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Elisabeth Scharfenberg
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Frage von Karola T. •

Frage an Elisabeth Scharfenberg von Karola T. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Scharfenberg,

seit einiger Zeit ist der Mindestlohn ein politisches Streitthema und es steht fest, dass so schnell auch keine Einigung der politischen Entscheidungträger zustande kommt. Zu unterschiedlich sind die Standpunkte der Beteiligten.

Als Arbeitnehmer ist man im Endeffekt solange auf den guten Willen des Arbeitgebers angewiesen. Dem wird jedoch auch bei Löhnen unter 8,50 € durch direkte (z.B. Eingliederungszuschuss) und indirekte (z.B. Sanktionen gegen AlgII-Bezieher bei Ablehnung) Förderung durch staatliche Stellen signalisiert, dass sein Verhalten akzeptiert und richtig ist! Wieso wird hier kein gesellschaftspolitisches Signal gesetzt und die Behörden angewiesen (z.B. Ministerialerlass), bei Niedriglöhnen nicht mehr zu fördern/zu sanktionieren? Auch die Agenturen für Arbeit könnten sich weigern, für solche Arbeiten vermittlungsunterstützend tätig zu werden. Es ist sicher keine Lösung auf Dauer, aber die Politik und der Staat würden bei diesem Thema endlich einmal klar Stellung beziehen. Außerdem würde sich eine entsprechende Regelung in deutlich kürzer Zeit durchsetzen lassen, als ein Gesetz erlassen wird oder alle Tarifparteien eine enstprechende Vereinbarung getroffen haben.

Wie stehen Sie dazu?

Mit freundlichen Grüßen

K. Tietze

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Tietze,

herzlichen Dank für Ihre Frage. Sie sprechen ein überaus wichtiges Thema an. Ich sehe hier ebenfalls dringend Regelungsbedarf.

Insgesamt ist der Niedriglohnsektor in den vergangenen Jahren in Deutschland stark gewachsen und heute sogar der größte in Europa. Fast 8 Millionen der abhängig Beschäftigten arbeiten heute im Niedriglohnbereich, und damit einer von fünf Beschäftigten, also fast 8 Millionen Menschen. Und die prekäre Beschäftigung nimmt weiter zu. Dabei sind zwei von drei Beschäftigten, die ausschließlich als Minijobber arbeiten, Frauen. Darunter erhält eine bzw. einer von zwei Beschäftigten einen Stundenlohn von weniger als 8,50 Euro. Bereits heute verdienen 7 Millionen Beschäftigte unter 8,50 Euro pro Stunde. Fast 3 Millionen Menschen erhalten sogar weniger als 6 Euro pro Stunde. Minijobs blieben hierbei die Gefahrenquelle Nr. 1 für Niedriglöhne. Über 70 Prozent der Minijobber waren 2011 von Niedriglöhnen betroffen.

Wir Grünen fordern daher einen allgemeinen, gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro pro Stunde. Wir setzen uns außerdem für den Grundsatz ein: gleicher Lohn für gleiche Arbeit für Männer und Frauen und in der Leiharbeit, und zwar vom ersten Tag an. Leiharbeit und Befristungen sollen zwar weiter zur Abfederung von Auftragsspitzen oder zur Überbrückung von Personalengpässen genutzt werden können. Damit sie aber nicht mehr zur Senkung der Lohnkosten anreizen, wollen wir neben gleichem Lohn einen Flexibilitätsbonus in Höhe von 10 Prozent des Lohnes einführen. Auf diese Weise wollen wir den Trend, Stammbelegschaften durch Leiharbeitskräfte zu ersetzen und ihnen Dumpinglöhne zu zahlen, durchbrechen. Das Umgehen von Tarifverträgen durch Werkverträge wollen wir ebenfalls beenden. Heute sind nur noch 61 Prozent der Beschäftigten durch Tarifverträge geschützt. Wir setzen uns daher, neben der Einführung eines Mindestlohnes, auch dafür ein, branchenspezifische Mindestlöhne zu ermöglichen und die Tarifbindung zu stärken.

Bis dies umgesetzt ist fordern wir eine Sanktionsmoratorium. Dazu gehört u.a., dass wir Grüne uns dafür einsetzten, dass niemand gezwungen ist, eine Arbeit annehmen zu müssen, die unterhalb des maßgeblichen Tarifabschlusses liegt. Oder – wenn keine tarifliche Regelung vorhanden ist – die unterhalb des ortsüblichen Entgelts entlohnt wird. Gibt es einen flächendeckenden Mindestlohn, gilt das entsprechend. Sehen Sie hierzu unseren Antrag "Rechte der Arbeitsuchenden stärken - Sanktionen aussetzen", Drs. 17/3207. Anbei der Link zu unserem Antrag: http://www.bundestag.btg/PlenAus/Drucksachen/oeffnePDF.php?drsNr=1703207&typ=.pdf .

Was die Förderung angeht sind die Länder - eben wegen des fehlenden flächendeckenden Mindestlohnes - dazu übergegangen, Landesvergabegesetze zu erlassen, die eine Mindestlohnregelung für die öffentliche Auftragsvergabe enthalten. Das haben jedenfalls die Länder mit grüner Beteiligung gemacht, aber auch Berlin.

Ich hoffe, dass ich Ihre Frage hiermit habe beantworten können. Sollten Sie weitere Fragen haben, stehe ich zur Beantwortung gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Scharfenberg MdB