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Frage von Marcus K. •

Frage an Patrick Kurth von Marcus K. bezüglich Staat und Verwaltung

Sehr geehrter Herr Kurth,

Sie fordern auf Ihrem Blog: "Kurth verlangt deshalb vom SPD-Politiker [Peer Steinbrück] Auskunft, wie hoch dessen Einkünfte insgesamt waren." Das ist ein sehr unterstützenswertes Verlangen.

Warum aber verlangen Sie diese Transparenz nur von einem Politiker und nicht von allen? Konkret: Warum sperrt sich Ihre Partei gegen den von Ihrem Fraktionsgeschäfsführer, Herrn van Essen, mit verhandelten Entwurf zur Neuregelung der Transparenz bzgl. Nebeneinkünften von Abgeordneten? Dann müsste Herr Steinbrück ganz automatisch seine Nebeneinkünfte offen legen.

Mit freundlichen Grüssen,

Marcus Kaiser

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Kaiser,

vielen Dank für Ihre Frage. Die Wählerinnen und Wähler wollen wissen, wen sie wählen. Sie haben ein berechtigtes Interesse, zu erfahren, für welche Tätigkeiten die Abgeordneten neben der Wahrnehmung ihres Mandats Zeit einsetzen und in welchem Konflikt diese Tätigkeiten möglicherweise mit dem Mandat stehen. Die Wählerinnen und Wähler brauchen bestimmte Grundinformationen über den politischen, beruflichen und persönlichen Hintergrund des Abgeordneten. Abgeordnete stehen in besonderer Weise unter öffentlicher Beobachtung und zu Recht müssen besondere Maßstäbe angelegt werden.

Vor diesem Hintergrund bestehen heute Veröffentlichungspflichten, die wichtige Informationen zu den Nebentätigkeiten von Abgeordneten beinhalten. Art und vor allem Umfang der Nebentätigkeiten sind so für die Öffentlichkeit einsehbar. Diese Informationen machen im Fall Steinbrück aber derart stutzig, dass in der Tat eine weitere Aufklärung nötig ist. Bei Peer Steinbrück steht der Umfang der privaten Nebentätigkeiten den veröffentlichungspflichtigen Angaben zufolge in einem akuten Missverhältnis zur Arbeitsbilanz als Abgeordneter. Über 80 bezahlten Reden als Privatperson stehen seit Beginn dieser Legislaturperiode nur vier Bundestagsreden gegenüber. Für über 70 Vorträge erhielt Steinbrück jeweils mindestens 7.000 Euro, sodass auch in finanzieller Hinsicht ein Missverhältnis zwischen seinen Tätigkeiten innerhalb und außerhalb des Mandates naheliegt. Nicht zuletzt wies er nach Zahlen dieses Internetportals bis zum Frühjahr 2012 mit über 27 Prozent eine weit überdurchschnittliche Fehlquote bei namentlichen Abstimmungen auf.

Diese Zahlen sind problematisch, denn: es ist eine der zentralen Bestimmungen des Abgeordnetengesetzes, dass die Ausübung des Mandats „im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Bundestages“ stehen muss. Der Bundestag als Vollzeitparlament ist ohne volle Konzentration und gewissenhafte Arbeit der Abgeordneten nicht arbeitsfähig. Nur solange diese Verpflichtung nicht verletzt wird, sind Nebentätigkeiten gemäß dem Abgeordnetengesetz erlaubt. Angesichts der geschilderten Verdachtsmomente erscheint es mir in diesem konkreten Fall daher notwendig, dass Steinbrück über die bereits veröffentlichten Informationen hinaus erklärt, inwiefern sein Mandat noch im Mittelpunkt seines Schaffens liegt, wozu er nach dem Abgeordnetengesetz verpflichtet ist.

Andererseits gibt es aber keinen Grund, aufgrund des Fehlverhaltes eines einzelnen Abgeordneten alle unter einen Generalverdacht zu stellen. Ich finde es wichtig, dass den Abgeordneten auch weiterhin die Möglichkeit gegeben ist, neben der im Mittelpunkt stehenden Ausübung des Mandates einer beruflichen Tätigkeit - ob als Selbständige, Freiberufler oder eben auch als abhängiger Beschäftigter - nachgehen zu können. Zu meiner Fraktion gehört beispielsweise ein Bäckermeister. Sollte dieser tatsächlich seinen Beruf vollständig an den Nagel hängen müssen? Viele Abgeordnete scheiden nach nur einer Legislaturperiode aus dem Bundestag aus und müssen dann den Wiedereinstieg in ihren alten Beruf finden. Dies mag bei Angehörigen des öffentlichen Dienstes sowie bei Gewerkschaftsfunktionären mit Rückkehrgarantie unproblematisch sein. Bei Freiberuflern und Angestellten in der freien Wirtschaft ist es schon schwieriger. Eine Einschränkung von Nebentätigkeiten führt in der Konsequenz dazu, dass sich immer weniger Freiberufler für eine Kandidatur für den Bundestag entscheiden werden. Für sie ist es daher außerordentlich wichtig, dass sie als Abgeordnete auch während der Ausübung des Mandates ihre Berufsausübung beibehalten können, um nach dem Ausscheiden aus dem Mandat ohne Probleme in ihren alten Beruf zurückkehren zu können. Nur so ist gewährleistet, dass der Bundestag einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung abbildet. Es dient gerade der politischen Arbeit sehr, wenn z.B. Handwerksmeister ihre persönliche Erfahrung aus dem laufenden Betrieb unmittelbar in die parlamentarische Diskussion einbringen können.

Eine generelle Erweiterung der Offenlegungspflichten muss aus all diesen Gründen genau abgewogen werden. Einfache Lösungen gibt es an dieser Stelle nicht. Für freiberuflich und selbständig tätige Abgeordnete entsteht nämlich ein besonderes Problem. Bei ihnen würden durch eine umfangreiche Offenlegung von Einkünften aus unternehmerischer oder freiberuflicher Tätigkeit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie Verschwiegenheitspflichten verletzt. Darüber hinaus würden erhebliche Wettbewerbsnachteile entstehen. Die Konkurrenten könnten so Einblick in deren unternehmerische Tätigkeiten bekommen. Geschäftspartner und Mitgesellschafter der Abgeordneten wären von der Offenlegung außerdem in gleicher Weise betroffen. Auch über sie werden der Öffentlichkeit Informationen mitgeteilt. Hier kann die Offenlegungspflicht bei dem betroffenen Dritten erhebliche Nachteile bis hin zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz bergen.

Momentan sehe ich allen voran Handlungsbedarf bei Peer Steinbrück persönlich. Angesichts der offensichtlichen Diskrepanz zwischen dessen Tätigkeiten innerhalb und außerhalb des Mandates sind ausreichende Verdachtsmomente gegeben, um von einer Vernachlässigung seiner Abgeordnetentätigkeit auszugehen.

Mit freundlichen Grüßen,

Ihr Patrick Kurth, MdB