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Heidemarie Wieczorek-Zeul
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Frage von Friedrich H. •

Frage an Heidemarie Wieczorek-Zeul von Friedrich H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Ministerin.

In der Tagesschau ( http://www.tagesschau.de/ausland/familiengesetzafghanistan104.html ) lese ich, sie wollen gegen das neue Familiengesetz in Afghanistan vorgehen. Dort werden sie nicht wörtlich zitiert: "Deutschland, das viel für den zivilen Wiederaufbau in Afghanistan leiste, habe das Recht und die Verpflichtung, Sorge zu tragen, dass die Menschenrechte in Afghanistan respektiert werden."

Mir stellen sich hier einige Fragen:
1. Wieso ist erst ein Gesetz zur Beschneidung von Frauenrechten nötig, um die Welt, Deutschland und Sie zum Eingreifen zu bringen?
2. Was gedenken Sie zu tun, was die anderen Menschenrechte in Afghanistan betrifft? In Afghanistan sind Islam-Apostaten nach wie vor von der Todesstrafe bedroht ( http://de.wikipedia.org/wiki/Abdul_Rahman_(Konvertit) ), was ihr elementares Menschenrecht auf Religionsfreiheit negiert.
3. Islamkritiker werden in Afghanistan nach wie vor hingerichtet ( http://www.n-tv.de/911891.html ), was das elementare Menschenrecht auf Meinungsfreiheit negiert., wieso passiert hier nichts?
4. Frauen werden nach wie vor wegen vermeindlichen oder tatsächlichem Ehebruchs hingerichtet bzw. hingemordert ( http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,353146,00.html ) - ohne Reaktion seitens der Bundesregierung!

Wieso greifen Sie, wieso greift die Bundesregierung nur ein, wenn es um ein Gesetz zur Frage der Vergewaltigung in der Ehe und der Arbeitswahl der Frauen geht, nicht jedoch bei den oben aufgezählten weit drastischeren Menschenrechtsverletzungen?

Sind wir nicht gerade angesichts unserer Geschichte ohne wenn und aber dazu verpflichtet, derartige Verbrechen eines "Rechts"staates in unserem Einflußbereich zu unterbinden? Deutsche Milliarden fließen in das Land, dt. Soldaten fallen dort - um ein solches Regime zu stützen? Sollten wir nicht gerade wegen unserer Geschichte sagen: "Entweder ihr handelt nach menschenwürdigen Standards oder wir ziehen Geld und Soldaten ab bzw. zwingen euch dazu"?

Mit vorzüglicher Hochachtung,
Huwald

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Huwald,

ich danke Ihnen für Ihre Anfrage zum schiitischen Frauengesetz in Afghanistan. Auch ich war entsetzt, als ich von der Verabschiedung des Gesetzes erfahren habe. Ich habe daraufhin sofort reagiert und mit allen Gerbern zusammen die afghanische Regierung aufgefordert, dieses Gesetz niemals in Kraft treten zu lassen. Es verletzt in grober Weise die Frauen- und Menschenrechte und es widerspricht im Übrigen auch der afghanischen Verfassung.

Die internationale Gemeinschaft ist sich vollkommen einig in der Ablehnung des Gesetzes und hat ihre Kritik unverzüglich und geschlossen gegenüber der afghanischen Regierung vorgebracht. Präsident Karzai und das zuständige Justizministerium haben daraufhin ihre Bereitschaft erklärt, das Gesetz anzuhalten. Die internationale Gemeinschaft wird kein Gesetz akzeptieren, welches die Frauen- und Menschenrechte verletzt.

Sie sprechen in Ihrer E-Mail weitere Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan an. Der Bundesregierung sind diese Fälle bekannt und auch in diesen sowie in anderen Fällen ist es bereits zu scharfen Protesten der Bundesregierung beziehungsweise durch mich gekommen. Darüber hinaus thematisieren wir die Lage der Menschenrechte immer wieder in unseren Gesprächen mit der afghanischen Regierung. Hierzu dient auch der regelmäßig stattfindende Politikdialog, der unsere Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanistan begleitet.

Sie deuten zudem an, dass sich die Bundesregierung aus Afghanistan zurückziehen solle, solange dort Menschenrechtsverletzungen geschehen. Hierunter würden jedoch diejenigen leiden, die schon jetzt eine schwache Stellung innerhalb der afghanischen Gesellschaft haben. Beispielsweise kommt ein großer Teil unserer Entwicklungszusammenarbeit den Frauen zu Gute. So finanzieren wir die Rechtsberatung für Frauen, die Ausbildung von Lehrerinnen, Polizistinnen und Justizpersonal sowie die Grundbildung von Mädchen. Es ist uns zudem gelungen, seit 2004 14.000 Mikrokredite für Frauen bereit zu stellen. Auch fördern wir über frauenspezifische Maßnahmen hinaus noch eine Vielzahl von anderen Maßnahmen zur Stärkung von Rechtsstaatlichkeit und der Einhaltung der Menschenrechte. Unsere Unterstützung zielt nicht auf die Regierung, sondern wir wollen die Menschen im Land erreichen. Genau diese würden wir im Stich lassen, wenn wir nun unsere Entwicklungszusammenarbeit einstellen würden. Hierzu bin ich nicht bereit.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Heidemarie Wieczorek-Zeul, MdB