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Nicolette Kressl
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Frage von Götz H. •

Frage an Nicolette Kressl von Götz H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Kressl,
wieso werden bei wichtigen Themen immer mehr "Reden zu Protokoll" gegeben? Keine Lust der Parlamentarier?

Es wird zwar von "höherer Effizienz" geredet, aber Gesetze, die in weiten Teilen vom BVerfG kassiert werden, sind kein Ausdruck von Effizienz, sondern von schlechter Arbeit.

Kann ich erwarten, dass - auch im Hinblick auf das Lissabon-Urteil des BVerfG - wieder das Parlment die Macht ergreift, oder soll einfach "durchregiert" werden?

Ich habe starke Befürchtungen, dass die Parlamentarier einfach keine Lust auf "echte" Argumentationen haben. Wenn Parlamentsmitglieder keine Lust mehr an demokratischen Auseinandersetzungen haben sollen diese doch einfach aufhören. Aber laut diesem Spiegel-Bericht ist das gar nicht so einfach:

http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,633214,00.html
Zitat:
"Gut wäre es, sagt Geißler, wenn das Gift, das Rauschmittel der Macht, allmählich ausschleichen könnte, so wie man Psychopharmaka nicht mit einem Mal absetzt, sondern die Dosis allmählich reduziert. Aber so ist es nicht. Das Ende des Politikers kommt meist aus voller Fahrt, der Fall ins tiefe, schwarze Loch immer von ganz oben."

Mit freundlichen Grüssen

Götz Heinbach

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Heinbach,

ich antworte auf Ihre Anfrage zum Thema „Demokratie und Bürgerrechte“. In Ihrer Frage beziehen Sie sich auf einen Artikel aus dem Spiegel (06.07.2009) sowie auf einen Beitrag aus der Welt am Sonntag (05.07.2009).

Lassen Sie mich zuerst eine kurze Anmerkung machen: Auch wenn manche Journalisten Ihnen glauben machen möchten, dass Karlsruhe künftig Berlin ersetzen werde, ist und bleibt der Deutsche Bundestag die erste Gewalt in unserem Staat. Darauf folgt die Bundesregierung als zweite und dann erst das Bundesverfassungsgericht als dritte Gewalt.

In aller Kürze möchte ich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts eingehen. Dem Vertrag von Lissabon haben der Bundestag am 24. April 2008 und der Bundesrat am 23. Mai 2008 zugestimmt. Die vom Grundgesetz vorgegebene Zweidrittelmehrheit wurde dabei sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat deutlich übertroffen (Bundestag: 515 Ja, 58 Nein, 1 Enthaltung; Bundesrat: 1 Enthaltung, sonst Zustimmung). Die Ratifizierung des EU-Reformvertrags von Lissabon in Deutschland ist deshalb verfassungsgemäß und demokratisch legitimiert.

Mit seiner Entscheidung vom 30. Juni hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass das deutsche Ratifizierungs-Gesetz zum Vertrag von Lissabon mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Für das sogenannte Begleitgesetz verlangt das BVerfG die Aufnahme weiterer Beteiligungsrechte für Bundestag und Bundesrat bei europäischen Vertragsänderungsverfahren. Wir werden das Begleitgesetz noch in den nächsten Wochen dahingehend ändern.

Wichtig ist mir aber auch die Erläuterung zur Frage der „Reden zu Protokoll“. Als ich die Presseartikel gelesen habe, fiel mir eigentlich nur ein: wäre schön, die Herren und Damen Journalisten würden sich etwas mehr mit der Wirklichkeit beschäftigen. Dazu vor allem zwei Argumente:

- In den Fachausschüssen befassen sich die Abgeordnete in aller Ausführlichkeit mit den Details des Gesetzes. Ihr Zitat – „ keine Lust der Parlamentarier“ hat also mit den wirklichen Abläufen nichts zu tun.

- Und vor allem: haben Sie sich einmal klar gemacht, was es heißt, eine Rede zu Protokoll zu geben? Das bedeutet nämlich, dass die Rede ausgearbeitet wird mit allen Argumenten und dass sie entsprechend aufgeschrieben wird. Das einzige, was nicht gemacht wird, ist, sie im Plenum vorzutragen. Das hat aber nichts damit zu tun, dass die Parlamentarier sich mit der Sache nicht auseinandergesetzt haben. Diese Argumentationen sind anschließen für alle auch öffentlich über das Protokoll des Bundestages nachzulesen.

Eine abschließende Bemerkung: Kritischer Dialog mit denen, die politisch Verantwortung tragen, ist immer wichtig. Aber er sollte sich mit echten Argumenten führen lassen – und nicht mit pauschalen Vorurteilen.

Weitere Informationen finden Sie auch auf meiner Homepage: http://www.kressl.de .

Mit freundlichen Grüßen,

Ihre Mittelbadische SPD-Bundestagsabgeordnete

Nicolette Kressl