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Frage von jens f. •

Frage an Horst Seehofer von jens f. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Welche Vorteile und welchen Nutzen soll Agrogentechnik haben, um diese gegen Gefahr unserer Lebensgrundlage abzuwägen?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Fernau,

seit einigen Jahren sind wir in der Lage, die in den Genen festgelegten Baupläne der Organismen zu lesen, seit kurzem können wir diese Baupläne sogar gezielt verändern. Damit ist das Zeitalter der Gentechnik angebrochen. Welche Möglichkeiten sich daraus ergeben wird an den enormen Fortschritten in der medizinischen und industriellen Anwendung deutlich. So sind in Deutschland derzeit mehr als 100 Medikamente zugelassen, die gentechnologisch hergestellt werden. Diese Arzneimittel machen rund 12% des Arzneimittelumsatzes deutscher Apotheken aus. Von den jährlich neu eingeführten Wirkstoffen sind rund 30% gentechnischen Ursprungs.

Im Bereich der Landwirtschaft, also für die Produktion von Lebens- und Futtermitteln sowie neuerdings auch nachwachsender Rohstoffe und Energiepflanzen, können die gleichen Methoden dazu genutzt werden, die Pflanzenzüchtung effizienter und schneller zu machen. Gentechnische Methoden sind heute ein unverzichtbares Werkzeug in der pflanzlichen Biotechnologie, um auf die schnelle technische Entwicklung und die gesellschaftlichen Anforderungen angemessen reagieren zu können. Die heutige moderne Pflanzenzüchtung, auch die konventionelle und ökologische Züchtung, wäre ohne diese molekularen Grundlagen nicht mehr denkbar. Und ohne eine leistungsfähige Pflanzenzüchtung könnte der deutsche Agrar- und Ernährungssektor nicht wettbewerbsfähig bleiben.

Global betrachtet kommen der Steigerung und Sicherung der Erträge durch den immer schnelleren Wandel der Lebensbedingungen, das Wachstum der Weltbevölkerung und den Ernährungsbedarf in den wachsenden Mangelgebieten bei gleichzeitig schrumpfender Anbaufläche für Agrarprodukte zukünftig eine herausragende Rolle zu. Im Jahr 1960 standen zur Ernährung eines Menschen noch 0,45 Hektar landwirtschaftlicher Fläche zur Verfügung, 2025 werden es aber mit 0,21 Hektar nur noch halb so viel sein. Zusätzliche Herausforderungen entstehen durch den verstärkten Einsatz landwirtschaftlicher Erzeugnisse für die Energiegewinnung oder als nachwachsende Rohstoffe. Weil andere pflanzenbauliche Maßnahmen zumindest in den weiter entwickelten Landwirtschaften schon sehr weitgehend optimiert sind, werden künftige Ertragssteigerungen noch viel stärker aus dem Fortschritt in der Züchtung kommen müssen.

Die Bundesregierung möchte deshalb vor allem die Forschung im Bereich der Pflanzenbiotechnologie in Deutschland weiter voranbringen. Die globale Entwicklung schreitet voran, unabhängig davon, ob in Deutschland Forschung betrieben wird oder nicht. Es wäre deshalb kaum begründbar, sich aus der Erforschung gentechnisch veränderter Pflanzen zurückzuziehen und diesen Wachstumsbereich anderen zu überlassen. Dann würden wir letztlich aus dem Ausland einführen müssen, was wir selbst nicht beeinflussen können. Dabei kann es kein einfaches "ja" oder "nein" geben. Was wir vielmehr brauchen, ist eine differenzierte Betrachtung einzelner Anwendungen und daraus resultierender Vor- und Nachteile. Allerdings ist die Gentechnik noch eine vergleichsweise junge Technologie. Deshalb müssen wir auch ihre Risiken im Blick behalten. Wir haben bei weitem noch nicht alle damit zusammenhängenden Fragen abschließend erforscht. Gerade die Gegner der Anwendung der Gentechnik im landwirtschaftlichen Pflanzenbau führen häufig an, dass die Sicherheit gentechnisch veränderter Pflanzen und Lebensmittel nicht ausreichend erforscht sei. Dann sollte den offenen Fragen auch bei uns nachgegangen werden können. Wir brauchen deshalb auch in Deutschland eine fundierte und leistungsfähige Sicherheitsforschung. Dafür ist aber auch der Versuchsanbau gentechnisch veränderter Pflanzen im Freiland unerlässlich.

Für beide Bereiche, die Sicherheitsforschung ebenso wie für Entwicklungsforschung gilt dabei, dass sie mit Augenmaß betrieben werden müssen. Es geht uns hier nicht um blinden Fortschritt sondern um eine ethisch verantwortbare Perspektive. Weiterhin muss alles daran gesetzt werden, dass die Gentechnik wirklich nur dort Anwendung findet, wo ihre Sicherheit gewährleistet ist.

Mit freundlichen Grüßen

Horst Seehofer, MdB