Portrait von Norbert Geis
Norbert Geis
CSU
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Norbert Geis zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Martin S. •

Frage an Norbert Geis von Martin S. bezüglich Soziale Sicherung

sehr geehrter Herr Geis,

am 11.12.2012 haben Sie hier
http://www.abgeordnetenwatch.de/frage-575-37585--f363714.html#q363714
die falschen Vorhersagen insbesondere des IWF wie folgt verteidigt:

"Das Ausmaß des wirtschaftlichen Einbruches in Griechenland ist erschreckend. Jedoch handelt es sich bei den Wachstumsprognosen der Troika (EU IWF, EZB) eben nur um Prognosen. Es liegt in der Natur der Sache, dass diese an der Realität zerbrechen können und korrigiert werden müssen."

Dabei waren die Abweichungen der betreffenden Prognosen, nach denen Sie Ihr Abstimmungsverhalten gerichtet haben, so eklatant falsch, daß alleine die Höhe der Abweichung Ihr Mißtrauen hätte erregen müssen: die Wirtschaft Griechenlands schrumpfte um fast 18%, anstelle gemäß der Prognose durch IWF, EZB und EU-Kommission einen positiven Wachstumswert hinzulegen.

Jeder Zeitungsleser in Deutschland konnte während der selben Zeit stets und immer sagen, daß diese Prognose der Troika falsch ist. Wie soll eine Wirtschaft, die fast keine Industrie hat, ein Wirtschftswachstum hinlegen, wenn der Einzelhandel auf breiter Basis schließt und Arbeitslosigkeit herrscht?

Und nun gibt der IWF sogar noch öffentlich zu, daß es sich bei den damaligen Fehlprognosen nicht um versehentliche Fehler handelte, sondern daß die Daten für Griechenland absichtlich geschönt wurden. Dies wird damit gerechtfertigt, daß die Troika damit eine Ansteckung der übrigen Euro-Staaten verhindert habe (M. Stevis und I. Talley in "IMF Admits Mistakes on Greece Bailout", in Wall Street Journal vom 05.06.2013, hier:
http://online.wsj.com/article/SB10001424127887324299104578527202781667088.html

Nun meine Fragen hierzu:

Wenn Ihnen die wahren Verhältnisse bei der Abstimmung zum ESM und Griechenland II bekannt gewesen wären, hätten Sie dann dagegen gestimmt, anstatt uns noch weiter in die Haftung zu reiten?

Werden Sie etwas im Hinblick auf die vorsätzliche Täuschung durch den IWF unternehmen, und wenn "ja", was?

Portrait von Norbert Geis
Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Schweiger,

mir erschließt sich immer noch nicht der Sinn dieser Diskussion über eine rein hypothetische Annahme. Dennoch werde ich Ihnen antworten und möchte das Thema damit gerne abschließen.

Wie ich Ihnen schon wiederholt erklärt habe, sehe ich auch, dass die Prognosen der Troika zu optimistisch waren. Doch diese Prognosen waren nur ein Aspekt neben vielen anderen, die unsere Entscheidungsfindung, die damals unter extremen Zeitdruck stattfand, beeinflusst haben. Es ging im Frühjahr 2010 im Grunde um die Verhinderung einer Weltwirtschaftskrise, welche die vorangegangene Krise infolge der in den USA geplatzten Immobilienblase, die in der Pleite der US-Bank Lehman Brothers gipfelte, deutlich übertroffen hätte.

Hätten wir uns damals gegen die Stabilisierung Griechenlands entschieden, hätte das einen extremen Schock auf den Finanzmärkten ausgelöst und den Spekulanten Tür und Tor geöffnet. Aus dem Stein, der mit einem deutschen "Nein" ins Rollen gekommen wäre, hätte ein unaufhaltbarer ökonomischer Erdrutsch entstehen können. Die europäische Währungsunion wäre im Zuge dessen mit hoher Wahrscheinlichkeit unkontrolliert auseinandergefallen. Das europäische Projekt, an dem mehrere Generationen seit über einem halben Jahrhundert gearbeitet haben, wäre in seinen Grundfesten erschüttert worden. Die deutsche Wirtschaft und die deutschen Bürger wären infolge einer solchen massiven ökonomischen und politischen Krise ganz unmittelbar betroffen gewesen. Das Risiko eines solchen massiven Schocks mit solchen unkalkulierbaren und horrenden Konsequenzen würde ich auch heute nicht sehenden Auges in Kauf zu nehmen wollen. Genauso wie die überwältigende Mehrheit der Bundestagsabgeordneten habe ich mich daher für das kalkulierbarere Risiko entschieden.

Das heißt, ich halte nach wie vor unsere damalige Entscheidung, Griechenland und die Euro-Zone zu stabilisieren, für richtig und würde sie auch im Rückblick wieder so treffen. Das bedeutet nicht, dass ich jedes technische Detail und jede Annahme der Rettungsstrategie, von denen sich nun zweifellos einige als fehlerhaft herausgestellt haben, auch im Rückblick für gut befinde. An der grundsätzlichen Entscheidung ändert das m.A.n. jedoch nichts.

Sehr geehrter Herr Schweiger, es gab keine einfach Lösung für dieser Krise und es wird eine solche auch nicht geben. Stattdessen gibt es nur einen mühevollen und langwierigen Weg, um uns aus dieser Krise herauszuarbeiten. Die Institutionen der EU und der Euro-Zone im Generellen sowie die Strukturen in den einzelnen Nationalstaaten im Speziellen müssen grundlegend reformiert werden. Einiges wurde bereits erreicht, doch viele weitere Reformen müssen folgen. Nur weil der Druck der Krise mittlerweile etwas nachgelassen hat, dürfen wir uns nicht in falscher Sicherheit wiegen.
Doch bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass es sich lohnt, diese Anstrengungen auf uns zu nehmen. Auch schließe ich es nicht kategorisch aus, dass einzelne Mitgliedsländer aus der Euro-Zone ausscheiden können müssen. Allerdings nur, wenn dies in einem geregelten Rahmen passieren kann, ohne dass sich dadurch Ansteckungsgefahren für andere Euro-Staaten ergeben.

Mit freundlichen Grüßen

Norbert Geis MdB