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Ekin Deligöz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Ralf-G. F. •

Frage an Ekin Deligöz von Ralf-G. F. bezüglich Jugend

betr. Gesetzesvorlage zum gemeinsamen Sorgerecht

Liebe Frau Deligöz,

wir sind uns vom letzten Familienpolitischen Kongress, zu dem ich auf Grund Ihrer Einladung als Papa-Läufer teilnahm, persönlich bekannt.

Von daher glaube ich, Ihren persönlichen Einfluss auf die Gestaltung der Gesetzesvorlage zu kennen und spreche Ihnen meinen Dank dafür aus.

Als Vater einer unehelichen Tochter in Sachsen-Anhalt (heute 11-j. alt), die trotz Umgangsurteils seit mehr als 6 Jahren nicht bei ihrem Bruder und mir zu Besuch war und von der ich heute 1.208 Tage kein Lebenszeichen habe, geht mir dieser Vorschlag aber nicht weit genug.

Zu viele Bedingungen, die allein der Mann erfüllen muss, sind noch sehr weit von dem vernünftigen Vorschlag: "Gemeinsame Sorge ab Geburt" entfernt.

Warum erst ein Verfahren für eine Selbstverständlichkeit führen, was wieder mit Kosten - für den Vater - verbunden sein wird.

Warum erst nach einem Jahr "Bewährung für den Vater"?

Was haben Unterhaltszahlungen mit dem Umgang oder der gemeinsamen Sorge zu tun? Die Justiz trennt ja auch strickt in Strafbarkeit von Nichtzahlen aber Straffreiheit von Umgangsboykott ...

Mit freundlichen Grüßen
Papa-Ralf
Initiator der Papa-Lauf.de Bewegung

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Fuchs,

wie Sie glaube ich fest daran, dass ein Kind grundsätzlich ein Recht auf beide Eltern hat. Das ist die Motivation für verschiedene Vorschläge, die ich in den vergangenen Jahren im Bereich Kinder- und Familienpolitik gemacht habe. Gleichzeitig gibt es jedoch auch hier, wie in fast allen Bereichen, unterschiedliche Interessen, die abgewogen und miteinander in Einklang gebracht werden müssen. Zudem gehen die gesellschaftlichen Bedingungen, die Gesetzeslage und die praktische Umsetzung nicht immer kongruent. Daher ist der von den Grünen gemachte Vorschlag als Ergebnis dieser Abwägungsprozesse zu sehen und stellt gleichzeitig einen wesentlichen Schritt zu mehr Gerechtigkeit in Sorgerechtsfragen dar.
Ich möchte das gern ein wenig näher ausführen. Im Jahr 2003 hat das Bundesverfassungsgericht die geltende gesetzliche Regelung zum Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern im Wesentlichen für verfassungskonform erklärt. Es bestätigte die starke Rechtsstellung der Mutter, wenn es bei nichtverheirateten Paaren zu keiner einvernehmlichen Sorgeerklärung kommt. Der Gesetzgeber wurde aber nicht von der Verantwortung entbunden, zu prüfen, ob Gründe für eine Änderung der Regelung sprechen. Dieser Aufgabe haben wir uns gestellt. Auch wenn heute in der Mehrheit der Familien die Eltern miteinander verheiratet sind, ist allein in den vergangen Jahren die Zahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kindern um gut ein Viertel gewachsen. Die Unterschiede in der Lebensweise zwischen verheirateten und nichtverheirateten Paaren sind insgesamt geringer geworden. Immer mehr Eltern und Kinder sind also von der gegenwärtigen Regelung des Sorgerechts bei Nichtverheirateten betroffen. Ziel muss es dementsprechend sein, eine neue Balance zwischen dem Wohl und Interesse des Kindes und beiden Eltern zu finden.
In einem ersten Schritt machen wir uns daher dafür stark, dass Väter im Einzelfall Anspruch auf eine gerichtliche Entscheidung zur Erlangung des gemeinsamen Sorgerechts haben. Damit würde die Rechtsschutz- und damit die Gerechtigkeitslücke für Väter geschlossen.
Die Beteiligten sollen dabei genügend Zeit zur Konfliktklärung haben und die (zumeist) Mütter in der ersten Zeit nach der Geburt nicht durch Gerichtsverfahren belastet werden. Eine Klage soll deshalb frühestens nach Vollendung des ersten Lebensjahres des gemeinsamen Kindes möglich sein.
Es soll deutlich gemacht werden, dass Kinder Subjekte mit eigenen Rechten sind und dass das Recht auf beide Eltern dazu gehört.
Der Anspruch auf eine gerichtliche Einzelfallentscheidung zum gemeinsamen Sorgerecht stellt einen Kompromiss zwischen FrauenpolitikerInnen und KinderpolitikerInnen dar, der auch gesellschaftlich tragbar ist. Zentral ist, dass letztlich dem Recht des Kindes auf beide Eltern mehr Geltung verschafft wird.

Mit freundlichen Grüßen

Ekin Deligöz

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