Frage an Martina Bunge von Lothar G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Dr. Bunge,
herzlichen Dank für Ihre umfangreiche Antwort an H. S. vom 25.1.2013. Sie nennen als Ursache des Rentenbetrugs den §259a SGB VI, der nun mal so verabschiedet wurde und seitdem seine unheilvolle Wirkung verbreitet. Das ist falsch. Der §259a sagt, dass Versicherte älter als Geburtsjahrgang 1937 Rente nach FRG bekommen. Das ist ohnehin auch heute noch geltendes Recht. Der §259a sagt, dass für alle anderen Versicherten die Werte nach §256a-c ermittelt werden. Da gibt es Auslegungsspielraum. Die einzige Institution, die das so ausgelegt hat, dass alle jüngeren Versicherten Rente nach §256a-c erhalten, ist ein vermutlich sehr kleiner Kreis im Sozialministerium, zu dem z.B. die Sozialminister (Blüm, Riester) nicht gehörten. Niemand außerhalb dieses Kreises hat die Auslegung so vorgenommen, alle anderen beziehen sich auf den Staatsvertrag vom 18.05.1990 Artikel 20 (7). Es gibt keine sozialrechtliche Literatur, die das aussagt, die Direktoren der DRV bleiben beim Staatsvertrag und dementieren nie, der Präsident des BSG, von Wulffen, staunt 2004 über die nachträgliche Neubewertung, die Gesetzeskommentare erwähnen das nicht, . Die Schriften des Sozialministeriums selbst stellen den Sachverhalt erst nach 2006 falsch dar, nachdem die Flüchtlinge sich darauf beriefen. Das BSG nennt nur den 18.05.1990 als Zäsur zwischen FRG und RÜG:
Können Sie sich ein Gesetz vorstellen, das keiner kennt und das so angelegt ist, dass dessen Wirkung erst nach vielen Jahren erkennbar ist?
Kennen Sie ein Dokument bis zum Jahre 2000, das das Handeln der Rentenversicherer beschreibt und begründet?
Kennen Sie den §256a (3a), der ohne Auslegungsakrobatik klar aussagt, dass Übersiedler vor dem 19.5.1990 Rente nach FRG bekommen müssen? Gemeint sind hier die S-Bahner aus Westberlin, aber der Wortlaut gilt.
Wissen Sie, dass auch für Versicherung und Versicherten 1983 verbindlich festgestellte Rentenverläufe manipuliert wurden?
Mit freundlichen Grüßen
Lothar Gebauer
Sehr geehrter Herr Gebauer,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur Verweigerung der einst zugesagten Fremdrente für DDR-Flüchtlinge. Sie beziehen sich dabei auf meine Antwort an Karl Sinsel auf abgeordnetenwatch von Dr. Gregor Gysi vom 25.1.2013.
Sie verweisen nun auf den § 259a (3a) des Sozialgesetzbuches VI. Dort heißt es:
"Als Verdienst zählen Zeiten vor dem 1. Juli 1990, in denen Versicherte ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet hatten (also im Westen - M. B.) und Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung des Beitrittsgebiets gezahlt worden sind, die Werte der Anlagen 1 bis 16 zum Fremdrentengesetz."
So wünschenswert es wäre - ich glaube nicht, dass hier der Schlüssel für eine Lösung zugunsten der Flüchtlinge liegt. Meines Erachtens beschreibt dieser Paragraf eine Gleichzeitigkeit: im Westen gelebt, zur gleichen Zeit im Osten versichert gewesen. Also genau die Situation, wie sie auf die S-Bahn-Beschäftigten in Westberlin zutrifft. Auf diese Gruppe weisen Sie ja auch eigens hin.
Die Situation der Übersiedler war jedoch eine andere: Erst haben sie Beiträge in ein System des Beitrittsgebiets gezahlt, dann den gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik ohne das Beitrittsgebiet genommen. Statt der Gleichzeitigkeit also ein Nacheinander.
Für eine Beschränkung auf diese Gruppe, die im Westen gearbeitet und im Osten versichert war, spricht auch das angeführte Datum - der 1. Juli 1990. Ansonsten, zum Beispiel im RÜG, wird Bezug auf den 18. Mai 1990 genommen (Tag der Unterzeichnung des Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR).
Wir werden leider nicht umhin kommen, das Problem auf gesetzlichem Wege zu lösen. Seien Sie versichert, dass sich meine Fraktion, DIE LINKE, weiter dafür einsetzt, damit endlich eine Entscheidung zugunsten der Betroffenen gefällt wird.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Martina Bunge