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Lothar Binding
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Frage von Markus V. •

Frage an Lothar Binding von Markus V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Binding!

In der derzeitigen Debatte um das Gesetz „zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen“ verlangt das Familienministerium inzwischen offenbar nicht mehr nur eine Sperrung von Webseiten, die Kinderpornografie verbreiten, sondern sogar, dass Zugriffe darauf eine strafrechtliche Untersuchung nach sich ziehen könnten, durch Nutzung der IP-Adresse des Nutzers.

Ich bin definitiv gegen Verbreitung von Kinderpornografie und würde ein strenges Vorgehen gegen die Verteiler (und Produzenten!) von solchem Material sehr gerne sehen, aber in meinen Augen unterhöhlt eine Überwachung des Internet, in welchem Teil auch immer, das Fernmeldegeheimnis.

Besonders bedenklich wird all das, wenn man bedenkt, dass das Geld der Branche nicht, wie Frau von der Leyen behauptet, aus dem Internet kommt, sondern dort häufig kostenlos getauscht wird. Der Plan, der Industrie den „Geldhahn abzudrehen“ läuft also ins Leere.

Dieses und andere Argumente des Familienministeriums werden im Artikel „Die Argumente für Kinderporno-Sperren laufen ins Leere“ der Zeitschrift c’t (www.heise.de) genauer geprüft.

Eine Sperrung der Seiten würde auch nur die Symptome bekämpfen, dem wahren Problem kommt das noch nicht nahe. Das weiß auch sicherlich das Familienministerium. Wozu also eine so praktische Zensurmöglichkeit schaffen? Nennen Sie mich paranoid, aber ich glaube nicht, dass Verbrechensbekämpfung alles sein wird, das damit gemacht wird.

Was denken Sie zu diesem Thema? Wie werden Sie abstimmen, falls es soweit kommt?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Vock,

vielen Dank für Ihre Frage. Und vielen Dank für den Hinweis auf den Artikel: „Die Argumente für Kinderporno-Sperren laufen ins Leere“ in der c’t 9/2009.

Über weite Strecken trifft der Artikel meine Abwägungen sehr gut. Frau Ministerin von der Leyen ist schlecht beraten.

Ich teile die Bedenken gegen die Wirksamkeit der im Artikel erwähnten Sperren: DNS-Sperre und Zugriffssperre auf bestimmte IP-Adressen. Auch die Probleme mit weltweit verteiltem Hosting werden deutlich. Mit einem Blick nach China, wo die Sperren aus Gründen, die mir nicht gefallen, halbwegs funktionieren und mit einem Blick nach Norwegen oder Schweden, wo sie nicht wirksam funktionieren, sind meine Zweifel selbsterklärend.

Zu der Idee, das Bundeskriminalamt zu „ermächtigen“, Sperranordnungen zu verfügen und zu der Frage, der Eingriffe in die Grundrechte, hat die Justizministerin Brigitte Zypries das Notwendige gesagt.

Als Mitglied der Gesellschaft für Informatik e.V. bin ich der Meinung, dass die Kinder nur durch eine effektive Strafverfolgung geschützt werden können.

Im „Fazit“ verlassen die beiden Autoren Holger Bleich und Axel Kossel leider die zuvor fachlich sehr gute Abwägung und schreiben: „Was steckt also wirklich hinter all diesen Hirngespinsten? Wenn es nicht die Bekämpfung von Kinderpornos ist, dann kann es nur um die Installation der Sperren selbst gehen. Das würde bedeuten, …“ Dieses Zitat steht in krassem Widerspruch zu dem ansonsten guten Artikel.

Ich unterstelle Frau von der Leyen, dass es ihr tatsächlich um die Bekämpfung von Kinderpornografie und Kindsmissbrauch geht und nicht um „…die Installation der Sperren selbst…“. Um Ihre Ziele zu formulieren, wäre mehr technischer, weborganisatorischer und webstruktureller Sachverstand bzw. eine bessere Beratung notwendig. Aus einer unterstellten Annnahme, über deren Wahrheitsgehalt nichts gesagt werden kann, Schlüsse abzuleiten, ist logisch unsauber – damit konterkarieren die Autoren am Ende ihren eigenen Artikel.

Sie fragen auch nach meinem Abstimmungsverhalten. Ich weiß noch nicht genau, wie ich abstimmen werde. Das hängt von der Formulierung der Gesetzesvorlage in der Beschlussfassung des Ausschusses ab. Nach meiner kurzen Antwort auf Ihre Frage ist meine Denkrichtung sicher deutlich geworden. Ich werde zum Schluss abzuwägen haben, ob eine Zustimmung zum Regierungsentwurf tatsächlich Schaden verursachen kann, oder ob lediglich die Wirkung gering bleibt.

Es gibt noch eine weitere Abwägung: Aus „Angst in die böse Ecke“ gestellt zu werden, bevor mir vorgeworfen werden kann, ich hätte nicht alles Menschenmögliche auf der gesetzgeberischen Seite getan, würde ich auch Maßnahmen zustimmen, die ich für wirkungslos halte, von denen sich aber große Teile der Bevölkerung gute Wirkungen versprechen. Wie Holger Bleich und Axel Kossel in ihrem Artikel eingangs vermuten, wird das auch der Grund sein, warum die Provider „mitmachen“. Der Vorteil, sich so zu verhalten, besteht daran, dass später deutlich werden kann, ob solche Maßnahmen wirken, oder – wie ich vermute – nicht wirken.

Mit freundlichen Grüßen, Ihr Lothar Binding