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Gerlef Gleiss
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Frage von Detlef B. •

Frage an Gerlef Gleiss von Detlef B. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Gleiss

zum Thema Zwangsverrentung jetzt Neu ab 63 Jahren (gilt ja nur für Pers., welche mindestens 48 Monate vorher gearbeitet haben), welche Auswirkungen wird das auf benachteiligte behinderte Menschen haben? Ist das Hamburger Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen ausreichend?
Was will die Linke oder Sie in der BÜ-Scharft erreichen?

Für eine Antwort wäre ich dankbar

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Antwort von
DIE LINKE

Lieber Detlef Baade,

vielen Dank für Ihre Frage.
Zum Problem "Zwangsverrentung" Folgendes:
Das SGB II, das Gesetz zu "Hartz IV", regelt staatliche Fürsorgeleistungen bei Erwerbslosigkeit trotz Erwerbsfähigkeit. Ähnlich wie die Fürsorgeleistungen bei dauerhafter Erwerbsunfähigkeit, die im SGB XII, dem früheren Sozialhilfegesetz, geregelt sind, sind diese Leistungen nachrangig. Das heißt, die Hilfebedürftigen müssen bevor sie Leistungen erhalten sich selbst um ausreichenden Lebensunterhalt bemühen und vorhandenes Einkommen und Vermögen aufbrauchen und alle anderen möglichen Kostenträger, also auch die Rentenversicherung, zuvor beanspruchen. Stellen Hilfebedürftige trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers nicht, können die SGB II- Leistungsträger den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen.
Konkret bedeutet dies: Hat ein «Hartz IV»-Empfänger Anspruch auf eine vorgelagerte Sozialleistung, die er trotz Aufforderung durch den «Hartz IV»-Träger nicht beantragt, so kann dieser an Stelle des Leistungsberechtigten einen solchen Antrag stellen. Dies gilt für alle vorrangigen, die Hilfebedürftigkeit verringernden oder vermeidenden Leistungen – und damit selbstverständlich auch für Leistungen der Rentenversicherung.. Das rechtliche Instrumentarium des «Hartz IV»-Trägers geht in diesen Fällen insofern deutlich über die üblichen Sanktionsvorschriften (Leistungskürzungen bei fehlender Mitwirkung des Hilfebedürftigen) hinaus, als es dem Träger die aktive Frühverrentung arbeitsbereiter hilfebedürftiger Personen auch gegen deren Willen ermöglicht.
Betroffen waren und sind bisher vor allem schwerbehinderte Menschen, die massiv unter Druck gesetzt wurden und werden, den Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente bzw. auf Grundsicherung bei dauerhafter Erwerbsunfähigkeit zu stellen. Die Grundsicherung im SGB XII lockt zudem noch mit einem Mehrbedarf wegen Behinderung, sie ist für Schwerbehinderte noch um 60 Euro höher als die Grundsicherung nach SGB II+, die keinen solchen Mehrbedarf kennt.
Nicht selten wurden und werden sie aber auch ohne eigenen Antrag oder sogar gegen ihren ausdrücklichen Willen zwangsverrentet. Bis jetzt wurde von der Möglichkeit der Zwangsverrentung im Alter, soweit ersichtlich, noch wenig Gebrauch gemacht Das liegt an der Übergangsvorschrift des § 65 Abs. 4 SGB II; sie korrespondiert zu § 428 SGB III («58er-Regelung»). Hiernach können 58-jährige oder ältere Bezieher von Alg bzw. Alg II befristet bis Ende 2007 gegenüber dem jeweiligen Leistungsträger eine Erklärung abgeben, wonach sie der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung stehen wollen und sich im Gegenzug verpflichten, zum nächst möglichen Zeitpunkt in eine abschlagsfreie Altersrente zu wechseln. Die Regelung hat Vorteile für den Leistungsträger wie auch für den Leistungsbezieher, sofern dieser mit seinem Erwerbsleben «abgeschlossen» hat; außerdem hübscht die «58er- Regelung» die Statistik auf, da der Personenkreis, der von ihr Gebrauch macht, nicht mehr zu den registrierten Arbeitslosen zählt.
Diese Übergangsvorschrift ist jetzt abgelaufen und das hätte dazu geführt, dass rund 300.000 ältere Menschen mit deutlichen finanziellen Einbußen zwangsverrentet worden wären. Die Bundesregierung hat sie jetzt zumindest so verlängert, dass viele Betroffene, aber nicht alle, bis zum Alter von 63 abschlagsfrei in die Altersrente wechseln können . Am grundsätzlichen Problem und an den schrecklichen Folgen von Harttz IV, an der Aussonderung von Alten, Kranken und Behinderten ändert sich nichts. DIE LINKE setzt sich dafür ein, Hartz IV abzuschaffen. Mit dem SGB II wird nicht die Arbeitslosigkeit bekämpft, sondern die Arbeitslosen. Kein Arbeitsplatz wird dadurch geschaffen. Um die Arbeitslosigkeit zu beseitigen, brauchen wir eine deutliche Verkürzung der Arbeitszeit für alle, ein öffentliches Beschäftigungsprogramm, aber voraussichtlich auch drastische Eingriffe in die unternehmerische Freiheit, Menschen auszusondern und wegzurationalisieren, nur weil sie alt, krank oder behindert und in den Augen der Unternehmer zu unproduktiv sind.
Zum Hamburger Gleichstellungsgesetz und seinem geringen Nutzen verweise ich auf die Antworten von mir auf die anderen Fragen.