Frage an Michaela Engelmeier von Michael W.
Sehr geehrte Frau Engelmeiter-Heite,
wären Sie so freundlich, mir zu erläutern, warum Sie gegen den Antrag der Grünen zur Ablehnung von Schiedsgerichten bei TTIP und CETA gestimmt haben?
Ich weiß, dass solche Institutionen nichts neues sind und Teil zahlreicher Abkommen sind. Der ursprüngliche Zweck war jedoch die Verhinderung der Enteignung von Unternehmen in Entwicklungsländern. Da unterstellt werden kann, dass sowohl in den USA, als auch in Europa funktionierende Rechtssysteme bestehen, sollte eine solche Parallel-Justiz überflüssig sein.
Mehr noch: wie soll Ihrer Meinung nach verhindert werden, dass diese Schiedsgerichte von Unternehmen missbraucht werden (siehe Vattenfall)?
Sie wurden gewählt, um die Stimme Ihrer Wähler zu sein. Und wenn ich die öffentliche Meinung so beobachte, muss ich davon ausgehen, dass die Mehrheit Ihrer Wähler gegen Schiedsgerichte im Speziellen - und gegen TTIP und CETA insgesamt sind.
Warum repräsentieren Sie also nicht den Willen Ihrer Wähler und sprechen sie FÜR Schiedsgerichte aus?
Mit freundlichen Grüßen
Michael Witkowski
Sehr geehrter Herr Witkowski,
vielen Dank für Ihre Anfrage über www.abgeordenetenwatch.de bezüglich meiner Gründe gegen den Antrag der Fraktion Die Grünen/Bündnis 90 zur Ablehnung von Schiedsgerichten bei TTIP und CETA zu stimmen.
In dem Antrag werden unter ausdrücklichem Verweis auf das gemeinsame Papier des BMWi und des DGB, sowie auf den Beschluss des SPD-Konvents, Mindestanforderungen für die Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen mit den USA benannt. Diese "Mindestanforderungen" in dem Antrag sind identisch bzw. wortgleich mit den Zielen und Anforderungen an die Verhandlungen aus dem Beschluss des SPD-Konvents vom 20. September 2014.
Es ist höchst unüblich, dass Oppositionsfraktionen solche wortgleichen Anträge einbringen und auf diese Art versuchen, eine Regierungsfraktion vorzuführen. Eine eigene inhaltliche Position entwickelt die Fraktion DIE LINKE gerade nicht. Ein solch durchschaubares Vorgehen möchte ich nicht durch eine Zustimmung zu dem Antrag fördern.
Allerdings ist es mir wichtig zu erklären, dass ich den Beschluss des Parteikonvents vom 20. September 2014 zu Anforderungen der SPD an die Verhandlungen zu den Freihandelsabkommen CETA und TTIP (http://bit.ly/1uSqKRN) uneingeschränkt unterstütze und ihn mir zu Eigen mache.
Die SPD sieht sich in dieser Debatte gut gerüstet. Erst mit der Amtsübernahme von Sigmar Gabriel als Bundesminister für Wirtschaft und Energie wurde zu den Freihandelsabkommen ein zivilgesellschaftlicher Diskussionsprozess gestartet. So fand im Mai 2014 eine öffentliche Veranstaltung zu TTIP mit EU-Handelskommissar De Gucht sowie US-Chefverhandler Mike Froman, sowie Unternehmens- und NGO-Vertretern in Berlin statt. Sigmar Gabriel hat im Frühjahr 2014 zudem einen Beirat zu TTIP eingerichtet, in dem Umwelt-, Verbraucher- und Sozialverbände neben den Kirchen, Gewerkschaften und Wirtschaftsvertretern regelmäßig eingeladen werden.
Diese Initiativen, wie auch die Debatten innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion, haben Eingang in den Beschluss des Parteikonvents gefunden, der auf Basis eines gemeinsamen Papiers des Bundeswirtschaftsministeriums mit dem DGB gefasst wurde.
Es wurde deutlich, dass Partei und Fraktion eine gemeinsame Auffassung über die Ziele und Anforderungen zu den Freihandelsabkommen haben.
Sie lauten im Wesentlichen:
Freihandelsabkommen zwischen derart großen Wirtschafträumen wie den Vereinigten Staaten von Amerika und der EU eröffnen die Chance, die bilateralen Handelsbeziehungen zu intensivieren und dabei fair und nachhaltig zu gestalten. Handelsabkommen haben vorrangig das Ziel, neben den Zöllen, die nicht-tarifären Handelshemmnisse abzubauen. Dies kommt neben der Großindustrie vor allem dem Mittelstand zugute.
Auf der anderen Seite gilt es, eine Reihe von Bedingungen zu formulieren, die Voraussetzung für eine Zustimmung sind.
Für uns Sozialdemokraten zählen dazu ein hohes Arbeits-, Umwelt- und Verbraucherschutzniveau. Internationale Übereinkünfte und Normen, wie vor allem ein den ILO-Kernarbeitsnormen entsprechendes Kapitel, müssen Eingang in den Text finden.
Die hohe Qualität der öffentlichen Daseinsvorsorge in der EU muss gewahrt werden. Den nationalen, regionalen und lokalen Gebietskörperschaften muss ein umfassender Gestaltungsspielraum garantiert werden.
Die bewährten deutschen und europäischen Standards dürfen in einem Abkommen nicht abgesenkt werden.
Ich bekräftige meine Kritik an Investor-Staat-Schiedsverfahren. Zwischen entwickelten Rechtssystemen sind sie entbehrlich.
Ich schließe mich ausdrücklich der Begründung des Bundesverbandes Mittelständische Wirtschaft an, die Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren ablehnen: "Die grundlegende Idee hinter Investitionsschutzkapiteln und ISDS-Mechanismus ist die Gewährleistung hoher und ein hoheitlicher rechtsstaatlicher Standards. Investoren sollen so vor staatlicher Willkür und dem Verlust ihrer Investitionen geschützt werden. Mangelnde Rechtsstaatlichkeit, korrupte Justizsysteme oder fehlendes Investorenvertrauen treffen auf zahlreiche Schwellen- und Entwicklungsländer zu, jedoch nicht auf die beiden Verhandlungsparteien, die USA und die Europäische Union. Die USA waren im vergangenen Jahr mit 313 Milliarden Euro der mit Abstand größte Direktinvestor in der EU. Im Gegenzug flossen die meisten Investitionen aus der EU in die USA. Die EU-Mitgliedstaaten hielten Ende 2011 ca. 1.573 Milliarden US-Dollar an Investitionsbeständen in den USA, die US-Direktinvestitionen in der EU betrugen 2.094 Milliarden US-Dollar. Dies ist ein deutliches Zeichen für das gegenseitige Vertrauen in die vorhandenen rechtlichen und demokratischen Rahmenbedingungen für Investitionen. Es besteht somit keine Notwendigkeit der Aufnahme eines ISDS-Mechanismus in das TTIP-Abkommen. Aufgrund der hohen durchschnittlichen Verfahrenskosten (die OECD geht von 8 Millionen Dollar pro Verfahren aus), können mittelständische Unternehmen den ISDS-Mechanismus in der Praxis nicht nutzen. Der ISDS-Mechanismus begünstigt Großkonzerne, die so geltendes nationales Recht und die staatliche Gerichtsbarkeit umgehen können. Sollte ein entsprechender Mechanismus in der derzeit zur Diskussion stehenden Form in das TTIP-Abkommen integriert werden, würde dies massive negative Folgen für Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und für die mittelständische Wirtschaft nach sich ziehen. Die Erfahrungen aus den bisher stattgefundenen Schiedsverfahren zeigen, dass es dem Verfahren an Transparenz und einer übergeordneten ständigen Berufungsinstanz mangelt. Es besteht nicht nur die Gefahr der Aushebelung der staatlichen Gerichtsbarkeit, sondern zudem eine mögliche indirekte Beeinflussung der staatlichen Regulierungspolitik."
Die Kritik an Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren gilt für mich ausdrücklich auch für das Freihandelsabkommen CETA zwischen Kanada und der EU. Es gibt eine enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen den USA und Kanada. Erstens wäre mit einer derartigen Regelung "die Tür für derartige Verfahren offen". Zweitens könnte man den USA kaum das verweigern, was man Kanada gestattet. Damit droht der bekannte "Rutschbahneffekt". Es geht um die Bewahrung von Rechtsstaat und Demokratie und den Vorrang des öffentlichen Rechts auf der Basis unseres Grundgesetzes.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Michaela Engelmeier, MdB