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Frank Kuschel
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Frage von Ilka M. •

Frage an Frank Kuschel von Ilka M.

Sehr geehrter Herr Kuschel,
1.Wie wollen Sie sich für die bessere finanzielle Ausstattung der Kommunen (z.B. Eisenach) durch das Land kümmern, wenn Sie wieder gewählt werden?
2. Wie stellen Sie sich die Finanzierung der Neuregelung der kommunalen Abgaben (Wasser, Abwasser,..) vor?
3. Welche Rolle spielt für Sie die direkte Demokratie, z.B. Bürgerinitiativen? Was halten Sie von der jetzigen Lösung für Volksbegehren in Thüringen?
4. Was sollte man ihrer Meinung nach gegen die neofaschistische Gefahr in Thüringen machen?
Ich erwarte gespannt ihre Antworten,
Mit freundlichen Grüßen
Ilka May

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DIE LINKE

Die Thüringer Kommunen sind im besonderen Maße finanziell vom Land abhängig, weil ihre eigene Steuerkraft auf Grund des geringen Einkommensniveaus der Bürger und der geringen Wirtschaftskraft der örtlichen Industrie im Vergleich zu den Kommunen in den alten Bundesländern sehr niedrig ist. Die Thüringer Kommunen können nur rund 20 Prozent ihrer Ausgaben aus eigenen Steuereinnahmen finanzieren. Da das Steuerrecht für die Kommunen vom Bundestag bestimmt wird, haben die Kommunen nur einen geringen eigenen Einfluss auf das kommunale Steueraufkommen. Letztlich können die Kommunen nur über das so genannte Hebesatzrecht bei der Grund- und Gewerbesteuer das eigene Steueraufkommen im geringen Umfang beeinflussen; dies auch deshalb, weil beim Hebesatzrecht ein interkommunaler Wettbewerb besteht, d. h. die Kommunen müssen sich am Hebesatzniveau vergleichbarer Kommunen orientieren. Wegen der eigenen Steuerschwäche finanzieren sich die Thüringer Kommunen zu nahezu 60 Prozent aus Landeszuweisungen, und dies wiederum schwerpunktmäßig über den kommunalen Finanzausgleich. Die übrigen 20 Prozent sind Einnahmen aus Verwaltung und Betrieb. Die hohe finanzielle Abhängigkeit vom Land erfordert einen verlässlichen und kalkulierbaren kommunalen Finanzausgleich. Hier hat die CDU bis 2007 die Thüringer Kommunen sehr stiefväterlich behandelt, indem die Landeszuweisungen an die Kommunen überproportional reduziert wurden. Dies hat in den Kommunen tiefe Spuren hinterlassen. So mussten die Kommunen Vermögen veräußern, Einrichtungen schließen oder privatisieren, Gebühren und Entgelte erhöhen und notwendige Investitionen streichen. Zurecht haben dagegen die Kommunen in Thüringen geklagt und das Thüringer Verfassungsgericht hat ihnen Recht gegeben. Seit 2008 wirkt deshalb in Thüringen ein bedarfsorientierter Finanzausgleich, den die LINKE schon seit Jahren eingefordert hat. Dieser neue Finanzausgleich ist nicht das Ergebnis politischer Einsicht bei der CDU, sondern nur dem Widerstand der Kommunen geschuldet.
Jetzt gilt es, den Finanzbedarf der Kommunen tatsächlich gerecht und angemessen zu ermitteln. Hier missachtet die CDU aus meiner Sicht in bedenklicher Weise die Vorgaben des Verfassungsgerichts. Nach unseren Berechnungen müssten die Kommunen pro Jahr rund 360 Millionen EUR zusätzlich vom Land erhalten. Der Thüringer Gemeinde- und Städtebund hat eine Unterfinanzierung von 200 Millionen EUR pro Jahr ermittelt. Deshalb fordert die LINKE und auch ich persönlich, dass umgehend diese fehlenden Mittel den Thüringer Kommunen zur Verfügung gestellt werden. Die Bedarfsermittlung bei den Kommunen muss alle zwei Jahre neu erfolgen. Auf Bundesebene muss sich das Land für eine Reform der Kommunalfinanzierung einsetzen, die schon seit Jahren überfällig ist. DIE LINKE hat hierzu umfangreiche Vorschläge gemacht. Ziel ist es, die kommunalen Steuereinnahmen durch eine Reform der Gewerbesteuer und einen höheren Anteil der Kommunen an der Einkommenssteuer deutlich zu erhöhen, so dass die finanzielle Abhängigkeit vom Land reduziert wird.

Die Thüringer Bürger und die Wirtschaft sind besonders durch hohe Kommunalabgaben im Bereich Wasser, Abwasser und Straßenausbau belastet. Die Übernahme dieses Finanzierungsmodells für kommunale Infrastrukturinvestitionen 1991 aus den alten Bundesländern war ein schwerer politischer Fehler. Dieses Finanzierungsmodell entstammt dem 19. Jahrhundert und ist somit nicht mehr zeitgemäß. Zudem sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Thüringen nicht mit denen der alten Bundesländer vergleichbar. Seit 1994 gibt es deshalb zurecht immer wieder umfangreiche Proteste der Bürger, die DIE LINKE für berechtigt hält und deshalb stets unterstützt hat. Auf Grund der Bürgerproteste sah sich die CDU 2004 veranlasst, dass Kommunalabgabenrecht in Thüringen zu ändern. Mit Wirkung vom 1. Januar 2005 wurden in Thüringen die Wasserbeiträge abgeschafft und bereits gezahlte Wasserbeiträge an die Bürger zurückerstattet. 168 Millionen EUR haben die Bürger zurückbekommen und die Zweckverbände mussten auf die geplante Erhebung von rund 400 Millionen Wasserbeiträge verzichten. Die Befürchtung, dass in der Folge die Wassergebühren dramatisch steigen, hat sich nicht bewahrheitet. DIE LINKE hat diese Befürchtungen nie geteilt, sondern bereits vor Jahren die Abschaffung der Beiträge gefordert. Im Abwasserbereich werden seit 2005 die Beiträge bürgerfreundlicher berechnet. Dies hat auch zu einer erheblichen finanziellen Entlastung der Bürger in Millionenhöhe geführt. So wurden zwischenzeitlich rund 60 Millionen zu viel gezahlter Abwasserbeiträge an die Bürger zurückgezahlt. Rund 250 Millionen EUR Abwasserbeiträge wurden dauerhaft oder langfristig zinslos gestundet. Trotzdem mussten die Bürger in Thüringen bisher rund 800 Millionen EUR Abwasserbeiträge zahlen. Jedoch hat das Verfassungsgericht diese bürgerfreundlicheren Regelungen bei den Abwasserbeiträgen für verfassungswidrig erklärt, weil das Land den Zweckverbänden nicht ausreichende Ausgleichzahlungen gewährt hat. Dies will die CDU gerade im Landtag korrigieren. Dies wird dem Land viel Geld kosten, in den nächsten 50 Jahren rund 1,8 Mrd. EUR. Diese Zahlen belegen die gescheiterte Abwasserpolitik in Thüringen, die einseitig auf zentrale Kläranlagen mit unwirtschaftlichen Leitungssystemen orientierte. DIE LINKE hat schon seit Jahren ein Umdenken in der Abwasserpolitik, mit der Orientierung auf dezentrale, grundstücksbezogene Abwasseranlagen, gefordert. Eine solche Umorientierung ist jetzt immer noch möglich. Immerhin wollen die Zweckverbände in den nächsten Jahren nochmals rund 3,5 Mrd. EUR in Abwasseranlagen investieren. Mit einer solchen Politik muss Schluss sein. Durch dezentrale Anlagen würden sich Investitionen in teuere Leitungssysteme in Millionenhöhe erübrigen. DIE LINKE fordert auch im Ergebnis der Entscheidung des Verfassungsgerichtes den Einstieg in den Ausstieg bei den Abwasser- und Straßenausbaubeiträgen. Wie beim Wasser, fordern wir auch beim Abwasser eine ausschließliche Gebührenfinanzierung. Bereits jetzt sind in Thüringen rund 1,1 Millionen Bürger von den Abwasserbeiträgen nicht mehr betroffen, weil 47 Aufgabenträger eine reine Gebührenfinanzierung vornehmen. Deshalb ist es nur konsequent, auch für die andere Hälfte der Thüringer Bürger die reine Gebührenfinanzierung ohne Beiträge gesetzlich festzuschreiben. Dabei können befürchtete Gebührenerhöhungen durchaus vermieden werden, wenn die Zweckverbände endlich wirtschaftlich arbeiten und insbesondere ihr Investitionsverhalten kritisch überprüfen.
Im Bereich des Straßenausbaus fordert DIE LINKE zumindest die sächsische Regelung auch für Thüringen. In Sachsen können die Kommunen selbst entscheiden, ob und in welcher Höhe sie Straßenausbaubeiträge erheben. In Thüringen hingegen müssen alle Gemeinden rückwirkend bis 1991 für alle Ausbaumaßnahmen Beiträge erheben und dies bis zu 75 Prozent der Kosten. Dies halten wir für nicht mehr vertretbar. Deshalb fordert DIE LINKE die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in absehbarer Zeit und die Steuerfinanzierung der Baumaßnahmen, so wie dies bei Kreis-, Landes- und Bundesstraßen auch der Fall ist. Schließlich gehören auch Gemeindestraßen zur Daseinsvorsorge.

Jahrelang hat die Thüringer CDU mehr Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene und auf Landesebene blockiert. Zurecht hat sich dagegen der Widerstand der Bürger formiert. In der Folge hat sich in Thüringen ein Bündnis für mehr Demokratie gebildet. DIE LINKE arbeitet von Anfang an in diesem Bündnis mit. Das Bündnis hat 2004 erfolgreich ein Volksbegehren für mehr Demokratie organisiert. Dadurch konnte erreicht werden, dass auf Landesebene Bürger jetzt einfacher an politischen Entscheidungen mitwirken können. Durch diese besseren Mitwirkungsmöglichkeiten ist es gelungen, in einem zweiten Volksbegehren auch auf kommunaler Ebene mehr Mitbestimmung über Einwohneranträge, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide durchzusetzen. Auch bei diesem Volksbegehren wirkte DIE LINKE intensiv mit. Diese neuen Regelungen auf kommunaler Ebene, die mit den Bestimmungen in Bayern zu vergleichen sind, gelten seit 7. Mai 2009. Nun liegt es an den Bürgern, diese neuen Möglichkeiten auch zu nutzen. Landes- und Kommunalpolitik lebt von Bürgerbeteiligung. Dies ist ein Grundsatz der Politik der LINKEN. Bürgerinitiativen finden immer dann die Unterstützung der LINKEN, wenn diese sich für demokratische Ziele einsetzen. In der Landtagsfraktion der LINKEN gibt es deshalb seit 2004 ein Bürgerbüro, das die Arbeit der BI besonders unterstützt.

Wir brauchen in Thüringen ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus und Neofaschismus, was gegenwärtig durch die CDU blockiert wird. Notwendig ist auch das Verbot neofaschistischer Parteien, insbesondere der NPD. Hierzu muss die CDU-Landesregierung bereit sein. Die V-Leute in der NPD „abzuschalten“. Des Weiteren brauchen wir einen öffentlichen Dialog zur neofaschistischen Gefahr und die Entlarvung der Politik der NPD. Dazu muss jedoch die ständige Gleichsetzung der Verbrechen des Faschismus mit den politischen Gegebenheiten in der DDR endlich aufhören. Diese Gleichsetzung oder Vergleiche relativieren die faschistischen Verbrechen und die heutige Politik der NPD. Aus persönlicher Erfahrung in meiner Arbeit als Landtagsabgeordneter weiß ich, wie undemokratisch und menschenverachtend die NPD Politik betreibt. Mein Abgeordnetenbüro in Bad Salzungen ist immer wieder Zielscheibe rechtsradikaler Attacken. Die NPD-Politik ist deshalb für mich nicht tolerierbar.
Die antifaschistische Traditionsarbeit ist ebenfalls sehr wichtig in der politischen Auseinandersetzung mit dem Neofaschismus. Zunehmend wird der antifaschistische Kampf der Kommunisten im so genannten Dritten Reich verschwiegen und nur noch der bürgerliche Widerstand hervorgehoben. Diese Art von Geschichtsumdeutung darf nicht fortgesetzt werden.

Frank Kuschel