Frage an Horst Weintraut von Sebastian R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Weintraut,
ich begrüße es sehr, dass sie sich und die Piraten für den Schutz der Daten einsetzen. Dennoch sind die oft dafür angeführten Argumente wie Terrorismus und Verbrechensbekämpfung ein wichtiges Thema. Wenn verdachtsunabhängige Überwachung nicht zielführend ist, wo sind dann die Engpässe bei der Kriminalitätsbekämpfung? Was müssen wir tun, um effektiv gegen Terrorismus vorzugehen? Haben Geheimdienste abgesehen von den aktuellen Skandalen nicht auch notwendige Aufgaben? Wie gehen wir damit um, wenn Verbrecher den Behörden einen technologisch Vorsprung haben?
Viele Grüße
Sebastian
Hallo Sebastian
Man sollte mal folgender Frage nachgehen: Wieviele Terroristen kennt man persönlich? Haben Terrosristen in meinem Leben direkt oder indirekt eine Rolle gespielt? Haben sie mich bedroht oder tatsächlich geschädigt? Welche Gefahrenpotentiale gehen von ihnen in Deutschland wirklich aus?
Dann wird man feststellen, daß Rauchen, Trinken, Übergewicht, Autofahren, sogar Fahrrad fahren und vieles mehr wesentlich gefährlicher sind. Aber der Aufwand, der getrieben wird, um "angebliche Terrorristen" zu bekämpfen und die Freiheiten bzw. Grundrechte, die dafür immer weiter eingeschränkt und abgebaut werden, sind erheblich.
Was ich damit sagen will ist: Der Überwachungsstaat wird täglich größer. Siehe NSA-Abhörskandal, PRISM, Tempora, Bestandsdatenauskunftsgesetz, Vorratsdatenspeicherung, Staatstrojaner, Videoüberwachung und vieles mehr. Aber die Begründung dafür (nämlich die Terrorgefahr) ist äußerst schwach. Der Aufwand, der gegen "angebliche Terroristen" getrieben wird, steht in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Gefahr.
Früher galt als wichtiges Rechtsprinzip die "Unschuldsvermutung". Heute wird der Bürger dagegen unter Generalverdacht gestellt. Die Grundrechte werden immer weiter eingeschränkt. Die Privatsphäre ist praktisch abgeschafft, da alle Mails, SMS und Telefonate abgehört und aufgezeichnet werden. Dazu gehören vertrauliche berufliche Kontakte aber auch der Kontakt zu Anwälten, Psychologen, Pfarrern, Ärzten usw.. Die berufsbedingte Schweigepflicht diese Berufe existiert damit faktisch nicht mehr. Das Ganze entwickelt sich immer weiter hin zum Orwelschen "1984".
Freiheit schützt man nicht, indem man sie abschafft. Das Supergrundrecht "Sicherheit" hat der CDU-Innenminister kürzlich frei erfunden. Das gibt es im Grundgesetz nicht!
Die Geheimdienste haben beim NSU-Skandal vollkommen versagt. Was sie sonst so Wichtiges tun, bleibt uns verborgen. Sie gehören abgeschafft. Die aktuell der Kriminalpolizei zur Verfügung stehenden Mittel und Rechte reichen für eine Kriminalitätsbekämpfung völlig aus. Sie sind dann regelmäßig an dem technischen Fortschritt anzupassen.
Die Piraten stehen als einzige Partei konsequent für den Schutz der Privatsphäre, für mehr und besser ausgebildete Polizisten statt mehr Überwachungsmaßnahmen. Die Piraten stehen für den konsequenten Datenschutz und gegen den Ausverkauf unserer Daten und unserer Privatsphäre, wie das von allen anderen Parteien von links bis rechts in den letzten 15 Jahren betrieben wurde.
Die Kriminalität, die den Staat tatsächlich am meisten schädigt, ist die Steuerhinterziehung (geschätzter Schaden ca. 100.000.000.000 = 100 Mrd EUR pro Jahr). Wie wir alle wissen, kommen die wenigen erwischten Steuerhinterzieher stets mit einem blauen Auge (= Bewährungsstrafe) davon. Warum ist das so?
Dann folgt die Verschwendung von Steuergeldern durch Korruption, Mißwirtschaft oder Inkompetenz (geschätzter Schaden weitere ca 80.000.000.000 = 80 Mrd EUR pro Jahr). Siehe u.a. Berliner Flughafen, Stuttgart 21 uvm. Das ist leider zum großen Teil nicht strafbar.
Als nächster großer Kriminalitätsfaktor folgt der Einfluß mafiöser, organisierter Strukturen, die ihre Gewinne aus Drogenverkauf u.a. in die reale Wirtschaft einschleußen (Geldwäsche). Die Piraten stehen für die Legalisierung bzw. Entkriminalisierung von Drogen. Damit würde der Mafia eine große Geldquelle entzogen werden.
MfG
Horst Weintraut
Weitere Fragen an Horst Weintraut
(...) Ein NPD-Verbot sehe ich persönlich als nicht zielführend. Ein Verbot sorgt evtl dafür, daß die dort politisch beheimateten in den Untergrund gehen. (...)