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Heidemarie Wieczorek-Zeul
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Frage von Christine G. •

Frage an Heidemarie Wieczorek-Zeul von Christine G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Wieczorek-Zeul,

Sie haben das neutrale Abstimmungsverhalten der Bundesregierung in Bezug auf eine militärische Intervention in Libyen besonders schwer gerügt. Unter anderem erinnern Sie an das Prinzip der Schutzverantwortung der Vereinten Nationen, das aus Ihrer Sicht ein militärisches Eingreifen in Libyen notwendig macht. (Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,752488,00.html )

Ich gehe davon aus, dass das Prinzip der Schutzverantwortung der Vereinten Nationen theoretisch auch für koptische Christen in Ägypten gelten müsste. Warum erheben Sie nicht Ihre Stimme für die unterdrückten und diskriminierten Christen in Ägypten?

In der Sendung „Sternstunden“, die am 13. März vom Schweizer Fernsehen ausgestrahlt wurde, spricht der koptische Pater Matthias über schwere Diskriminierungen in Schule und Beruf. So haben Ägypter mit einem christlichen Namen kaum eine Chance auf einen angesehenen Beruf, christliche Familien werden zwangsumgesiedelt, Häuser und Kirchen zerstört. Immer wieder kommt es auch zu Morden an koptischen Christen (Quelle u.a.: http://www.sendungen.sf.tv/sternstunden/Nachrichten/Archiv/2011/03/02/sternstundeneinzel/Themenmorgen-zur-arabischen-Revolution )

Auch nach der Revolution in Ägypten deutet nichts auf eine Verbesserung der Lage der Christen in Ägypten hin. Stattdessen schießt die ägyptische Armee auf christliche Mitbürger und hat erst kürzlich wieder 13 von ihnen getötet und über 100 verletzt.
(Quelle: http://koptisch.wordpress.com/2011/03/22/jetzt-kommt-der-has-auf-die-christen/ )

Zur koptischen Minderheit in Ägypten zählen ca. 10 Mio. Menschen, die heute in einem Land diskriminiert werden, in dem sie ursprünglich in der Mehrheit waren. Fordern Sie angesichts dieser Tatsachen auch eine Intervention in Ägypten?

Mit freundlichen Grüßen

Chr. Gärtner

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Gärtner,

Sie haben sich wegen meiner Kurzintervention im Bundestag an mich gewandt, mit der ich die Stimmenthaltung des Vertreters Deutschlands im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bei der Abstimmung über die Resolution zum Schutz von Zivilisten in Libyen kritisiert habe. Sie greifen dabei meine Begründung durch das Prinzip der Schutzverantwortung auf, das doch auch für die koptischen Christen in Ägypten gelten müsse. Tatsächlich: mit dem Begriff der „Responsibility to Protect“ verpflichten die Vereinten Nationen die Staaten zum Schutz ihrer Zivilbevölkerung vor schweren Menschenrechtsverletzungen. Es waren die Erfahrungen mit den Verbrechen in Ruanda und Srebrenica, die in den Vereinten Nationen entgegen dem „Prinzip der Nichteinmischung“ zu dieser Verpflichtung zum Schutz vor Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit führten.

Der Schutz des Grundrechts der Religionsfreiheit wird ein wichtiger Maßstab bei der Demokratisierung Ägyptens sein. Die Internationale Gemeinschaft muss dies einfordern und den Prozess ebenso wachsam verfolgen und kontrollieren, wie es die ägyptischen Kämpfer für Demokratie bereits tun.

Als frühere Entwicklungsministerin habe ich die Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit immer im Sinne der Verwirklichung der Menschenrechte verstanden, für die politischen, sozialen und kulturellen - aber auch für das Recht auf freie Religionsausübung. Dies habe ich gegenüber den Regierungen, mit denen ich sprach, immer eingefordert. Außenpolitische angebliche Rücksichtnahme ist da völlig fehl am Platz. Das habe ich auch im Januar 2011 in Frankfurt in meiner Rede bei der Trauerfeier für die 23 Opfer des Terroranschlags von Alexandria zum Ausdruck gebracht, zu der ich von der Koptisch-Orthodoxen Kirche in Deutschland eingeladen worden war, und für die sich Bischof Anba Damian ausdrücklich bedankt hat.

Der Schutz der koptischen Christen in Ägypten ist ebenso eine Verpflichtung wie der Schutz der Menschen in Benghasi, die unmittelbar vom Tode bedroht waren.

Herzlichst
Ihre
Heidemarie Wieczorek-Zeul