Frage an Ingrid Nestle von Rainer L. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Nestle,
ich habe eine grundsätzliche Frage, nämlich ich höre immer den beruhigenden Slogan, der lautet: "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich".
Das ist doch gar nicht wahr!
Wenn jemand zu einer Haftstrafe von X verurteilt worden ist, kann derjenige (wenn genügend Kleingeld vorhanden ist) durch Kautionszahlung verhindern, ins Gefängnis gehen zu müssen.
Handelt es sich jedoch um einen Hartz 4 Empfänger, dann kann derjenige jedoch keine Kaution leisten - und muss ins Gefängnis!
Ergo, kann man doch ernsthaft nicht davon sprechen, dass alle Menschen gleich sind.
Wie es sich mit diesem Grundsatz verhält, möchte ich einmal erklärt bekommen?
Mit besten Grüssen
Rainer Lange
Sehr geehrter Herr Lange,
in der Tat ist es durch § 116 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 der Strafprozessordnung möglich, jemanden gegen Kaution nicht in die Untersuchungshaft zu schicken. ("Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, dass der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich […] die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.")
Nach Ansicht unserer Rechtsexperten verstößt diese Regelung jedoch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz, da die Höhe der Sicherheit den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des jeweiligen Beschuldigten anzugleichen ist, so dass auch einkommensschwache Menschen gegen Kaution freigelassen werden können.
Mit freundlichen Grüßen
Ingrid Nestle