollte eigentlich Grundlage des ganzen Projekts sein!

Antwort:
Johannes Schwarz: Meine Meinung hatte ich ja am Mittwochabend bereits gesagt: ganz offensichtlich hat man von Anfang an vor allem die Städtebauliche Idee der freiwerdenden Gleisflächen im Auge gehabt und nicht wirklich die Kritik der Bahn- Sachverständigen ernst genommen. Nur so lässt sich erklären, dass alle „Lobby“-Verbände des Bahnfahrens - VCD, BUND, PRO BAHN und eben auch wir GRÜNEN sehr schnell sich gegen das Projekt ausgesprochen haben. Aber auch ein Mann wie Egon Hopfenzitz, 14 Jahre lang Chef des Stuttgarter Hauptbahnhofs und „von Haus aus“ bestimmt kein „Grüner“, ist ein Zeichen dafür, dass die Projektpartner nicht einmal in ihren eigenen Reihen Kritik angenommen haben. Soweit der Versuch einer Erklärung.

2. Geht es bei S21 wirklich um Argumente, dann müsste nach dem Faktencheck das ökologischere, nutzerfreundlichere, billigere, risikolosere und schneller umsetzbare K21 Verkehrsprojekt umgesetzt werden - warum nicht? Macht gegen 67.000 Bürger?“

Antwort:
Johannes Schwarz: Ich kann dem nur zustimmen und ich weiß um die Vereitelung des Stuttgarter Volksentscheids. Ein ungeheuerlicher Vorgang: im Oktober 2007 unterschreibt OB Schuster einen Milliardenschweren Finanzierungsvertrag und damit 1 ½ Jahre vor den 3 weiteren Vertragspartnern (April 2009), nur um das bereits angestoßene Bürgerbegehren zu unterlaufen, obwohl die GRÜNEN im Stuttgarter Gemeinderat ihn ausdrücklich darauf hingewiesen hatten. Noch schlimmer: die Rechnung geht auf, im Sommer 2009 bestätigt ein Gericht, dass damit ein Volksentscheid nicht mehr möglich sei. So viel zum Thema „rechtmäßig und demokratisch gefasste Beschlüsse“.

3. Viele Menschen in BW haben vor den großen Demos nie dieses Projekt wahrgenommen. Was haben Gegner und Befürworter falsch gemacht, um ihren Standpunkt öffentlich zu machen (landesweit)?

Antwort:
Johannes Schwarz: Wer die Sitzungen und Fraktionsstellungnahmen im Gemeinderat Stuttgart und im Landtag verfolgt hat, konnte schon früher die Problematik erkennen, aber ich gebe zu, ich hab das bis zum Frühjahr 2010 auch nur oberflächlich gemacht. Dass das Ganze noch einmal so hochkocht, hat meines Erachtens schon mit den Vereitelungen des Volksentscheids in Stuttgart zu tun (siehe dazu meine Antwort zu 2. oben). Dies haben klar die Befürworter zu verantworten. Spätestens da hätte ich z. B. von der Stuttgarter SPD erwartet, auf Distanz zu gehen, bei aller Begeisterung für das Projekt an sich.

Ansonsten weiß ich nicht wirklich, was man in frühen Jahren anderes tun hätte können. In den Gremien haben die Gegner und die GRÜNEN sicher stets ihre Meinung klar gesagt, aber sie blieben eben in der deutlichen Minderheit und damit auch in der öffentlichen Wahrnehmung nicht sehr präsent.

4. Was soll ich bezüglich der S-Bahn-Anbindung von Calw noch glauben?
Prewo: Hat nix mit S21 zu tun! Köblitz: S21 macht S-Bahn wahrscheinlicher.
Der eine so, der andere so.

Antwort:
Johannes Schwarz: Prewo hat recht, ich selbst hatte es am Mittwochabend auch gesagt und mit dem Schreiben der Ministerin Gönner begründet. Gäbe es einen Zusammenhang, müsste er in einem Antwortschreiben des Ministeriums - explizit zur Frage der Auswirkungen von S21 auf die Region Calw - auftauchen. Dass über die Entnahme von Finanzmitteln in Höhe von 650 Mio € aus Fördertöpfen des Nahverkehrs dieser insgesamt geschwächt wird, liegt auf der Hand, insofern gibt es einen negativen Zusammenhang, wenngleich es nicht sein muss, dass unsere Projekte dann die konkret Betroffenen sein werden.

Köblitz‘ Behauptung halte ich für eine nebulöse Vermutung, um S21 ins bessere Licht zu rücken. Ich sehe keinen einzigen konkreten Punkt, an dem dies festgemacht werden könnte. Auch in den aktuellen Verhandlungen zur S- Bahn- Verlängerung, an denen ich für die GRÜNEN teilweise beteiligt bin, ist keinerlei Zusammenhang zu S21 Gesprächsthema.

5. Was passiert eigentlich, wenn die nächsten Bäume, die zu groß zum Verpflanzen sind, im Schlosspart gefällt werden? Wieder Wasserwerfer, Polizeigewalt etc?
Wenn S21 nicht realisiert wird, was passiert dann mit dem Ausbau des Transeuropäischen Streckennetzes? Gibt es Alternativen?

Antwort:
Johannes Schwarz: Was passiert bei weiteren Baumfällarbeiten, kann ich nicht voraussagen. Mir geht es darum, das Projekt politisch und aus volkswirtschaftlichen Gründen noch zu stoppen, weil ich das beileibe noch nicht für zu spät halte. Wichtig wäre natürlich zunächst ein Regierungswechsel nach der Landtagswahl. Insofern bin ich bei diesen Vorort- Dingen nicht so präsent. Das doch etwas fragwürdige Verpflanzen der Bäume ist übrigens eine der wenigen Forderungen im Schlichterspruch, die Geißler nicht von den Projektgegnern hat, sondern die er sich selbst ausgedacht hat.

Zum Ausbau des Transeuropäischen Streckennetzes kann ich so viel sagen: ein Problem des Projektes S21 ist, dass es nur mit der Neubaustrecke Wendlingen- Ulm gemeinsam gebaut und in Betrieb genommen werden kann. Deshalb wollen die Projektbefürworter immer die positiven Effekte beider Projekte miteinander vermengen. Unsere Alternative K21 könnte man dagegen genauso mit der Neubaustrecke nach Ulm verwirklichen, dies sieht der aktuelle Stand zu K21 sogar vor, wenngleich wir die aktuelle Detailplanung dieser Strecke nicht für gut heißen.

Aber entscheidend ist deshalb, dass man S21 und Wendlingen- Ulm immer getrennt betrachten muss. Durch den Bahnhofsumbau würden die Fernzüge max. 3 Minuten Zeitgewinn erreichen. Dies ist überhaupt nicht relevant bei Fahrzeiten von vielen Stunden auf der Fahrt von z. B. Paris nach München. Genau dies meinte der Bahnvorstand Kefer, als er die europäische Magistrale für S21 als wirtschaftlich unbedeutend bezeichnete, und genau deshalb wehren wir uns gegen S21, weil es dem Fernverkehr nichts Nennenswertes bringt, aber dem Regionalverkehr eine deutliche Verschlechterung einbrockt. Denn den Integralen Taktfahrplan (ganz laienhaft ausgedrückt: „Züge können besser aufeinander warten, Anschlüsse bei Verspätungen besser gesichert werden.“) kann man eben nur mit einem Kopfbahnhof verwirklichen.

Es ist für mich als Laien auch leicht nachvollziehbar, dass wegen 3 Minuten Fahrzeitunterschied keine europäische Streckenführung grundsätzlich geändert wird. Über Frankfurt wird es immer weiter sein, wenn man von Paris nach München oder gar Budapest fahren möchte.

Eine Verbesserung auf der Strecke nach Ulm wäre dagegen tatsächlich mit einemn nennenswerten Zeitgewinn verbunden, auch für die europäische Linie. Deshalb gibt es meines Wissens auch einen EU- Zuschuss dafür. Der Bahnhof hingegen ist den Europäern völlig egal, da gibt es auch keine Zuschüsse.

Wenn man die Prioritäten der Schienenprojekte in Baden- Württemberg betrachtet, muss man allerdings feststellen, dass es mit dem Rheintalausbau in Südbaden, mit der Strecke Mannheim- Frankfurt, mit der Gäu- und Südbahn bedeutsamere Projekte gibt als die Strecke nach Ulm, auch wegen viel wichtigerer internationaler Verpflichtungen im Bezug auf den Güterverkehr durch den neuen Gotthard- Tunnel. Man weiß schon heute, dass dieser in den ersten Jahren nach seiner Fertigstellung (etwa 2017) nicht voll ausgelastet sein wird, weil auf deutscher Seite die Hausaufgaben in Form der oben genannten Projekte nicht gemacht sein werden.