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Frage von Gerd P. •

Frage an Jörg van Essen von Gerd P. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Jörg van Essen,

das Verhalten Der Partei Bündnis 90 Grüne empfinde ich zunehmend als strafbare Handlung.
In diesem Jahr fand der vorerst letzte Castor Transport statt.
Mit Unterstützung und Billigung der Grünen Claudia Roth ( http://www.focus.de/politik/deutschland/volker-kauder-uebt-kritik-gruene-sollen-sich-von-castor-gegnern-distanzieren_aid_688655.html ) verübten „Umweltaktivisten“ und Linksextremisten Straftaten. Es ist mir nicht bekannt, dass eine Demo an oder sogar auf den Bahngleisen angemeldet und genehmigt wurde.
- Handelt es sich beim Versuch einen Transporter mit gefährlichen Atommüll zum entgleisen zu bringen, indem man das Gleisbett vom Schotter befreit und Bahngleise beschädigt, um eine terroristische Handlung?
- Sind „Schotterer“ und Personen, die in Gruppen Bahngleise beschädigten als Terroristische Vereinigung einzustufen?
- Wann ist das Gewaltmonopol der Polizei auf die Demonstranten über gegangen?
- Warum haben sich die Grünen bis jetzt noch nicht von den Linksextremisten und gewaltbereiten Umweltaktivisten distanziert?
- Auf welches Recht beriefen sich diese „Umweltaktivisten“, als sie sich auf die Bahngleise setzten, oder sich sogar an den Bahngleisen anketteten?
- Warum durften die Umweltaktivisten an illegalen Sitzblockaden teilnehmen?
- Wie werden die namentlich festgestellten Straftäter an den Kosten des Castor Transportes beteiligt?
- Gab es einen verantwortlichen Veranstalter der gewalttätigen Demo?
- Sollten im Zuge solcher Handlungen die Gelder im Kampf gegen Linksextremismus erhöht werden?
- Würden NPD Mitglieder, die in ähnlicher Weise kriminell gegen ein NPD-Parteiverbot handeln würden, genau so wie diejenigen beim Castor Transport behandelt werden?

Wir sind uns doch hoffentlich einig darüber, dass es sich bei 150 verletzten Polizisten, mehrere beschädigte Bahngleise und mehreren abgebrannten Fahrzeugen der Polizei, nicht um eine friedliche Demonstration gehandelt haben kann.

Mit freundlichem Gruß
Gerd Peters

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Peters,

ich freue mich, dass Sie sich mit Ihren Fragen zu den Vorkommnissen anlässlich des gegen Ende November 2011 stattgefundenen Castortransports in das Zwischenlager nach Gorleben an mich wenden. Als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion möchte ich Ihnen die Position der Liberalen im Bundestag angesichts der teilweise gewalttätigen Auseinandersetzungen rund um den Castortransport erläutern und darüber hinaus versuchen, Ihre Fragen im Sinne liberaler Grundsätze weitestgehend zu erläutern.

Bedauerlicherweise ist es in der Vergangenheit immer wieder passiert, dass durch Blockaden von Castortransporten in das Zwischenlager Gorleben diese gestoppt oder zumindest verzögert werden sollte. Hierzu wurden die Demonstranten teilweise auch von Abgeordneten der Parteien BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE aufgerufen, Bahngleise durch Sitzblockaden zu besetzen oder Steine aus dem Gleisbett zu entfernen, um es zu destabilisieren (sogenanntes "Schottern"). Zentraler Ausgangspunkt der rechtlichen Frage dieser Blockadeaktionen ist das Grundrecht auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit in Art. 8 des Grundgesetzes (GG), anhand dessen die Rechtmäßigkeit der verschiedenen Blockadeaktionen zu bewerten ist. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ermöglicht den Bürgern unseres Staates, Einfluss auf die politische Willensbildung zu nehmen und ist für die repräsentative Demokratie unverzichtbar. Bei der Demonstrationsfreiheit handelt es sich unbestritten um ein staatsbürgerliches Recht von bedeutendem verfassungsrechtlichem Rang. Nach Art. 8 Abs. 1 GG darf der Gesetzgeber jedoch Versammlungen unter freiem Himmel einschränken. Hierfür hält auch das Grundgesetz in Art. 8 Abs. 2 einen verfassungsrechtlich eingeschränkten Gesetzesvorbehalt bereit. In verfassungsrechtlich zulässiger Weise sind in § 15 des Versammlungsgesetzes (VersG) und in den §§ 23, 29 VersG entsprechende Einschränkungsmöglichkeiten vorgesehen.

Grundsätzlich unterliegen dabei auch Demonstrationen in Form von Sitzblockaden dem verfassungsrechtlichen Schutzbereich der Versammlungsfreiheit. Jedoch ist in diesem Zusammenhang unbedingt zwischen zwei Formen der Sitzblockaden zu unterscheiden, um die Frage nach der Zulässigkeit von Sitzblockaden umfassend und korrekt zu beantworten. Behinderungen des Straßen- oder Schienenverkehrs, die sich als sozialadäquate Nebenfolgen rechtmäßiger Demonstrationen darstellen und sich im Sinne des Demonstrationszwecks nicht vermeiden lassen, müssen als durch Art. 8 Abs. 1 GG zulässige Demonstrationen bewertet werden.

Strikt davon zu unterscheiden sind jedoch Blockadeaktionen, die zum Ziel haben, den Straßen- oder Schienenverkehr absichtlich zu behindern oder teilweise zum Erliegen zu bringen, um dadurch die Aufmerksamkeit auf die Protestaktionen zu ziehen. Ich gehe davon aus, dass sich Ihre Anfrage ausschließlich auf diese Form der Sitzblockaden bezieht. Diese Blockadeaktionen sind nach der eindeutigen ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht rechtmäßig, sondern vielmehr rechtswidrig und können demnach auch sanktioniert werden. Dies möchte ich Ihnen im Folgenden gerne näher unter Zugrundelegung der aktuellen Geschehnisse erläutern:

Die Polizeidirektion Lüneburg hat auch wie in den vergangenen Jahren anlässlich des bevorstehenden Castortransportes im November 2011 ein weitreichendes Demonstrationsverbot erlassen, das sich über einen hundert Meter breiten Korridor entlang der vom Transport betroffenen Bahn- und Straßenabschnitte erstreckte. Hiervon waren sämtliche Versammlungen unter freiem Himmel und somit auch Sitzblockaden erfasst. Die Polizei hat insofern von § 15 Abs. 1 VersG Gebrauch gemacht, wonach Demonstrationen verboten werden können, "wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist". Wer dennoch an diesen verbotenen Sitzblockaden teilgenommen hat, handelte nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 VersG ordnungswidrig und somit rechtswidrig und kann nach § 29 Abs. 2 VersG mit einer Geldbuße belangt werden. Hinzu kommt, dass nach § 23 VersG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft wird, wer öffentlich zu Sitzblockaden aufruft, nachdem sie verboten wurden.

Auch wenn es sich bei den Aktivisten nicht um terroristische Vereinigungen im Sinne der §§ 129 ff. StGB handelt und somit auch keine strafrechtlich relevanten terroristischen Handlungen vorliegen, macht sich gleichwohl wegen schwerer Straftaten strafbar, wer sich am sogenannten "Schottern" beteiligt oder dazu aufgerufen hat. In Betracht kommen hierzu Straftatbestände wie die Störung Öffentlicher Betriebe nach § 316 b Strafgesetzbuch (StGB), ein gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr nach § 315 StGB oder auch eine Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB. Darüber hinaus macht sich gemäß § 111 StGB strafbar, wer zu diesen Straftaten aufruft. Jedenfalls ist festzuhalten, dass diese Taten rechtswidrig sind und unter keinem anerkannten rechtlichen Umstand gerechtfertigt sein können.

Es entspricht der geübten Praxis der Parteien und einzelner Abgeordneter von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Partei DIE LINKE, zu den eingangs dargestellten Protestaktionen aufzurufen oder zu mobilisieren. Dabei wird noch nicht einmal zwangsläufig die unleugbar beschriebene Rechtslage von den Initiatoren und Aktivisten der Blockaden bestritten. Vielmehr möchten sich die Akteure von den erlassenen Demonstrationsverboten und juristischen Folgen nicht abschrecken lassen, was wir als Liberale aufs Äußerste verurteilen. Stattdessen unterliegen die Akteure in vielen Fällen einem Irrglauben, wenn sie meinen, die Rechtswidrigkeit verbotener Sitzblockaden oder des strafrechtlich relevanten "Schotterns" sei unter dem Gesichtspunkt des "zivilen Ungehorsams" in Frage zu stellen. Bei dem "zivilen Ungehorsam" handelt es sich jedoch nicht um einen in unserer Rechtsordnung anerkannten rechtlich relevanten Rechtfertigungsgrund, um Sitzblockaden als zulässige Ausübung staatsbürgerlicher Rechte zu bewerten. Zusammenfassend möchte ich Ihnen sagen, dass Sitzblockaden oder "Schottern" als Ordnungswidrigkeiten einzustufen sind, wenn sie nicht sogar im Einzelfall als Straftaten bewertet werden müssen. Es handelt sich jedenfalls um rechtswidrige Handlungen. Ob die Blockadeaktionen gewaltfrei durchgeführt wurden, kann bei der juristischen Beurteilung keine Rolle spielen.

Die FDP als Partei der Bürgerrechte steht dafür, dass das geltende Recht zu akzeptieren ist soweit es Bestand hat. Wir setzen uns dafür ein, dass sich niemand über das Recht hinwegsetzt und verurteilen das verfassungsrechtlich ungezügelte Vorgehen anderer Parteien und Volksvertreter, die zur Durchführung oder Teilnahme an rechtswidrigen Handlungen anlässlich des Castortransportes aufgerufen haben. Während die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nicht zwingend geboten ist (§ 47 OWiG), sind die Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich verpflichtet, Ermittlungsverfahren einzuleiten und ggf. Klage zu erheben, sofern die Ermittlungen einen hinreichenden Tatverdacht liefern.

Ich stimme demnach mit Ihnen überein, dass mehrere verletzte Polizisten, brennende Einsatzfahrzeuge sowie beschädigte Gleise keineswegs Ausdruck einer friedlichen Demonstration sind. Stattdessen ist es Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden, diesen (strafbaren) Rechtsverletzungen nachzugehen. Unabhängig davon machen auch die Liberalen es sich zur Aufgabe, gegen jede Art rechtswidriger Gewalt von links oder rechts vorzugehen.

Ich hoffe, dass ich Ihnen weiterhelfen konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Jörg van Essen, MdB