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Frage von Martin M. •

Frage an Michael Balke von Martin M. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Dr. Balke,

das Bundesverfassungsgericht hat vor einiger Zeit entschieden, dass Beiträge zur Krankenversicherung in größerem Umfang abzugsfähig sein müssen. Die bisherige Regelung zur Abzugsfähigkeit der Beiträge ist verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber in diesem Zusammenhang aufgegeben, dass die Verfassungswidrigkeit erst für die Zukunft zum 01.01.2010 hin zu beseitigen sei. Der Gesetzgeber hat dies mit dem Bürgerentlastungsgesetz auch getan.

Zu diesem Themenkomplex zwei Fragen an Sie:

1) Würden Sie sich als Bundestagsabgeordneter für die Bürger einsetzen, dass es den Bürgern künftig durch entsprechende Gesetzesänderungen (z. B. Änderung der Abgabenordnung oder des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes) nicht mehr zugemutet wird, verfassungswidrige und dadurch klar unrechtmäßige Steuern zu bezahlen und dass der Staat diese Steuern künftig nicht mehr behalten darf?

2) Würden Sie sich als Bundestagsabgeordneter dafür einsetzen, dass die Politik künftig aufgrund verfassungswidriger Gesetze zwingend auf den Weg gebrachte Steueränderungsgesetze in der Öffentlichkeit nicht mehr als Steuergeschenke verkauft? Dies würde der Glaubwürdigkeit der politisch Verantwortlichen sehr nützen. Schließlich beseitigt die Politik dadurch doch nur die eigenen Fehler und macht dem Bürger kein Geschenk, sondern gibt ihm lediglich das zurück, was ihm immer gehört hat.

3) Sind Bundestagsabgeordnete unabhängig von der Kandidatur im jeweiligen Wahlkreis gem. Art. 38 Abs. 2 GG nicht Vertreter des ganzen Volkes? Sehe ich das richtig, dass ihre Fachkompetenz in steuerpolitischen Fragen den Wählern in ganz Deutschland und damit dem ganzen Volk und nicht nur den Wählern des Wahlkreises Dortmund II zu Gute kommen würde?

Mit freundlichen Grüßen

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Sehr geehrter Herr Martin Mann,

vielen Dank für Ihre Grundsatzfragen zum deutschen Verfassungs- und Steuerrecht.

Antwort zu 1):

Ja, ich würde mich als Bundestagsabgeordneter dafür einsetzen, dass der Fiskus verfassungswidrig vereinnahmte Steuern an die zu Unrecht belasteten Bürger zurückzahlen muss. Denn ich halte es für rechtsstaatlich äußerst grenzwertig, wenn das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) einerseits Normen des einfachen Steuerrechts für verfassungswidrig erklärt, gleichwohl deren Anwendung für eine bestimmte Frist, die in die Zukunft hineinreicht, anordnet. Diese sogenannte pro-futuro-Rechtsprechungspraxis aufgrund von Weitergeltungsanordnungen setzt im Ergebnis Grundrechte eine Zeitlang außer Kraft. Der nach Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes (GG) verfassungsgeforderte effektive Rechtsschutz des Steuerbürgers wird so zur Farce. Ebenso schlimm ist, dass Bundestagsabgeordnete sich offensichtlich darauf verlassen, dass - wenn es für den Fiskus wegen der Erstattung verfassungswidriger Steuern an die Bürger teuer zu werden droht - sie wieder und wieder vom BVerfG mit Übergangsfristen (auf Kosten der Bürger) geschont werden. Meines Erachtens ist es eines Rechtsstaates unwürdig, wenn Bürger verfassungswidrige Steuern nicht erstattet bekommen. Zum Glück hält neuerdings der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in verfassungsrechtlichen Steuerstreitverfahren für erforderlich; Originalton zum Thema "Berufspendlerpauschale":
"Mit der vorliegenden Entscheidung soll frühzeitig verhindert werden, dass
der Fiskus womöglich verfassungswidrige Steuern vereinnahmt, verplant und
später nicht mehr erstatten muss, so dass der verfassungsrechtliche
Rechtsschutz für den Bürger im Ergebnis weitgehend leer läuft".

Auf diese Weise hat die Rechtsprechung des Niedersächsischen Finanzgerichts zum vorläufigen Rechtsschutz bei der Berufspendlerpauschale (Beschluss vom 2.3.2007, Aktenzeichen 7 V 21/07) mit dafür gesorgt, dass die (willkürliche) gesetzliche Kürzung der ersten zwanzig Entfernungskilometer (von Anfang an) wieder rückgängig gemacht worden ist. Die Geschichte eines vorläufigen Steuer-Rechtsschutzes wurde so zur Erfolgsgeschichte des Rechts, zur Erfolgsgeschichte des effektiven Rechtsschutzes für den Bürger, weil dort die pro-futuro-Rechtsprechungspraxis des BVerfG nicht zur Anwendung kam (vgl. auch den aktuellen Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 2.6.2009, Aktenzeichen 7 V 76/09 zur vorläufigen Berücksichtigung der Arbeitszimmerkosten bei Lehrern).

Antwort zu 2):
Ja, auch dafür würde ich mich als Bundestagsabgeordneter einsetzen, dass bei verfassungsgerichtlichen Rügen, die Damen und Herren Gesetzgeber offen und ehrlich Fehler eingestehen mögen und den Bürgern nichts mehr vormachen.

Antwort zu 3):

Ja, ich stimme Ihnen zu. Nach Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 GG sind Abgeordnete des Deutschen Bundestages "Vertreter des ganzen Volkes", sie sind nicht Abgeordnete nur für eine Stadt oder für eine Region.

Mit besten Grüßen

Michael Balke