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Florian Bernschneider
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Frage von Giselher Dr. D. •

Frage an Florian Bernschneider von Giselher Dr. D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Bernschneider!

Gern möchte ich Ihnen als Direktkandidatin eine Frage stellen. Wie stehen Sie zu den permanenten Rechtsbrüchen in der Eurofrage? Im Maastricht-Vertrag steht klipp und klar, dass kein Land für die Schulden eines anderen Landes haften darf. Dies wurde durch den EFSF und den ESM ausgehebelt. Nun steuern wir auf die Bankenunion zu – ein weiterer Meilenstein zur Aufgabe der Souveränität.

Werden Sie als Mitglied des 18. Deutschen Bundestages weiteren Banken- und Staatenrettungen zustimmen und dadurch mithelfen, dafür Steuergelder der Deutschen Bürger auszugeben?

Ich freue mich auf Ihre Antwort und verbleibe

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Giselher Dombach

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Dr. Dombach,

der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV, zu dem auch der Maastricht-Vertrag gehört) ist in seinem Haftungsverbot mitnichten so „klipp und klar“, wie es von Ihnen und teilweise auch in der öffentlichen Debatte dargestellt wird. In § 125 AEUV heißt es:

„Die Union haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen von Mitgliedstaaten und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein; dies gilt unbeschadet der gegenseitigen finanziellen Garantien für die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens.“

Gleiches gilt analog für die einzelnen Mitgliedstaaten. Zudem heißt es in § 122 AEUV:

„(1) Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission unbeschadet der sonstigen in den Verträgen vorgesehenen Verfahren im Geiste der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten über die der Wirtschaftslage angemessenen Maßnahmen beschließen, insbesondere falls gravierende Schwierigkeiten in der Versorgung mit bestimmten Waren, vor allem im Energiebereich, auftreten.

(2) Ist ein Mitgliedstaat aufgrund von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entziehen, von Schwierigkeiten betroffen oder von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht, so kann der Rat auf Vorschlag der Kommission beschließen, dem betreffenden Mitgliedstaat unter bestimmten Bedingungen einen finanziellen Beistand der Union zu gewähren. Der Präsident des Rates unterrichtet das Europäische Parlament über den Beschluss.“

Nimmt man sich beide Artikel zur Hand, lassen sich für die aktuelle europäische Staatsschuldenkrise zwei grobe Leitlinien ableiten: Zum einen besteht unter den Mitgliedstaaten der EU auch im Hinblick auf ihre Finanzbeziehungen ein Solidaritätsgebot, zum anderen sind Finanzhilfen nicht grundsätzlich verboten - insbesondere dann nicht, wenn sie der Fortsetzung gemeinsamer Unionsvorhaben dienen und die Haftung für die in Anspruch genommenen Hilfen weiterhin bei den Mitgliedstaaten liegt.

Diese Rechtsauffassung haben sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof bestätigt und die Instrumente von EFSF und ESM sind nach diesen Geboten gestaltet: Wir haben im Rahmen von EFSF und ESM Bürgschaften gewährt, um die Zahlungsfähigkeit der Krisenländer kurzfristig wiederherzustellen - das war und ist auch im Interesse Deutschlands und seiner Bürger, denn eine Pleite einzelner Eurostaaten hätte erhebliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Diese Hilfen müssen nun von den Empfängerländern Schritt für Schritt zurückgezahlt werden.

Parallel dazu wurden Strukturreformen in den betroffenen Ländern angegangen und im Rahmen des Fiskalpakts mit der Konsolidierung der Staatshaushalte begonnen. Damit wurden die Grundlagen für neues Wachstum gelegt - und die aktuellen Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung in den Empfängerländern bestätigen nun, dass diese Politik offenbar richtig war: Mit unserer Politik der „Solidarität für Solidität“ haben wir geholfen, dass die Krisenländer langfristig wieder auf eigenen Beinen stehen können und somit letztlich auch das Haftungsrisiko für Deutschland minimiert.

Die geplante Bankenunion bedeutet zudem keine Abgabe von Souveränität, sondern eine sinnvolle Übertragung von Kompetenzen auf die europäische Ebene. Das Versagen der nationalen Bankenaufsichten war ein Grund für die Eurokrise - und diesen Konstruktionsfehler beheben wir mit der Einrichtung einer europäischen Bankenaufsicht. Kontrolliert werden jedoch nur vermeintlich systemrelevante Banken, d.h. Banken mit einer Bilanzsumme >30 Mrd. Euro oder >20% der jeweiligen nationalen Wirtschaftsleistung, gemessen am Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Die Aufsicht über die übrigen - und damit die weitaus überwiegende Mehrzahl der - Banken verbleibt bei den nationalen Aufsichtsbehörden. Die FDP hat sich zudem erfolgreich dafür eingesetzt, dass weiterhin eine wirksame Trennung von Zentralbank- und Aufsichtsfunktion bei der EZB gewährleistet ist. Über den EZB-Rat kann Deutschland im Zweifelsfall ein Veto gegen Entscheidungen der europäischen Bankenaufsicht initiieren. Vor diesem Hintergrund von einem „Meilenstein zur Aufgabe der Souveränität“ zu sprechen, halte ich für deutlich überzogen.

Sehr geehrter Herr Dr. Dombach, ich denke dass der schwierigste Teil der Eurokrise hinter uns liegt. Mit den geschaffenen Instrumenten von ESM und Fiskalpakt sind wir in der Lage, ähnliche krisenhafte Entwicklungen künftig zu bewältigen. Ich hoffe darum, als Mitglied des 18. Deutschen Bundestages nicht mehr in die Situation zu kommen, über weitere Eurohilfen abstimmen zu müssen, denn diese sind letztlich auch immer ein Eingeständnis des Scheiterns einer verantwortungsvollen Haushalts- und Finanzpolitik in den betroffenen Ländern. Sollte es dennoch erneut zu einer solchen Entscheidung kommen, werde ich (wie in der Vergangenheit auch) sorgfältig Nutzen und Risiken der Hilfen abwägen - pauschal ausschließen kann und will ich aber weder das eine noch das andere.

Allerdings bleibt für mich klar: Ich stimme keinen Hilfen zu, für die die Empfängerländer nicht auch bereit sind, notwendige Strukturreformen einzuleiten, um mittelfristig wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Diese Politik von Solidarität für Solidität erscheint mir nicht nur als die beste der möglichen Alternativen, sondern ist für uns Liberale auch ein echtes Alleinstellungsmerkmal: SPD, Grüne und Linke zeigen mit ihren Programmen weiter nur einen Weg auf, der die Probleme Europas mit der Notenpresse lösen will. Mit Eurobonds und großen Konjunkturpaketen soll eine Schuldenkrise mit neuen Schulden weggespült werden.

Und denkt man den von der AfD vorgeschlagenen Weg zu Ende, steht dort eine Isolierung Deutschlands innerhalb Europas - mit unabsehbaren Folgen für die deutsche Volkswirtschaft und die Entwicklung der europäischen Gemeinschaft. Das ist aus meiner Sicht ein zu hoher Preis für die Möglichkeit, mit nationalen Währungen wieder Auf- und Abwertungen vornehmen zu können - zumal Wechselkursanpassungen seit jeher (und genau wie die Konjunkturpakete von SPD und Grünen) nur ein kurzfristiges, konjunkturbelebendes Instrument sind, das die tatsächlichen strukturellen Probleme in den betroffenen Ländern nicht nachhaltig behebt.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Florian Bernschneider