Frage an Norbert Barthle von Benedikt S. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Barthle,
die Unternehmensteuerreform bietet Großunternehmern, die sowieso schon Milliardengewinne machen, riesige steuerliche Erleichterungen, der Mittelstand, ein Grundpfeiler unserer Wirtschaft, wird benachteiligt. Wir haben ein passables Wirtschaftswachstum hier in Deutschland und die Unternehmen fahren hohe Gewinne ein, wie rechtfertigt das ihre steuerliche Entlastung. Einerseits zahlen die meisten Unternehmen durch die vielen Schlupflöcher sowieso schon weniger Steuern, andererseits kommt bei mir die Frage auf, ob Unternehmen wirklich aus Dt. wegen zu hoher Steuern abwandern oder weil Kinderarbeit in Indien einfach günstiger ist? Durch ein paar Steuererleichterungen wird man wohl kaum ein Unternehmen dazu bewegen hier weiter zu produzieren. Warum wird hier Geld ausgegeben, das man im sozialen Bereich oder zur Eingrenzung des Klimawandels viel eher brauchen kann? Wie erklärt das die CDU ihren Wählern und wie stehen Sie persönlich dazu?
Sehr geehrter Herr Springer,
vielen Dank für Ihre Frage, die sicher nicht nur Sie beschäftigt. Gerade ein Thema wie die Unternehmenssteuerreform bietet vielfältige Möglichkeiten, politische Beweggründe misszuverstehen. Ich würde zunächst gerne den Ist-Zustand beleuchten: Sie schreiben richtigerweise, daß viele Großunternehmen derzeit Milliardengewinne machen. Das ist erfreulich, die Arbeitsplätze in diesen Firmen sind vergleichsweise sicher. Leider werde diese Gewinne zu einem erheblichen Teil nicht in Deutschland versteuert. Vorsichtige Schätzungen beziffern die - völlig legal - ins Ausland transferierten Gewinne auf 100 Milliarden Euro pro Jahr. Und in unserer globalisierten Welt lässt sich dies auch nicht so einfach per Gesetz ändern, die Freizügigkeit von Arbeit und Kapital sind ein hohes Gut, von dem Deutschland unterm Strich profitiert.
Letztendlich ist es simple Psychologie: Wenn ich a) einen Steuersatz für zu hoch halte und b) die Chance habe, ihn zu vermeiden, werde ich das tun. Als Beispiel fällt mir die rot-grüne Tabaksteuererhöhung ein: 2005 wurde die Steuer deutlich erhöht, die Raucher ergriffen verschiedene Umgehungsstrategien und das Steueraufkommen sank, deutlich. Umgekehrt gehts es auch: Irland senkte die Körperschaftssteuer auf 12,5 % - das Steueraufkommen vervierfachte sich.
Daß in Deutschland die Unternehmenssteuern zu hoch sind, belegt jede Studie, mit fast 39 % liegen wir international an der Spitze. Selbst mit den geplanten Steuersätzen werden wir kein Niedrigsteuerland, wie z.B. die baltischen Staaten, sondern rutschen ins hintere Mittelfeld. Mit der Unternehmenssteuerreform wird es für viele Unternehmen wieder "vernünftig", ihre Gewinne in Deutschland zu versteuern. Die neuen Sätze von unter 30% sind wettbewerbsfähig, sie schrecken keine ausländischen Investoren mehr ab, sie werden schon mittelfristig die Steuerausfälle mehr als kompensieren.
Sie fragen "Warum wird hier Geld ausgegeben, das man im sozialen Bereich oder zur Eingrenzung des Klimawandels viel eher brauchen kann?" Ganz einfach: Für diese wichtigen Ziele braucht der Staat Geld, also Steuereinnahmen. Jeder Euro, der für Soziales ausgegeben wird, muss vorher in Deutschland verdient und - wichtiger - in Deutschland versteuert werden. Diese Unternehmenssteuerreform wird dazu beitragen. Einen Punkt, der auch mir noch nicht ganz passt, haben Sie ebenfalls angesprochen: Die Berücksichtigung des Mittelstands. Hier gibt es aus meiner Sicht durchaus noch Nachbesserungsbedarf, eine nur ungenügende Entlastung der mittelständischen Personenunternehmen oder eine Substanzbesteuerung darf es nicht geben. Wird das im Gesetzgebungsverfahren noch geändert, gibt es aus meiner festen Überzeugung nur noch ideologische Gründe à la Lafontaine & Co. Weitere, konkrete Nachfragen beantworte ich Ihnen gerne direkt per eMail.
Mit freundlichen Grüßen nach Backnang
Ihr Norbert Barthle