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Kordula Schulz-Asche
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Johannes M. •

Frage an Kordula Schulz-Asche von Johannes M. bezüglich Senioren

Sehr geehrte Frau Schulz-Asche,

in der Diskussion um Altersarmut wird immer nur über die Bedrohung von Arbeitnehmern diskutiert. Es gibt viele Selbständige und Gewerbetreibende, die trotz langer Arbeitszeiten einen so geringen Gewinn erwirtschaften, dass sie ebenfalls zu wenig privat vorsorgen können. Ihre Situation ist mit Arbeitnehmern im Niedriglohnsektor vergleichbar. In der Diskussion werden aber nur Konzepte zur gesetzlichen Rentenversicherung und betrieblichen Altersversorgung erwähnt, nicht aber Konzepte zur Altersabsicherung, die unabhängig davon greifen, wie man sein bisheriges Einkommen erzielt hat. Was schlagen Sie vor, wie auch diese Gruppe vor Altersarmut geschützt werden könnte?

Teilweise ist die Situation von Selbständigen sogar schlimmer, weil sie wegen fehlender gesetzliche Rentenversicherungspflicht privat vorsorgen und dabei bei Rentenversicherungsverträge getäuscht wurden, bei denen private Versicherungskonzerne ganz legal die tatsächlichen Kosten der Verträge verschweigen dürfen. Wieso werden Versicherungsunternehmer nicht gezwungen anzugeben, wie hoch der Versicherungsanteil und wie hoch der Sparanteil der monatlichen Prämie wirklich ist. Nur so kann man ausrechnen, mit welchem Altersvermögen man nach Ablauf der Sparphase realistisch rechnen kann und einen Rentenvertrag mit einem reinen Fondssparvertrag vergleichen. Ohne dieser Verpflichtung zahlt man monatliche Beiträge in ein schwarzes Loch in der Annahmen es würde genügend übrig bleiben. Würden Sie eine Gesetzesänderung befürworten, mit denen die Versicherungsunternehmen zur oben genannten Preistransparenz verpflichtet würden?

Mit freundlichen Grüßen

J. M.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr M.,

vielen Dank für Ihr Schreiben zur Altersabsicherung von Selbständigen. Die Arbeitswelt verändert sich, und dadurch auch die Art des Arbeitens: Durch die Reorganisation von Dienstleistungen, Outsourcing und die Zerlegung von Produktionsprozessen gewinnen selbständige Tätigkeiten seit Jahren an Bedeutung. Die Digitalisierung verleiht neuen Formen der Selbständigkeit einen zusätzlichen Schub. Dies eröffnet neue Chancen für ein selbstbestimmtes und flexibles Arbeiten – aber der Wandel zieht auch Umbrüche in der Erwerbsbiographie vieler Beschäftigter nach sich. Das hat teils weitreichende Konsequenzen für die Absicherung bei Krankheit, im Alter oder bei Erwerbsunfähigkeit.

Wer den Weg in die Selbständigkeit wählt, trägt mehr Verantwortung für die eigene Absicherung – und hat größere Risiken. Kranken- und Rentenversicherungen müssen von den Selbständigen zusätzlich zu ihren Betriebs- und Personalausgaben erwirtschaftet werden. Wie Sie richtig schreiben, ist dies nicht für alle Selbständigen zu bewältigen. Mindestens zehn Prozent haben dabei eine prekäre Einkommenslage und gelten damit als akut armutsgefährdet.

Um auch Selbständigen eine sichere und faire Altersabsicherung zu bieten, setzen wir Grünen uns daher für einen Bürgerfonds als einfaches und verständliches Produkt für die private Altersvorsorge ein. Er soll ohne übermäßige Gebühren auskommen, Sicherheit bieten und ein Anlagemodell für alle und nicht nur für Besserverdienende sein. Er soll zum Standard der geförderten privaten Altersvorsorge werden; Wer es nicht will, kann wie bisher Produkte der Privatwirtschaft zur Altersvorsorge nutzen. Andere Länder wie Schweden machen schon lange vor, dass dies ein effizienter Weg ist, die private Altersvorsorge zu einem wichtigen Baustein zu machen, um den Lebensstandard im Alter zu erhalten.

Sie haben zudem mit Ihrer Frage nach einer transparenten Darstellung der Werteentwicklung von privaten Rentenversicherungen einen wichtigen Aspekt für die Anlegerinnen und Anleger angesprochen. Da tut sich in Zukunft angestoßen durch die EU etwas:
Auf Grund der sog. „PRIIPS-Verordnung“ (packaged retail and insurance-based investment products) der EU müssen ab Anfang nächsten Jahres Versicherungen und Kapitalverwaltungsgesellschaften mit sog. Basisinformationsblättern auf maximal drei DIN A4 Seiten die Anleger vor Vertragsabschluss u.a. über die jeweilige Rentenversicherungen oder den jeweiligen Investmentfonds informieren. Anleger sollen so auf einen Blick erfassen können, ob ein Kapitalverlust möglich ist und Informationen zu Kosten, Risiko und möglicher Wertentwicklung erhalten. Gleichzeitig soll die Vergleichbarkeit von verschiedenen Produkten ermöglicht werden. Die Grünen im Europaparlament haben sich im Rahmen der Verhandlungen zur PRIIPS-Verordnung dafür stark gemacht, dass die tatsächlichen Risiken und Kosten des jeweiligen Anlageproduktes transparent dargestellt werden.

Handlungsbedarf sehen wir Grünen im Bundestag in allen Sozialversicherungen und haben dazu unsere Vorschläge in Form eines Antrages mit dem Titel „Mit Sicherheit in die Selbständigkeit ‒ Für eine bessere Absicherung von Selbständigen“ in den Bundestag eingebracht: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/100/1810035.pdf .

Mit freundlichen Grüßen,

Kordula Schulz-Asche

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