Petra Coenders
LKR
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Frage von Daniela J. •

Frage an Petra Coenders von Daniela J. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Petra Coenders,

befürworten Sie das TTIP- und CETA-Abkommen? Wenn ja, warum ?

Mit freundlichen Grüßen

D. J.

Antwort von
LKR

Sehr geehrte Frau J.,

ich bin froh, dass Sie dieses Thema ansprechen, da mir dieses sehr wichtig ist.

Lassen Sie mich grundsätzlich beginnen:
Ich glaube, dass Freihandel grundsätzlich geeignet ist, eine bessere Welt zu schaffen. Mir ist dabei bewußt, dass der heute praktizierte Freihandel nicht perfekt ist. Denken Sie z.B. nur daran, dass die EU-Landwirtschaftssubventionen dazu beitragen, afrikanischen Kleinbauern ihre Lebensgrundlage zu zerstören. Gleichwohl hat der Freihandel wesentlich dazu beigetragen, dass trotz immens gestiegener Weltbevölkerung heute weniger Menschen von Hunger bedroht sind, als dieses vor 40 Jahren der Fall war. Diese Entwicklung hängt vor allem mit dem rasanten wirtschaftlichen Aufstieg Süd-Ost-Asiens zusammen, hat aber durchaus auch in einigen Regionen Afrikas Entlastung gebracht. Die Globalisierung führt auf der anderen Seite aber auch dazu, dass Einzelne riesige Vermögen aufhäufen. Aber wie geschrieben, unsere Welt ist nicht perfekt und wird dieses kaum jemals sein.

Nun zu CETA und TTIP:
ALFA befürwortet Freihandelsabkommen, somit auch CETA und TTIP grundsätzlich. Allerdings mit der wesentlichen Einschränkung, dass die Freihandelsabkommen den Menschen dienen müssen und nicht nur Großkonzernen. Anläßlich einer ALFA-Veranstaltung in Brüssel verkündete einer der Verhandlungsleiter auf deutscher Seite, dass es bei TTIP insbesondere darum gehen würde, Normen und Prüfverfahren zu vereinheitlichen. Bei CETA haben sich die EU und Kanada nun auf einen neu zu schaffenden Gerichtshof geeinigt, dessen Richter von den Staaten, nicht mehr von betroffenen Unternehmen ausgewählt werden. Zudem soll ausgeschlossen sein, dass mißbräuchliche Klagen von Unternehmen gegen nationale, alle Unternehmen gleichbehandelnde Gesetze, etwa zum Schutz der Umwelt oder Gesundheit, erhoben werden können.

Ich persönlich kenne Teile von Kanada sehr gut und sehe in Bezug auf CETA viele Interessen der Bevölkerung, die den unseren sehr ähnlich sind, nicht zuletzt deshalb, weil mehrere Klagen US-amerikanischer Unternehmen gegen Kanada auf Empörung stoßen. Daher bin ich persönlich davon überzeugt, dass die EU und Kanada gut zusammenarbeiten können.

Es ist aber gleichfalls nicht zu verkennen, dass die US-amerikanische Regierung in Wirtschaftsfragen nicht immer Fairness als oberste Leitlinie verfolgt, sondern offensichtlich die heimische Wirtschaft bevorzugen will. So gibt es bis heute trotz der weitgehenden Öffnung der Märkte für US-amerikanische Unternehmen eine Regelung, wonach auch europäische Unternehmen von Ausschreibungen der öffentlichen Hand ausgeschlossen sind.

Wenn die Verhandlungen zu dem Ergebnis führen würden, das zwischen der USA und der EU ein Freihandelsabkommen auf gleicher Augenhöhe geschlossen werden kann, würde ich die Chancen von TTIP als überwiegend ansehen. Hierbei kann ich zwar nicht beurteilen, ob die von den Regierungen hervorgehobenen postiven Effekte auf Arbeitsmärkte und Wohlstand der Bevölkerungen tatsächlich zum Tragen kommen werden, da die wirtschaftliche Entwicklung von sehr vielen Faktoren abhängig ist. Allerdings ist es für mich plausibel, dass bei einem Zusammenschluss der beiden größten regionalen Märkte dieser Welt eine Sogwirkung auf andere Regionen (z.B. China) entsteht, sich unseren - in aller Regel deutlich höheren - Standards zu Verbraucherschutz, Umwelt- und Arbietsbedingungen anzupassen.

Davon abgesehen gibt es keine Region der Welt, mit der ein wirtschaftlicher Zusammenschluss mehr Sinn ergeben würde. Die USA stehen uns im Vergleich zu China, Indien, Russland oder Afrika sowohl kulturell als auch in Bezug auf Schutzstandards für Bevölkerung und Arbeitnehmer näher. Verbessert werden muss allerdings die Kommunikation der EU mit den Bürgern. Geheimhaltung mag zwar in Bezug auf Verhandlungstaktiken erlaubt sein, allerdings hätten Mindestziele definiert werden müssen, die keinesfalls aufgegeben werden dürfen. Dass dieses nur aufgrund der zunehmenden Proteste in gewissem Umfang nachgeholt wurde, ist kein Ruhmesblatt für die EU und daher bin ich auch noch nicht überzeugt, dass die TTIP-Verhandlungen zu einem Ergebnis auf Augenhöhe führen wird, welches vor allem dem Bürger und nicht nur den international verflochtenen Konzernen dient. ALFA fordert, Teilergebnisse und Zwischenergebnisse zeitnah und vollständig zu veröffentlichen.

Somit kann ich meine Sichtweise wie folgt zusammenfassen:
Grundsätzlich befürworte ich Freihandel, da dieser helfen kann, die Lebensverhältnisse für alle Menschen zu verbessern. TTIP/CETA befürworte ich dann, wenn die Ergebnisse nicht dazu führen, dass Unternehmen unlautere Klagen gegen Staaten führen können, weil diese z.B. Tabakprodukte beschränken wollen. Es kann nicht angehen, dass gesellschaftliche Entwicklungen aus Rücksicht auf Unternehmensgewinne verhindert werden. Eine kritische Begleitung der Verhandlungen ist wichtig und hat zu ersten Ergebnissen geführt.

Mit freundlichen Grüßen

Petra Coenders