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Hans-Joachim Hacker
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Frage von Jan W. •

Frage an Hans-Joachim Hacker von Jan W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Hacker!

Deutschland beteiligt sich seit über 20 Jahren militärisch an Konflikten weltweit, obwohl es Streitkräfte nur zur Verteidigung aufstellen, unterhalten und einsetzen darf. Dabei ist die BRD nur noch "von Freunden umgeben"; ein Angriff auf das Bundesgebiet unwahrscheinlich.

Trotzdem kämpfen und sterben SoldatInnen der Bundeswehr in Konflikten innerhalb Europas wie auf dem Balkan oder außerhalb in Afghanistan, Somalia, Georgien etc.!

Die Kosten für diese Kriegseinsätze, vom zuständigen Minister verharmlost, werden überwiegend aus dem Verteidigungshaushalt bezahlt, anstatt z.B. aus dem Titel Auswärtiges, Entwicklungshilfe, Wirtschaft...

Andererseits wollen Verteidigungspolitiker und hohe Militärs immer mehr Personal und Material für die Einsätze.

Meine Fragen:

- Einsatz der Bundeswehr allgemein im Ausland; insbesondere in Afghanistan? Sinnvoll/richtig oder falsch?
- Ist das dort für Sie ein Kriegeinsatz oder etwas anderes?
- Haben Sie ggf. Abzugsperspektiven oder -forderungen?
- Eweiterung oder Verkleinerung/Abschaffung der Bundeswehr?
- Mehr/weniger Mittel für Militär und ggf. zu Lasten welcher anderen Aufgaben?
- Aufrechterhaltung der allgemeinen Wehrpflicht oder Längerdiener-/Berufssoldatenarmee?

Darüber hinaus militarisiert die Bundeswehr m.E. die Zivilgesellschaft in Deutschland schleichend durch massiven Einsatz im Inland (z.B. G8 Gipfel, Weltkirchentag/Papstbesuch, Fußball-WM, aber auch ständig durch dauerpräsente Strukturen (Landeskommando in Schwerin für M-V) und militärische Teams für zivilmilitärische Zusammenarbeit in allen Landkreisen und kreisfreien Städten.

Wie stehen Sie ganz konkret dazu?

Als Abgeordneter wirken sie künftig u.a. an der "Königsdisziplin Haushalt" und der Mittelverteilung mit und haben damit entscheidenden Einfluss auf Festlegungen und Mittelverteilung für die Kriegs- und Militärfinanzierung!

Deshalb interessierten mich Ihre Standpunkte dazu außerordentlich!

Mit freundlichen Grüßen

Jan Weber

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Weber,

vielen Dank für Ihre Fragen. Ihre Fragen vom 21. September wurden mir erst am 23. September zugeschickt. Sie stellen zahlreiche Fragen und die Kürze der Zeit - Sie wollten sicher rasch und noch vor der Wahl eine Antwort - erlaubt es nicht, ausführlich zu antworten und detailliert auf die einzelnen Punkte einzugehen, obwohl es notwendig wäre.

Zum Afghanistan-Einsatz: Es ist einfach zu sagen, unser Land sei "Nur noch von Freunden umgeben" und ein Angriff auf das Bundesgebiet damit unwahrscheinlich. Wenn diese Argumentation stimmen würde, hätte es die Terroranschläge in den USA vom 11. September 2001, von Djerba vom 11. April 2002, von Madrid am 11. März 2004 und London vom 7. Juli 2005 nicht geben dürfen. Diese Länder sind auch "von Freunden umgeben".

Darüber hinaus müsste ich jetzt meine Ausführungen zur Afghanistan-Problematik, zu Einsätzen allgemein und zu unserer Abzugsforderung wiederholen, die ich bereits ausführlich bei der Frage von Herrn Priesemann vom 9. September 2009 in diesem Forum beantwortet habe. Ich bitte Sie, diese Antwort auch auf Ihre Frage dazu zu beziehen.

Ich möchte dabei besonders betonen, dass Deutschland bis 2010 allein in Afghanistan 1,1 Milliarden Euro für den zivilen Wiederaufbau zur Verfügung stellt - eben nicht aus dem Verteidigungshaushalt. Afghanen konnten mit deutscher Hilfe unter anderem 3.500 Schulen und Kindergärten und 370 Krankenhäuser bauen. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler hat sich auf rund sechs Millionen fast versechsfacht. Früher, während der Taliban-Herrschaft, durften Mädchen nicht zur Schule gehen. Ich weiß nicht, ob dies ohne militärischen Schutz und ohne militärische Hilfe gelungen wäre.

Die Bundeswehr ist in Afghanistan im Einsatz, egal, wie man das benennt. Die Soldatinnen und Soldaten füllen dort ein vielfältiges Aufgabengebiet aus: Schutz der Bevölkerung, von Einrichtungen, aber auch Schutz bei Angriffen von Rebellen. Selbstverständlich muss die Bundeswehr auch die zivilen Entwicklungshelfer schützen.

Zur Frage der Zukunft der Bundeswehr: Wir betonen in unserem Regierungsprogramm zur Wahl, dass wir den Einsatz der Bundeswehr zur Gefahrenabwehr im Innern ablehnen. Die Union will hier offensichtlich eine deutliche Ausweitung des Aufgabenbereiches der Bundeswehr, den wir ablehnen.
Die künftige Ausgabenentwicklung bei der Bundeswehr wird sich am Gesamthaushalt und der Lage des Landes orientieren. Ein Personalabbau ist bereits geplant und läuft. Dies soll weiterhin sozialverträglich geschehen. Ich will dabei nicht verschweigen, dass der Personalabbau im Bereich der zivilen Mitarbeiter der Bundeswehr jetzt aufgrund der Überalterung zu Schwierigkeiten führt.

Die Bundeswehr hat bereits in der Vergangenheit erhebliche Beiträge zur Senkung von Kosten geleistet.

In unserem Regierungsprogramm werden jedoch andere Schwerpunkte gelegt, wo wir verstärkt Geld ausgeben wollen: in der Bildung, und zwar von der Kinderbetreuung, über Schule und Studium bis zur besseren Förderung von Forschungseinrichtungen.
Da wir im Bundestag gleichzeitig eine Schuldenbremse beschlossen haben, wird diese Schwerpunktsetzung Konsequenzen und damit ggf. auch entsprechende Ausgabenkürzungen in anderen Bereichen zur Folge haben. Darüber wird eine neue Regierung verhandeln und der Bundestag dann beraten müssen.

Zur Wehrpflicht:

Die Wehrpflicht soll weiterentwickelt werden. Wir verbinden dies mit einer Stärkung des freiwilligen Engagements in der Bundeswehr. Wir streben an, zum Dienst in den Streitkräften künftig nur noch diejenigen einzuberufen, die sich zuvor bereit erklärt haben, den Dienst in der Bundeswehr zu leisten.

Zur Zivil-militärischen Zusammenarbeit:

Die zivil-militärische Zusammenarbeit in den Kommunen ist für die Fälle von schweren Unglücksfällen und Naturkatastrophen geplant. Die Bundeswehr berät hier mit Hilfe von Reservisten in den Kommunen. Es sollte außer Frage stehen, dass einzelne Städte im Falle von Sturmflut, Hochwasser oder eines Flugzeugunglückes mit der Situation schnell überfordert wären und eine Abstimmung auch mit der Bundeswehr für solche Fälle dann Leben retten kann.

Mit freundlichen Grüßen

Hans-Joachim Hacker, MdB