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Jörg Behlen
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Frage von Birgit H. •

Frage an Jörg Behlen von Birgit H. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Behlen,

wie stehen Sie zu dem Thema Hartz IV? Zwischen Hartz IV und der arbeitenden Bevölkerung gibt es kaum noch Unterschiede was den Lohn betrifft. Auch daß junge Männer bis zum 25. Lebensjahr zu Hause bleiben müssen und und ALG II in Höhe von 287 Euro bekommen, grenzt für mich als unverschämt. Da dürfen Erwachsene mit 18 Jahren wählen gehen, ab dem 21. Lebensjahr wird in der Justiz Erwachsenenstrafrecht angewandt und genau dieser Staat sagt nun, daß junge Menschen bis 25 Jahre zu Hause bleiben müssen!!! Das ist völlig unlogisch!!

Wie stehen Sie zu diesem breiten Thema?
Vielen Dank für Ihre Antwort MFG

Portrait von Jörg Behlen
Antwort von
FDP

Sehr verehrte Frau Heine,

gerne nehme ich Ihre Frage bzw. Anmerkungen auf und versuche Sie aus meiner
Sicht näher zu betrachten.
Als ehrenamtlicher Richter an einem Sozialgericht bin ich mit den Fragen der Sozialgesetzgebung persönlich befasst. Einen sehr bezeichnenden Artikel über den Alltag an deutschen Sozialgerichten können Sie hier nachlesen: http://tinyurl.com/5boxn2 . Die FDP hat die Klagewelle durch eine dilettantische Hartz IV-Gesetzgebung früh vorausgesehen, vor den handwerklichen Fehlern gewarnt und die Umsetzung stets sehr kritisch begleitet. Quelle FDP-Bundespartei: http://tinyurl.com/m3efye Bei allem Streit: Unsere Gemeinschaft ist verpflichtet, Hilfebedürftigen zu helfen. Zeltstädte wie in den USA gibt es bei uns nicht und wird es auch zukünftig nicht geben. §1 Abs. 1 SGB I sagt es deutlich aus: "Das Recht des Sozialgesetzbuchs soll zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit Sozialleistungen einschließlich sozialer und erzieherischer Hilfen gestalten. Es soll dazu beitragen, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, gleiche Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit, insbesondere auch für junge Menschen, zu schaffen, die Familie zu schützen und zu fördern, den Erwerb des Lebensunterhalts durch eine frei gewählte Tätigkeit zu ermöglichen und besondere Belastungen des Lebens, auch durch Hilfe zur Selbsthilfe, abzuwenden oder auszugleichen."

Es wird folgendes klar: Kein Mensch bleibt in Deutschland ohne Hilfe. Der Streit entbrennt über die Definitionshoheit und insbesondere was menschenwürdiges Leben im Einzelfall bedeutet. Das Lohnabstandsgebot läßt sich seit geraumer Zeit insbesondere für Familien mit Kindern für sehr viele Arbeitnehmer nicht mehr aufrechterhalten. Ein Mindestlohn wie von manchen gefordert, würde das Problem ebenfalls nicht lösen können, denn bei einem Arbeitnehmer mit einer vierköpfigen Familie würden 7,5 € pro Stunde (Monatsbruttolohn von ca. 1.350 €) weit unter der Gesamtstützung durch ALG II liegen. Zum Beweis hier ein Online-Rechner zur Ermittlung der Unterstützungshöhe: http://tinyurl.com/dcwt4r Zudem würden vorsichtig geschätzt ca. 1.100.000 Arbeitsplätze in Deutschland entfallen. Quelle: http://tinyurl.com/ndz3ft
Die FDP hat mit Ihrem Vorschlag zur Reform des bestehenden Sozialsystems bereits 2005 mit dem Konzept des Bürgergeldes einen ausgewogenen Vorschlag unterbreitet: http://tinyurl.com/67epgj

Es mag sich gut anhören: Gerechter Lohn für harte Arbeit. Jedoch überwiegen bei weitem die Nachteile einer solchen Forderung:
1. Der Mindestlohn wird Teil des Wahlkampfes. Wer den höchsten Lohn fordert, der gewinnt. Jedoch lassen sich langfristig Löhne nicht politisch festlegen. An diesem Versuch sind alle sozialistischen Länder gescheitert.
2. Die Tarifautonomie wird elementar untergraben. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollten sich jedoch zu Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden zusammenschließen und Löhne und Arbeitsbedingungen aushandeln.
3. Löhne sind Ausdruck der Leistung und Wertschätzung und nicht des politischen Willens.

Es ist eine nur schwer bestreitbare Tatsache, dass viele Arbeitnehmer unbedeutende Reallohnzuwächse in den letzten fünfundreißig Jahren erzielten. Das lag jedoch nicht an mangelhaften Gehaltszuwächsen, die bei Stundenlohnbetrachtung Brutto ein Niveau von 187% (2005, Basis 1970=100%) erreichten. Die Nettomonatslöhne real jedoch von 1970 bis 2005 für einen Facharbeiter nur um 25 % stiegen. Die Schere zwischen den stark ansteigenden Arbeitskosten des Arbeitgebers und den bescheidenen Reallohnzuwächsen der Arbeitnehmer sind durch enorme Zuwächse der Abgaben des Staates auf Arbeit zu erklären. Quelle: http://tinyurl.com/ndz3ft

Zu Ihrer konkreten Frage Auszug aus einer Bedarfsgemeinschaft eines Kindes ohne Berufstätigkeit unter 25 Jahren: Es ist zumubar, dass ein Kind, sofern es ebenfalls keine Arbeit aufnimmt bzw. findet, bis zum 25. Lebensjahr im Elternhaushalt lebt. Die Kosten für Miete und Regelleistung steigen bei Auszug für die Allgemeinheit erheblich an. Sofern ein junger Mensch arbeitet, stellt er sich auch die Frage, ob seine Ausbildungsvergütung oder sein Arbeitslohn für eine eigene Haushaltsführung ausreicht.

Mit freundlichen Grüßen
Jörg Behlen