Frage an Maria Michalk von Inge R. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Michalk,
als Mutter einer erwachsenen schwerstbehinderten Tochter bitte ich Sie um eine Stellungnahme zu der aktuell geplanten Regelbedarfsstufe 3, welche laut Gesetzentwurf der Bundesregierung für Menschen mit Behinderung lediglich 80 % des Bedarfs von erwachsenen Leistungsberechtigten ohne Behinderung vorsieht.
Das BSG hat in seinem Urteil B 8 SO 8/08 R vom 19.05.2009 bereits festgestellt: "Dies wäre jedoch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs 1 GG nicht vereinbar, weil bezogen auf die Minderung des Regelsatzes bzw der Regelleistung wegen Annahme einer Haushaltsersparnis zwischen der Personengruppe der SGB-XII- und SGB-II-Leistungsempfänger keine sachlichen Gründe für eine unterschiedliche Behandlung erkennbar sind."
Diese geplante Kürzung des Regelsatzes ist also diskriminierend und somit verfassungswidrig.
Mit welchen Argumenten wollen Sie rechtfertigen, dass Eltern von erwachsenen Kindern mit Behinderung jetzt gezwungen werden sollen, die Sozialgerichte mit Massenklagen zu überschütten?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Frau Rosenberger,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich Ihnen gerne beantworte. Die Regelbedarfsstufe 3 ist keine speziell auf Menschen mit Behinderung ausgerichtete Sonderregelung. Sie berücksichtigt vielmehr, dass Personen, die mit anderen in einem gemeinsamen Haushalt leben, einen geringeren Bedarf haben als Alleinstehende. Zum Beispiel müssen Haushaltsgeräte, wie Waschmaschine, Fernseher, PC nur einmal angeschafft werden. Regelmäßige Ausgaben, etwa für Telefonanschluss und Internetflatrate, Tageszeitung, Putz- und Reinigungsmittel etc. fallen insgesamt nur einmalig für den gesamten Haushalt an.
Die Regelbedarfsstufe 3 ist kein Verstoß gegen das Grundgesetz, denn das SGB II und das SGB XII sind zwei unterschiedliche Gesetze. Das SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende ) wendet sich an einen erwerbsfähigen Personenkreis, der vorübergehend eine Unterstützung durch steuerfinanzierte Sozialleistungen benötigt. Die existenzsichernden Leistungen der Sozialhilfe, insbesondere die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII, sind für diejenigen vorgesehen, die voraussichtlich dauerhaft auf die Unterstützung durch steuerfinanzierte Sozialleistungen angewiesen sind.
Haushaltsangehörige Leistungsberechtigte, die Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII erhalten, werden nicht generell schlechter, sondern anders gestellt als entsprechende erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach dem SGB II. Zudem erhalten nicht erwerbsfähige erwachsene Kinder von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die mit diesen eine Bedarfsgemeinschaft bilden, bereits im bestehenden System des SGB II auch nur eine Regelleistung von 80% des Eckregelsatzes und sind damit den haushaltsangehörigen erwachsenen Kindern im SGB XII gleichgestellt.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass die Regelbedarfsstufe 3 keine Neuerung der Reform darstellt. Die unterschiedliche Behandlung von Haushaltsangehörigen im SGB II- und SGB XII-Bezug gab es schon vorher. Das Urteil des BSG vom 19. Mai 2009 zeigt eindeutig, dass im Einzelfall darauf eingegangen werden muss, wie sich das Zusammenleben der Personen in einem Haushalt gestaltet. Für das Sozialhilferecht gilt der Grundsatz, dass sich die Leistungen nach den Besonderheiten des Einzelfalles zu richten haben. Dies bedeutet, dass der zuständige Sozialhilfeträger unter Berücksichtigung der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse genau prüfen muss, ob die Regelbedarfsstufe 3 in dem konkreten Einzelfall überhaupt anzuwenden ist.
Ungeachtet dieser ordnungspolitischen Grundhaltung können Betroffene in begründeten Situationen Antrag auf zusätzliche Leistungen, die so genannten Mehrbedarfe, stellen.
Mit freundlichen Grüßen
Maria Michalk MdB