Gabriele Hiller-Ohm
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Frage von Sandy Michael F. •

Frage an Gabriele Hiller-Ohm von Sandy Michael F. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Hiller-Ohm,
mit Interesse habe ich Ihre Rede bezüglich des FDP-Antrages „Bürokratie/Mindestlohn“ heute Morgen im Bundestag verfolgt. Ich stimme Ihnen, sowie auch vielen anderen Rednern, vollkommen zu.
Die Schere zwischen Arm und Reich darf nicht noch weiter auseinandergehen und dieses Thema treibt die beschäftigten Arbeitnehmer arg um.
Können Sie mir aber bitte sagen warum die tariflichen Lohnerhöhungen immer noch prozentual verteilt werden und so zur Erhöhung des Ungleichgewichtes beitragen?
Die Gewichtung der unterschiedl. Fähigkeiten und Ausbildungen wird für jeden Arbeitnehmer bei der Einstellung vorgenommen. Jeder Arbeitnehmer erfüllt danach seine Aufgaben im Rahmen seiner Möglichkeiten und trägt so zum Erfolg des Unternehmens bei. Wenn 2 Arbeitnehmer mit unterschiedlichen Gehältern ihren Arbeitsvertrag zu 100% erfüllen, mit welchem Recht erhält der Besserverdienende mehr Wertschätzung als der Geringverdiener? So kann die Schere doch nur weiter auseinandergehen, während eine Lohnerhöhung um einen festen Geld-Betrag für alle Mitarbeiter das Gleichgewicht wahren würde.
Ich habe dieser Frage auch schon Ihrer Partei-Chefin Fr. Nahles gestellt: Sie war aber tatsächlich der Meinung das dies eine Sache zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaft sei und die Politik sich hier nicht einmischen darf. Wie ich finde unterstreicht diese Aussage wie wenig sie das Ausmaß des Unmutes vieler Beschäftigter wirklich verstanden hat. Herr Spahn zeigt indes bei den Löhnen der Pflegekräfte, dass die Politik sich sehr wohl einmischen kann und sollte.
Meiner Meinung nach ist der Schritt zu einer identischen Lohnerhöhung für ALLE mehr als überfällig und die Einführung einer solchen würde der SPD sicherlich gut stehen.
MfG, Falldorf

Gabriele Hiller-Ohm
Antwort von
SPD

Guten Tag Herr F.,

erst einmal vielen Dank für die aufmerksame Verfolgung der Bundestagsdebatte und Ihre Zustimmung auf meine Rede, darüber freue ich mich sehr.

Die Tarifautonomie, die auch Frau Nahles bei Ihnen angesprochen hat, wenn ich es richtig verstehe, halte ich für ein hohes und schützenswertes Gut. Das Recht, das Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände Löhne, Gehälter und Arbeitsbedingungen selbstständig und ohne politische Einflussnahme miteinander verhandeln, ist übrigens auch in Artikel 9 Absatz 3 im Grundgesetz verankert und geschützt. Damit ist die politische/staatliche Einflussnahme sogar ausgeschlossen. Und das finde ich auch richtig, schließlich wissen die Beschäftigten und deren Vertrerinnen und Vertreter am besten, welche Bedingungen im Betrieb/Unternehmen herrschen sollten.

Was die Politik natürlich tun kann, ist öffentlichen Druck auf die Tarifpartner auszuüben, wenn sie das Gefühl hat, dass die Arbeitsbedingungen in einer Branche unzureichend sind. Das tut die SPD aktuell beispielsweise im Bereich der Pflege und der Bezahlung der Pflegekräfte, die deutlich zu niedrig ist. Sozialminister Hubertus Heil drängt seit langem auf einen allgemein gültigen Tarifvertrag in der Altenpflege und fordert die Arbeitgeber auf, einen eigenen Arbeitgeberverband in der Altenpflege zu gründen, damit ein Tarifvertrag verabschiedet werden kann. Nichtsdestotrotz liegt es am Ende an den Arbeitgebern und den Gewerkschaften, einen solchen zu verabschieden. Ich hoffe natürlich, dass das schnellstmöglich geschehen wird.

Ihre Forderung, auf prozentuale Lohnerhöhungen zugunsten absoluter gänzlich zu verzichten, finde ich interessant. Sie haben Recht, prozentuale Lohnerhöhungen dienen nicht dazu, die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen oder das Lohngefälle auszugleichen. Sie spiegeln die Differenzierung von unterschiedlichen Eingruppierungen wider und zementieren diese.
Eine rein identische Erhöhung würde letztendlich zur Angleichung führen. Ob das so gewollt ist, wage ich zu bezweifeln. Die Gewerkschaften stützen bei Tarifverhandlungen die unteren Lohngruppen oft durch nichtprozentuale Aufschläge, um durch einen Mix Niedriglohngruppen zu stärken. Das finde ich richtig.

In der Praxis ist die bisherige Lohnhöhe Ausdruck von nicht unbedingt immer fairen wirtschaftlichen Mechanismen (z. B. Angebot und Nachfrage, Preiskonkurrenz über Lohnkosten) und gesellschaftlicher Macht. Bei leicht austauschbaren Arbeitskräften ist die Bezahlung möglicherweise geringer, als im Grunde verdient wäre. Eine rein prozentuale Lohnerhöhung kann daher unter Umständen nicht sehr gerecht sein, weil bei den gering bezahlten Mitarbeitern wegen der niedrigen Ausgangsbasis das zusätzliche Ergebnis ziemlich dürftig ausfallen kann. Gegen eine rein absolute Lohnerhöhung spricht bei einem tatsächlich höherem Anteil der höher bezahlten Mitarbeiter an den Einnahmen der Firma eine dadurch bewirkte über einen längeren Zeitraum deutlich abnehmende Widerspiegelung dieses Beitrags (Anteil des Unterschieds an der Gesamtbezahlung). Die gerechteste Lösung ist eine von praktischer Vernunft geleitete Mischung von prozentualer und absoluter (z. B. durch einen Mindestbetrag umgesetzter) Lohnerhöhung.

Ich bedanke mich für Ihre Nachricht und Ihr Interesse und wünsche Ihnen alles Gute.

Viele Grüße
Gabriele Hiller-Ohm