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Gabi Weber
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Frage von Miriam M. •

Frage an Gabi Weber von Miriam M. bezüglich Migration und Aufenthaltsrecht

Sehr geehrte Frau Weber,

die Menschen in Moria leiden für alle sichtbar vor den Toren Europas. Wie lange kann Europa noch wegsehen und die Rechte dieser Menschen ignorieren, bevor geholfen wird? Es ist nicht die Zeit für Reden. Es ist die Zeit etwas zu tun. Es muss natürlich auch gefragt werden, wer das Feuer entfacht hat. Aber wie bei jedem anderen Brand steht doch die Rettung der Menschen im Vordergrund.
Ich bin schockiert, dass die Menschen aus dem Lager auch diese Nacht auf der Straße verbringen mussten und sich keiner dazu in der Lage sieht sofort mit der Aufnahme der Menschen zu beginnen.
Wann wird Europa endlich helfen? Es ist klar, dass Griechenland das nicht alleine schafft, das war es doch schon die ganze Zeit. Es ist auch klar, dass mit der sofortigen Hilfe jetzt auch ein Plan für die Zukunft gebraucht wird. Der hat aber zumindest ein paar Tage länger Zeit.
Genügend Kommunen in Deutschland wollen sofort helfen. Wann wird ihnen das nicht mehr verboten?
Was wollen Sie für die Menschen dort tun?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Müller,

vielen Dank für Ihre Anfrage zur Situation der Geflüchteten im griechischen Lager Moria.

Auch ich habe die katastrophale Situation der Geflüchteten, die sich durch den Brand zu einer noch dramatischeren humanitären Lage entwickelt hat, mit Besorgnis verfolgt. Gleichzeitig finde ich die bisherige Tatenlosigkeit und Hinhaltetaktik von Bundesinnenminister Seehofer nicht hinnehmbar. Daher habe ich am 11.09.2020 gemeinsam mit weiteren 91 SPD-Bundestagsabgeordneten ein Schreiben an Bundeskanzlerin Merkel gesandt, in dem wir sie eindringlich aufforderten, sofort zu handeln.

Dieses Schreiben und zusätzlich auch das Positionspapier der Arbeitsgruppe Migration und Integration der SPD-Bundestagsfraktion vom 10.09.2020 gebe ich Ihnen anhängend zur Kenntnis. Darüber hinaus ist mir wichtig zu betonen, dass der mittlerweile erreichte Erfolg der deutlichen Steigerung des durch die Bundesregierung angebotenen Aufnahmekontingents auf 2750 Geflüchtete wesentlich auf unseren Druck in Richtung Union zustande gekommen ist. Ursprünglich wollte Horst Seehofer gerade einmal 150 Geflüchtete aufnehmen. Das würde unseren Möglichkeiten und Deutschlands Vorbildrolle in der EU nicht gerecht. Deshalb haben wir hier als Fraktion und Partei hart verhandelt, um zu deutlich höheren Zahlen zu kommen. Der zivilgesellschaftliche Druck war hier ebenfalls sehr hilfreich, damit unser Koalitionspartner erkannte, dass eine große Zustimmung zur schnellen Aufnahme der Geflüchteten aus Moria und anderen griechischen Lagern in der Bevölkerung besteht.

Um der Dringlichkeit Nachdruck zu verleihen, hatte unser Vizekanzler Olaf Scholz am 14.09.2020 der Bundeskanzlerin eine Frist von 48 Stunden gesetzt, um eine Einigung in der Debatte um die Geflüchteten im Lager Moria zu erreichen.

Auf diesen Druck hin hat sich die Koalition darauf geeinigt, unbegleitete Minderjährige und weitere Familien mit Kindern (insgesamt 2750 Personen) aus Moria und anderen griechischen Flüchtlingslagern in Deutschland aufzunehmen. Zudem leistet Deutschland eine umfangreiche humanitäre Hilfe vor Ort.

Das kann und darf aber nur ein erster Schritt sein. Denn nach wie vor gibt es nicht nur im Lager Moria Handlungsbedarf. Denn es geht nicht um Zahlen, sondern um Menschen, die ein Recht darauf haben, in menschenwürdigen Bedingungen zu leben. Menschenrechte sind nicht teilbar! Wirklich nachhaltig kann nur eine Reform des Europäischen Asylsystems helfen, die die innereuropäische Solidarität stärkt, aber auch klare Regeln für alle aufstellt, damit eine gerechte Verteilung der Geflüchteten in Europa möglich wird. Hier gelingt uns hoffentlich während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft noch ein Durchbruch. Dafür werden wir uns auch als SPD-Fraktion weiterhin einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen
Gabi Weber, MdB

Schreiben an die Bundeskanzlerin vom 11.09.2020:
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

die Situation der Geflüchteten in Griechenland ist seit Monaten katastrophal. Mit dem Brand im Lager Moria ist nun eine noch dramatischere humanitäre Katastrophe eingetreten. Es ist unsere gemein-same europäische Verantwortung, endlich für menschenwürdige Bedingungen an unseren Außengrenzen zu sorgen und nun vor allem schnell in der Not zu helfen. Wir begrüßen die Zusagen aus Deutschland für humanitäre Hilfe und die Entsendung des THW. Der Aufbau von provisorischen Unterbringungen vor Ort, ohne die in Not lebenden Menschen aufs griechische Festland und in die EU zu evakuieren, birgt jedoch die große Gefahr, dass sich erneut prekäre Strukturen des Elends bilden. Vor allem aber die bisherigen Zusagen Deutschlands zur Aufnahme von Geflüchteten sind bestürzend gering.

Der Bundesinnenminister hat heute verkündet, dass Deutschland 150 Minderjährige aus Moria aufnehmen wird. Diese Größenordnung ist der Lage nicht angemessen und beschämend. Länder und Kommunen haben bereits deutlich mehr Hilfe angeboten. Wir plädieren nachdrücklich dafür, dass Deutschland umgehend in der Größenordnung Geflüchtete aufnimmt, wie bereits Zusagen aus den Ländern vorliegen. Auch der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat sich für ein deutlich größeres Kontingent ausgesprochen. Jetzt ist Ihre Richtlinienkompetenz gefragt.

Deutschland ist bereits Teil einer Koalition der Menschlichkeit, der elf EU-Länder sowie Serbien und Norwegen angehören. In diesem Rahmen können und sollten wir unsere Zusagen aus dem Frühjahr erhöhen. Andere Länder bleiben dazu aufgerufen, dies ebenfalls zu tun. Einen Grund, darauf zu warten, gibt es nicht. Vielmehr ist die Notsituation ein ausreichender Grund, schnell zu helfen und als Vorbild voranzugehen.

Die Arbeitsgruppe Migration und Integration der SPD-Bundestagsfraktion hat gestern ein Positionspapier beschlossen, das wir diesem Brief beifügen. Wir schließen uns diesen Forderungen an und bitten Sie eindringlich, sich für deren Umsetzung einzusetzen. Den Inhalt dieses Briefes hat sich heute auch der geschäftsführende Vorstand der der SPD-Bundestagsfraktion zu Eigen gemacht.

Positionspapier der Arbeitsgruppe Migration und Integration der SPD-Bundestagsfraktion vom 10.09.2020:
Moria – Was jetzt zu tun ist
Position der Arbeitsgruppe Migration und Integration der SPD-Bundestagsfraktion

Die Bilder aus Moria auf Lesbos sind bestürzend, es handelt sich um eine humanitäre Katastrophe.
Moria steht aber seit Monaten in Flammen. In den Flammen des Elends, der Verzweiflung, der Selbstaufgabe Europas. Die Zustände in den Aufnahmeeinrichtungen auf den griechischen Inseln sind unbestritten katastrophal und untragbar. Diese desolate Situation ist Europas unwürdig. Zur akuten humanitären Hilfeleistung und langfristigen Entlastung Griechenlands auf den Inseln brauchen wir so schnell wie möglich konkrete Lösungen.

Soforthilfe
Deutschland muss unmittelbar technische und humanitäre Hilfe leisten, auch zur Versorgung der Coronafälle. Das THW ist kurzfristig in der Lage, ein funktionsfähiges Übergangslager zu errichten. Der UNHCR sollte schnell mit der Organisation des Zentrums betraut werden.

Unmittelbare Evakuierung von Moria
Die Aufnahme Geflüchteter durch mehrere europäische Länder lief zuletzt mehr als schleppend.
Auch wenn Deutschland bisher mit Abstand die meisten Menschen aus Griechenland aufgenommen hat, ist das nicht mehr ausreichend. Bundesinnenminister Seehofer muss umgehend den Weg frei machen, dass aufnahmebereite Bundesländer und aufnahmebereite Städte und Gemeinden sofort helfen können.

Europäische Koalition der Vernunft
Auch unsere europäischen Partner bleiben in der gemeinsamen Verantwortung. Der Bundesinnenminister sollte im Rahmen einer Sondersitzung der EU-Innenminister weiter an einer Aufnahme von Geflüchteten im Rahmen einer europäischen Koalition der Vernunft arbeiten. Deutschland muss zudem seine Ratspräsidentschaft dafür nutzen, langfristig tragfähige Lösungen zu moderieren. Mit unserem gemeinsamen Handeln zur Aufnahme von Geflüchteten aus Griechenland machen wir einen ersten und notwendigen humanitären Schritt. Unser Ziel bleibt es, dass sich am Ende alle europäischen Mitgliedstaaten in diese Solidarität einbringen.

Neuanfang für das Gemeinsame Europäische Asylsystem Für eine grundsätzliche Lösung brauchen wir eine Neuausrichtung der europäischen Flüchtlingspolitik und des gemeinsamen europäischen Asylsystems. Wir müssen weg vom Prinzip der Zuständigkeit des Ersteinreisestaates. Deutschland war 2019 nach der Türkei das zweitgrößte Aufnahmeland weltweit, im Verhältnis zu den Einwohnern im Ankunftsland allerdings schaffen andere Staaten noch mehr. In Zypern gab es etwa 14,5 Antragstellende pro 1000 Einwohner, gefolgt von Malta (8,1) und Griechenland (7) – in Deutschland liegt der Wert bei 1,7. Wir brauchen also eine gerechte und solidarische Verteilung geflüchteter Menschen auf die einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Nur so schaffen wir dauerhaft eine Entlastung der Staaten an den EU-Außengrenzen und somit auch insbesondere Griechenlands.
Daran arbeiten wir auf EU-Ebene mit Hochdruck.

Pilotmodell eines Europäischen Asylzentrums Die EU-Kommission muss endlich ihre Vorschläge präsentieren und diese fortgesetzte Schande an unseren Außengrenzen beenden. Ein erster Schritt sollte, wie bereits im Frühjahr vorgeschlagen, die Entwicklung eines Pilotmodells für ein gemeinsam betriebenes Asylzentrum unter europäischer Flagge auf den griechischen Inseln sein. Dieses muss menschenwürdige Standards auf europäischem Boden sicherstellen, vergleichbar etwa dem Hamburger oder Heidelberger Ankunftszentrum mit Höchstbelegungszeiten und -plätzen, in dem Verfahren fair und schnell durchgeführt und von wo eine Weiterverteilung organisiert werden kann.