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Elke Seidel
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Frage von Rhan G. •

Frage an Elke Seidel von Rhan G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Würden Sie sagen Brandenburg macht eine gute Integrationspoltik? Wo liegen die Schwerpunkte in Brandenburg?

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Liebe Frau Gunderlach,

ich bin Ihnen dankbar für diese Frage. Gab sie mir doch noch einmal Gelegenheit, mich intensiv mit dieser Problematik, die nicht zu meinen Arbeitsschwerpunkten gehört, auseinanderzusetzen.

Ich habe Ihre Frage so verstanden, dass Sie insbesondere an Aussagen zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund interessiert sind.

Die Integration von Menschen, die ihre Heimat aus unterschiedlichen Gründen verlassen und die in Europa wohnen und leben wollen, sollte normalerweise als Prozess verlaufen.

Der Prozess beinhaltet:

1. Die Migranten und ihre Kinder werden als Mitglieder der Aufnahmegesellschaft anerkannt, erhalten Zugang zu gesellschaftlichen Positionen und erreichen gleichberechtigte Chancen in der Gesellschaft. Voraussetzung hierfür ist der Erwerb von sprachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse über soziale Regeln des Zuwanderungslandes.

2. Die Aufnahmegesellschaft akzeptiert die Einwanderer im privaten Bereich, lässt sie an sozialen Aktivitäten teilnehmen und billigt den freien Umgang ihrer Kinder mit denen der Migranten.

3. Gleichzeitig akzeptieren die Migranten Mitglieder der Aufnahmegesellschaft in ihrem privaten Bereich und gestatten ihren eigenen Kindern einen freien Umgang mit Altersgenossen beiderlei Geschlechts aus der Aufnahmegesellschaft. Die Migranten und ihre Kinder entwickeln ein neues persönliches Zugehörigkeitsgefühl zur Aufnahmegesellschaft.

3. Durch das gegenseitige Erlernen und „Begreifen“ der Kultur des Anderen
ist eine gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben möglich. Es
erfolgt zusätzlich eine Veränderung von Werten, Normen und Einstellungen
sowohl der Migranten als auch der Aufnehmenden.

Die aufnehmende Gesellschaft muss diese verschiedenen Schritte auf allen Ebenen zulassen.

Soweit die Theorie. Jede Medaille hat zwei Seiten, und so ist es auch in unserem Land. In Brandenburg wurde von der Landesregierung eine Integrationsstelle und eine Integrationsbeauftragte eingerichtet, in den Kreisen und kreisfreien Städte arbeiten Ausländer- oder Integrationsbeauftragte, die teils ehrenamtlich und teils hauptamtlich die vielen vom Land entwickelten Programme umsetzen (wollen). Es liegt ein dicker “Integrationsbericht 2009“ vor, den ich Ihnen gerne als pdf-Datei zur Verfügung stelle. Der Bericht beeindruckt mit den vielen beschriebenen Programmen, Handlungskonzepten, Beiräten und Projekten mit einer Vielzahl von kooperierenden Akteuren.

Trotz dieser vielen Programme glaube ich nicht, dass das Ziel der erfolgreichen Integration, nämlich die alltägliche Zusammenarbeit, erreicht ist. Denn die verschiedenen Gruppen bleiben immer noch größtenteils unter sich, sie haben zwar einen Ansprechpartner in der Verwaltung oder in Vereinen, und die ehrenamtlichen Akteure versuchen in den Regionen mit aller Kraft, die Programme der Integration voranzubringen, sie scheitern aber z.B. an den Grenzen aller Ehrenamtlichen.

Das Land Brandenburg hat mit der Integrationsbeauftragten ein Aushängeschild, ist aber auf die Aufgaben, die sich zum Beispiel mit dem zunehmenden Klimawandel und der zunehmenden Einwanderungstendenz aus Überlebensgründen verschärfen werden, nicht vorbereitet. Und auch die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger ist nicht mit der erfolgreichen Integration vertraut, sie haben unzureichende Informationen über die vielfältigen Wege des möglichen Zusammenlebens.

Dieser Stand muss verbessert werden, und insbesondere das Asylrecht muss an die Erfordernisse – wie oben beschrieben - angepasst werden.

BÜNDNIS 90/Die Grünen haben sich für verstärkte Anstrengungen ausgesprochen, um die Integration der in Brandenburg lebenden MigrantInnen in allen Stufen zu verbessern.

Von der Integration bis zum Zusammenwachsen auf gleicher Augenhöhe ist aber
ein sehr weiter Weg. Deshalb werde ich als Landtagsabgeordnete der Fraktion
Bündnis90/Die Grünen alle Aktivitäten unterstützen, die eine
gleichberechtigte Teilhabe der MigrantInnen am gesellschaftlichen Leben, am
gemeinsamen Lernen, am gemeinsamen Arbeiten und gemeinsamen Feiern
uneingeschränkt zulassen und entwickeln. Das gegenseitige Kennenlernen, das
Finden von Gemeinsamkeiten, das ungezwungene Verstehen und die Übernahme
gemeinschaftlicher Verantwortung zwischen Zugewanderten und der
Mehrheitsbevölkerung muss voran gebracht werden, dafür setze ich mich ein.

Ich bin der festen Überzeugung, dass Integration in uns selbst beginnt. Als Medizinerin ist mir die Einzigartigkeit jedes einzelnen Menschen sehr bewusst – und die Angst des Menschen vor dem „Anderssein“. Wenn ich mich mit dem „Anderssein“ beschäftige, Fragen stelle, also kommuniziere – verliere ich die Angst und der erste Schritt zum Zusammenleben auf Augenhöhe ist getan. Jeder möge in sich hineinhören.

Ich hoffe, ich habe Ihre Frage ausreichend beantwortet. Informationen zu weiterer Literatur können Sie bei mir erhalten. Mit sonnen-energi(E )schen

Grüßen Ihre ELKE SEIDEL

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