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Halina Wawzyniak
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Frage von Götz V. •

Frage an Halina Wawzyniak von Götz V. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Wawzyniak,

der unserem Wirtschaftssystem zugrunde liegende Mechanismus der Geldschöpfung bildet die Grundlage meiner Frage:

Geld wird in unserer Gesellschaft fast ausschließlich erschaffen, indem Schulden aufgenommen werden: Jedes Mal, wenn jemand bei einer Geschäftsbank einen Schuldschein unterschreibt (ein einzelner Mensch oder aber auch der Staat), wird Geld der gleichen Menge praktisch aus dem Nichts als Buchgeld neu geschaffen und in Umlauf gebracht.

Da die Schuldner aber sowohl diese Summe als auch die anfallenden Zinsen und Zinseszinsen zurückzahlen müssen, ist stets weniger Geld in Umlauf, als zurückgezahlt werden soll. Die Folde dieser Diskrepanz ist die Notwendigkeit, immer neue Schulden aufzunehmen, um die alten zu finanzieren.

Aus diesem Zusammenhang folgt sowohl der Wachstumszwang unseres Wirtschaftssystems, als auch die Zwangsläufigkeit von periodisch auftretenden Krisen wie der derzeitigen, weil diese ständig wachsenden Schuldenblasen irgendwann absurd groß werden und platzen müssen.

Die Frage an Sie:

Ist die hier geschilderte Praxis der Geldschöpfung durch Schuldenaufnahme im Zusammenhang mit der aktuellen Krise ein Thema für Sie persönlich oder in Ihrer Partei allgemein? Gibt es Stellungnahmen dazu?

Danke für Ihre Bemühungen und mit freundlichen Grüßen,

Dr. G. Vollweiler

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Vollweiler,

vielen Dank für Ihre Frage. Selbstverständlich sind gesamtwirtschaftlichen Aspekte unseres Landes Thema der LINKEN und für mich selbst. Da ich Juristin bin habe ich bei meiner Nominierung als Kandidatin der LINKEN erklärt, dass ich gern im Rechtsausschuss für DIE LINKE wirken würde. Ich will deutlich sagen, dass ich nicht auf jedem Gebiet die Fachexpertin bin und beziehe mich deshalb in der Antwort auf Ihre Frage auf die generellen Positionen der LINKEN.

Die Frage, ob es regelmäßig zu selbstreinigenden Prozessen wie der anhaltenden Krise kommen muss, kann ich nicht definitiv beantworten, unser gegenwärtiges Finanz- und Wirtschaftssystem scheint allerdings so aufgebaut zu sein, dass dies immer wieder geschieht. Es ist auf Geldvermehrung ausgerichtet und benötigt Kredite. Überschüsse sollen gewinnbringend angelegt werden. Die Geschäftsbanken konzentrieren das Geld auf sich und befriedigen die Geldnachfrage. Mit Hilfe der Kreditschöpfung werden die Grenzen des Verfügbaren überwunden. Einlagen dürfen am Markt mehrfach zirkulieren. Spekulationen auf Wertveränderungen von Finanzprodukten und riskante Unternehmungen sind mit dem Vertrauen der Anleger/innen eng verbunden. Das Vertrauen der Anleger/inen kann, ausgelöst durch bestimmte Ereignisse, entzogen werden und zur Zahlungsunfähigkeit von Finanzinstituten führen, wenn die Kunden ihre verliehenen Einlagen zurück haben wollen. So führte die starke Verflechtung des Marktes mit Finanzinstituten weltweit gepaart mit dem Vertrauensverlust zur globalen Finanzkrise. Mit frischem Geld und großer Inflationsgefahr interveniert der Staat, um den Zusammenbruch des Geldsystems zu verhindern. Durch die mit der Finanzkrise erlebbaren Zerstörungskraft wird die Fehlsteuerung der kapitalistischen Wirtschaftsform deutlich.

Die Europäische Zentralbank, die als unabhängiges Organ die Geldpolitik im Euroraum bestimmt, ist auch für die Überwachung der Geldmenge verantwortlich. Sie fühlt sich zuerst der Preisstabilität verpflichtet. Wachstum und Beschäftigung spielen dabei nachgeordnete Rollen. Die Geldmenge unter dem Eindruck der Kreditschöpfung ist immer ein Versprechen in die Zukunft auf mehr Wachstum. Nur vergisst die EZB dabei, dass die Menschen nichts von stabilen Preisen mit einhergehender Arbeitslosigkeit haben. Die LINKE fordert, dass auch die EZB Verantwortung für Wachstum und Beschäftigung wahrnimmt und ihre Zinssenkungsspielräume nutzt.

Darüber hinaus fordert die LINKE einen Umbau des Steuersystems der die öffentlichen Haushalte auf eine solide Grundlage stellt. Insbesondere die Kommunen brauchen eine stabile Einnahmebasis. Wichtigstes Prinzip für die LINKE in der Steuerpolitik ist neben der Orientierung an den staatlichen Aufgaben der Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit. Stichworte hierzu sind Erbschaftssteuer, Einkommenssteuer, Körperschaftssteuer, Gemeindewirtschaftssteuer, Börsenumsatzsteuer und Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität. Die Umsetzung unserer steuerpolitischen Forderungen könnte wirksam zu jährlichen Mehreinnahmen von mindestens 70 Milliarden Euro führen. Mehr Beschäftigung und Wachstum führen zu Selbstfinanzierungseffekten und Ausgabenreduzierungen. Eine Million weniger Arbeitssuchende bedeuteten etwa weitere 20 Milliarden Euro für die öffentlichen Haushalte.

Linke Finanz- und Wirtschaftspolitik steht nicht für schuldenfinanzierte Konzepte, sondern für Verteilungsgerechtigkeit und Solidarität unter allen WirtschaftsteilnehmerInnen.

Die Fraktion DIE LINKE hat im Deutschen Bundestag in der letzten Legislaturperiode umfassend zu diesem Thema gearbeitet. Genauere Informationen finden Sie unter www.linksfraktion.de

Mit freundlichen Grüßen

Halina Wawzyniak