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Miriam Gruß
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Frage von Thomas D. •

Frage an Miriam Gruß von Thomas D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Gruß,

nach durchsicht des GG der BRD ist mir aufgefallen, das unser Grundgesetz laut Art146 nicht endgültig ist, sondern durch ein von den Bürgern der BRD in freier Entscheidung ein neues beschlossen wird.
Ist das nicht ein gefährlicher Passus, der radikalen Kräften wie dereinst im 3. Reich die Möglichkeit gibt, die BRD so wie wir sie heute kennen abzuschaffen?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Donth,

vielen Dank für Ihre spannende Frage vom 28.06.2011.

Der Artikel 146 wurde von den Müttern und Vätern des Grundgesetzes (GG) bewusst eingefügt, um dessen Übergangscharakter deutlich zu machen. Bei der ursprünglichen Fassung des Grundgesetzes sollte es sich nicht um eine endgültige Verfassung handeln, damit diese einer möglichen deutschen Wiedervereinigung nicht im Wege steht. In der Hoffnung auf diese Wiedervereinigung wurden zwei Artikel in das Grundgesetz integriert, welche diese ermöglichen sollten. Artikel 23, der letztlich zur Realisierung gewählt wurde, eröffnete eine „Beitrittsoption“ der DDR zur BRD. Artikel 146 sah hingegen die Bildung einer neuen verfassungsgebenden Instanz vor.

Durch den Einigungsvertrag (EV) von 1990 und den damit verbundenen Vollzug der Deutschen Einheit wurden beide genannten Artikel geändert. Artikel 23 befasst sich nunmehr mit der rechtlichen Stellung des GG im Bezug auf Vertragswerke der Europäischen Union, wohingegen Artikel 146 nur in seiner Formulierung geändert wurde und seither folgendermaßen lautet:
Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.

Zu diesem Artikel sind zwei Punkte zu bemerken. Erstens findet sich in vielen Verfassungen weltweit eine Gültigkeitsklausel. Das ist demokratietheoretisch auch unbedingt notwendig: Da das Volk als Souverän sich in einer Demokratie selbst seine Verfassung gibt, muss es auch das Recht haben, diese Verfassung durch eine neue zu ersetzen. Die Einführung einer Möglichkeit zur Ablösung des Grundgesetzes ist demnach nur konsequent. Zweitens wurde durch die Umformulierung des Artikels 79 GG in Absatz 3 eine sog. Ewigkeitsgarantie eingebaut, die eine Änderung oder Ablösung der föderalen Ordnung sowie der ersten 20 Artikel des Grundgesetzes ausschließt. Darüber hinaus ist eine verfassungsmäßige Neugestaltung einer Verfassung an äußerst hohe politische und rechtliche Hürden geknüpft, was einen Missbrauch des Artikels 146 GG annähernd unmöglich macht.

Ich hoffe, Ihre Frage damit hinreichend beantwortet zu haben und danke Ihnen für Ihr Interesse an meiner Arbeit.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre
Miriam Gruß