Portrait von Ewald Schurer
Ewald Schurer
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Ewald Schurer zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Hansjürgen B. •

Frage an Ewald Schurer von Hansjürgen B. bezüglich Recht

Werter Herr Schurer,

mich würden die Gründe interessieren warum sie für die Vorratsspeicherung gestimmt haben, obwohl offensichtlich keinem Politiker weder fachlich noch geschichtlich die Tragweite bewusst sein dürfte. Die EU Vorgaben sind einerseits viel niedriger angesetzt, zudem stehen derzeit Klagen von EU Partner an wie z.B. Irland, so daß keinerlei wirklich kein trifftiger Grund ansteht dieses Gesetz im wahrsten Sinne durchzupeitschen ohne das Abwarten wie sich das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof dazu stellung nimmt. Sind wir in der Geschichte wieder so weit daß zum Machterhalt die Bürger überwacht werden müssen......und in einem größeren Ausmaß wie es zu DDR Diktatur Zeiten die STASI durchführte oder vor Jahrzehnten in unserer unsäglich Menschenverachteten Geschichte Deutschlands. Wissen eigentlich die Abgeordneten um die Tragweite oder wollen es nicht wissen oder soll sich die Geschichte in erschreckender Weise wiederholen? Es soll mir keiner später kommen "Wer nichts zu verbergen hat der hat nichts zu befürchten" oder mit dem altbekannten Satz "Wir haben von alledem nichts gewusst". Das Grundgesetz wird verbogen, es wird wissentlich Verstoß gegen das Grundgesetz in kauf genommen. Nur zur Erinnerung....das Grundgesetz wurde von den Gründervätern geschaffen damit sich die Geschichte nie nieeee mehr wiederholt....nun sind wir wieder auf dem Weg dahin und ich bin entsezt über soviel blauäugigkeit und Unwissenheit wie heute Abgeordnete Gesetze "abnicken" deren Tragweite sie nicht im geringsten sehen. Wir sind nicht auf dem Weg zu einem Überwachungsstaat, nein, wir haben ihn schon in großen Teilen. Nur am Rande, Ich kann sehr wohl im gegensatz zu Ihnen fachlich beurteilen was Datenvorratsspeicherung heißt und welche Tragweite dies hat, ich arbeite seit über 30 Jahren in der Nachrichtentechnik und EDV. Aber was war ihr Grund dafür zu stimmen als Laie????

Portrait von Ewald Schurer
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Baukloh,

herzlichen Dank für Ihre E-Mail vom 15. November 2007 in der Sie sich kritisch zur sog. „Vorratsdatenspeicherung“ äußern.

Der Bundestag hat am 9. November in 2./3. Lesung das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie der Europäischen Union zur Telekommunikationsüberwachung beschlossen.

Das Gesetz wird zum 1. Januar 2008 in Kraft treten und es

• novelliert die geltenden Vorschriften der Strafprozessordnung zur Telekommunikationsüberwachung und anderen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen,
• setzt die EU-Richtlinie zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung in deutsches Recht um
• und sorgt für grundrechtswahrende Verfahrenssicherungen bei heimlichen Ermittlungsmaßnahmen.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat bei dem Gesetz berücksichtigt, dass der Staat für die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu sorgen hat. Besonders, weil durch den internationalen Terrorismus und dessen Folgeerscheinungen die entstandene labile Sicherheitslage auch in Deutschland neue Antworten benötigt; Strafverfolgungsinteressen des Staates müssen angemessen berücksichtig werden.

Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass verdeckte Ermittlungsmaßnahmen in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen können, so dass für ihre Anordnung strenge Voraussetzungen gelten müssen und auch der Rechtsschutz bedarf einer wirk-samen Ausgestaltung. Sicherheit und Freiheit müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen.

Deshalb haben wir uns daran orientiert, das Telekommunikationsüberwachungsrecht an engen rechtsstaatlichen Kriterien auszurichten. Dank der Rechtspolitiker der SPD-Bundestagsfraktion liegen die Hürden für die Durchführung einer Telekommunikationsüberwachung zukünftig höher als bisher. Dabei gilt, dass eine verdeckte Ermittlungsmaßnahme auch künftig nur durch einen Richter angeordnet werden darf.

So gilt nach wie vor, dass das Vertrauensverhältnis zu Seelsorgern, Strafverteidigern und Abgeordneten absolut geschützt wird. Sie genießen eine besondere verfassungsrechtliche Stellung. Deshalb sind sie von allen Ermittlungsmaßnahmen ausgenommen, die sich auf die Informationen beziehen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Berufsgeheimnisträger anvertraut wurden.

Bei Ärzten, Rechtsanwälten, Journalisten und allen anderen zeugnisverweigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträgern wird klargestellt, dass sie in Ermittlungsmaßnahmen künftig nur nach einer sehr sorgfältigen Verhältnismäßigkeitsabwägung im Einzelfall in die Ermittlungsmaßnahmen einbezogen werden dürfen. Für diese Abwägung wird es einen strengen Maßstab im Gesetz geben.

Wie von vielen Kritikern angeführt, fällt auch mir eine Differenzierung bei der Überwachung und hier einer unterschiedlichen Behandlungen von Abgeordneten des Deut-schen Bundestages in Vergleich zu Ärzten und Rechtsanwälte, und insbesondere unter der Geltung des Art. 5 GG auch Journalisten in der Tat sehr schwer.

Das neue Gesetz enthält, wie bereits erwähnt, Anpassungen an die EU-Richtlinie zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung (2006/24/EG). Hier ist es uns immerhin gegen die Union und gegen den Widerstand vieler anderer EU-Mitgliedstaaten gelungen, dass die Mindestspeicherungsdauer auf sechs Monate (statt der ursprünglich auf EU-Ebene diskutierten 36 Monate) beschränkt wurde. Ein klarer Erfolg.

Die zu speichernden Daten sind im Wesentlichen die Verkehrsdaten, die von den Telekommunikationsunternehmen schon heute üblicherweise zu Abrechnungszwecken ge-speichert werden. Das sind insbesondere die genutzten Rufnummern und Kennungen sowie Uhrzeit und Datum der Verbindungen. Neu kommt hinzu, dass bei Mobilfunktele-fonen auch der Standort (Funkzelle) bei Beginn der Mobilfunkverbindung gespeichert wird. Die weitere Standortbestimmung wird, wiederum auf Betreiben der SPD, dann nicht mehr aufgezeichnet. Auch dieser Punkt musste unserem Koalitionspartner müh-sam abgerungen werden. Daten, die Aufschluss über den Inhalt der Kommunikation geben, dürfen dagegen ausdrücklich nicht gespeichert werden.

Zu den Telekommunikationsverkehrsdaten gehören neben den Daten über Telefonverbindungen auch solche Daten, die bei der Kommunikation über das Internet anfallen. Diese müssen nach der EU-Richtlinie künftig ebenfalls gespeichert werden. Auch in die-sem Bereich werden nur Daten über den Internetzugang und die E-Mail-Kommunikation gespeichert. Dabei speichert das TK-Unternehmen, welchen Teilnehmeranschluss eine bestimmte Internetprotokoll-Adresse (IP-Adresse) zu einem bestimmten Zeitpunkt zu-gewiesen war sowie die Daten über die E-Mail-Versendung. Gespeichert wird nicht, welche Internetseiten besucht wurden oder welchen Inhalt eine E-Mail hatte.

Die Daten werden – wie bisher – nur bei den TK-Unternehmen gespeichert. Polizei und Staatsanwaltschaft können nur dann auf die Daten zugreifen, wenn dies zuvor durch einen richterlichen Beschluss erlaubt wurde. In diesem Beschluss legt der Richter genau fest, welche Daten das Unternehmen aus seinem Bestand herausfiltern und den Strafverfolgungsbehörden übermitteln muss.

Für alle verdeckten Ermittlungsmaßnahmen gilt darüber hinaus eine Reihe von Verfahrensregelungen. Sie verbessern den Grundrechtsschutz aller, die von verdeckten Er-mittlungsmaßnahmen betroffen sind:
• Richtervorbehalt bei allen eingriffsintensiven verdeckten Ermittlungsmaßnahmen;
• Konzentration der Zuständigkeit für die Anordnung einer Maßnahme beim Ermittlungsgericht am Sitz der Staatsanwaltschaft, um dessen größere Spezialisierung zu erreichen;
• umfassende, gerichtlich kontrollierte Benachrichtigungspflichten;
• Einführung eines nachträglichen Rechtsschutzes bei allen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen;
• Einführung von einheitlichen Kennzeichnungs-, Verwendungs- und Löschungsregelungen.

Nach Abwägung aller politischen und verfassungsrechtlichen Bedenken bin ich zu dem Schluss gekommen, dem Gesetz trotz der von mir skizzierten Bedenken letztendlich zuzustimmen. Dies vor allen Dingen auch deshalb, weil es der SPD-Fraktion gelungen ist hohe Hürden für die Umsetzung problematischer Restriktionen einzuziehen. Etwaige verfassungswidrige Bestandteile werden durch das Bundesverfassungsgericht überprüft und gegebenenfalls für unwirksam erklärt. Einem möglichen verfassungsrechtlichen Korrektiv sehe ich mit großem Interesse entgegen.

Mit freundlichen Grüßen
gez.

Ewald Schurer, MdB