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Frage von Andreas Dr. B. •

Frage an Martin Burkert von Andreas Dr. B. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Burkert,

als selbst beruflich im Kapitalanlagebereich eines großen Versicherers Beschäftigter verfolge ich natürlich sowohl aus professionellen Gründen aber auch mit Interesse als Bürger die Diskussionen um die EU-Rettungspakete und die Beteiligung privater Gläubiger.

Beim am 21.Juli verabschiedeten Modell der Gläubigerbeteiligung hat sich aber m.E. eine sehr merkwürdige Situation ergeben:
Der Bankenverband IIF (als Interessensvertretung von 350 Banken) hat ein Angebot zur weiteren Finanzierung der griechischen Staatsschuld abgegeben, in dem sehr beeindruckende Zahlen einer Gläubigerbeteiligung im Milliarden-EUR-Bereich genannt sind.

Bei genauerem Hinsehen mit einem Mindestmaß an finanzmathematischer Vorbildung erkennt man jedoch, dass diese Beträge nur unter Zuhilfenahme eines Rechentricks entstehen: Nämlich indem man grundsätzlich erst einmal von einer geforderten Verzinsung von 9 % auf alle vorhandenen Griechenland-Forderungen ausgeht und ausgehend von dieser (mehr als großzügigen) einen - ich möchte ihn einmal "Pseudo-Verzicht" nennen - quantifiziert hat.
Zudem wären die neuen Wertpapiere mit Garantien des EFSF versehen, sodass natürlich eine Rendite-Erwartung von 9% mehr als großzügig erscheint.

Leider hat auch das Institut der dt. Wirtschaftsprüfer (IDW) dies augenscheinlich nicht vollumfänglich erfasst, da es zu dem Schluss kommt, dass Griechenland-Forderungen nach HGB-Rechnungslegung mit 21% und nach IFRS-Rechnungslegung komplett auf den Marktpreis abzuschreiben wären. Dies hat sich in den Bilanzen von bspw. Deutscher Bank, Allianz und Munich Re schon zum Q2 2011 manifestiert.
Somit ergibt sich die kuriose Situation, in der trotz eines faktisch wirtschaftlich nicht vorhandenen Verzichts der Gläubiger (somit keine Hilfe für Griechenland) in den Ergebnissen der Unternehmen Belastungen entstehen.

Sind den Abgeordneten die Rechenmodalitäten dieser "Gläubigerbeteiligung" Ihrer Meinung nach bekannt und transparent?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dr. Billmeyer,

vielen Dank für Ihre Frage. Vorab muss ich zwar sagen, dass wir Ihre Berechnungen nicht ganz nachvollziehen können und sie möglicherweise ebenfalls Fehler enthalten. Ich möchte aber vor allem auf den Schluss eingehen, den Sie daraus ziehen und diesem grundsätzlich zustimmen.

Der vom internationalen Bankenverband angebotene Schuldenschnitt von 21 Prozent ist in der Tat ein Gutteil Augenwischerei. Tatsächlich wird hier nicht auf das eingesetzte Kapital verzichtet, wie die Öffentlichkeit denken muss, sondern nur auf Zinserträge. Das ist aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion völlig unzureichend. Diese Position haben wir auch in den Fachausschüssen von Beginn an vertreten und eine wirklich substantielle Beteiligung der privaten Gläubiger an einem möglichen Schuldenschnitt gefordert. Das wurde von der Bundesregierung mit Entschiedenheit zurückgewiesen. Neuerdings haben sich Frau Merkel und Herr Schäuble diese Position der SPD plötzlich zu eigen gemacht. Das begrüßen wir natürlich – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die Bundesregierung in dieser Frage einen gefährlichen Schlingerkurs fährt.

Sie fragen auch noch nach der Transparenz der Berechnungsgrundlage der vorgeschlagenen Gläubigerbeteiligung. Der einzelne Abgeordnete wird die nach den internationalen Bilanzierungsregeln erstellten Zahlen kaum nachvollziehen können, das gilt auch für mich persönlich. Die Zahlen sind aber öffentlich, denn der Bankenverband hat sie in das Internet eingestellt. Im Bundestag haben die Fachleute der SPD-Bundestagsfraktion, die diese Bilanzierungsregeln sehr wohl durchblicken, die Zahlen geprüft und sind zu dem oben genannten Ergebnis gekommen: Die angebotenen 21 Prozent stellen keine angemessene Gläubigerbeteiligung dar. Insofern ist Transparenz gegeben.

Ich hoffe, dass in den nächsten Tagen bis zum EU-Gipfel eine einheitliche Haltung der Euro-Länder und aller EU-Länder in dieser Frage gefunden und die privaten Gläubiger substantiell an den Kosten eines Schuldenschnitts beteiligt werden. Daran wird die SPD-Bundestagsfraktion auch das Agieren der Bundesregierung und das Ergebnis des Gipfels messen.

Mit freundlichen Grüßen

Martin Burkert