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Eckart von Klaeden
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Frage von Kay N. •

Frage an Eckart von Klaeden von Kay N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr von Klaeden,

Sie zitieren Herrn Wulf " Frau Özkan werde ein Vorbild vor allem für Migranten sein, "die sehen, wenn man fleißig ist und Leistung bringt, kann man in Deutschland alles werden".
Wie stehen Sie dazu das Ostdeutsche, die auch fleißig waren und sind, die die Wiedervereinigung erst möglich gemacht haben, keine Chancen bekommen und auch noch bei der Jobsuche diskriminiert werden dürfen. Es gab 2 Fälle die durch die Presse gingen.
Und wie stehen Sie dazu, das Ostdeutsche, wenn sie denn eine meist befristete und schlecht bezahlte Stelle bekommen haben, dann auch noch nach Osttarif bezahlt werden. Ist das nicht eine schallende Ohrfeige für die Menschen deren Freiheitswille einmal von sowjetischen Panzer, unter teilnahmslosem Zuschauen des Westens, plattgewalzt wurde und dann nach vielen Jahren endlich 89 zum Ziel geführt hat. Um jetzt in Billigjobs oder Harz IV der Altersarmut entgegen zu vegetieren?
Meinen Sie nun damit, das nur Migranten gefördert werden sollen? Das der ehemalige DDR Bürger mal wieder der Verlierer sein muß?

Mit freundlichen Grüßen

K. Nerstheimer
staatl. gepr. Betriebswirt

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Nerstheimer,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich als Abgeordneter des Deutschen Bundestages und nicht als Staatsminister im Namen der Bundesregierung beantworte:

Sie stellen Ihrer Frage, wie ich dazu stehe, dass „Ostdeutsche, die auch fleißig waren und sind, die die Wiedervereinigung erst möglich gemacht haben, keine Chancen bekommen und auch noch bei der Jobsuche diskriminiert werden dürfen“, eine Prämisse in apodiktischer Form voran, der ich widerspreche. Die Wiedervereinigung, die – da stimme ich Ihnen zu – ohne das entschiedene und friedliche Verhalten der Ostdeutschen nicht stattgefunden hätte, hat vielen Menschen aus den neuen Ländern überhaupt erst ermöglicht, ihrem Leben auch in beruflicher Hinsicht eine Perspektive zu geben. Viele Ostdeutsche haben diese Möglichkeiten genutzt und führen ein Leben, das nicht mehr zwischen „Ossi“ und „Wessi“ unterscheidet. Für diejenigen, die die deutsche Teilung politisch bewusst nicht mehr miterlebt haben, also für die bis zu 35jährigen, ist dies ohnehin kein Thema. Die ehemaligen Bürger der DDR sind nicht die Verlierer der Deutschen Einheit, alle Deutschen sind ihre Gewinner, vom harten Kern der DDR-Nomenklatura einmal abgesehen.

Daran ändern auch nichts die beiden von Ihnen angedeuteten Einzelfälle, deren abschließende Bewertung durch die Gerichte noch aussteht. In einem Fall – auf den Sie offenkundig Bezug nehmen – hat das Arbeitsgericht Stuttgart festgestellt, dass die möglicherweise negativ gemeinte Verwendung des Begriffs „Ossi“ nicht gegen das Diskriminierungsgesetz, das eine Benachteiligung u.a. wegen ethnischer Herkunft untersagt, verstoße, weil der Ostdeutsche keine eigene Ethnie darstelle. Nach meinem Rechtsverständnis aber wäre es nicht mit Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes vereinbar, wenn jemand mit der Begründung, er sei Ostdeutscher, einen Nachteil wegen seiner geographischen Herkunft hinnehmen müsste. Eine andere Auslegung des Diskriminierungsgesetzes hätte ich daher begrüßt.

Die im Vergleich zu den meisten alten Bundesländern höhere Arbeitslosigkeit empfinde auch ich als sehr problematisch, wenngleich der ostdeutsche Arbeitsmarkt von der positiven Gesamtentwicklung in Deutschland in den Jahren 2005 bis 2008 und den konjunkturstützenden Maßnahmen der Bundesregierung seit 2009 ebenfalls profitiert hat. Wir haben alle erkennen müssen, dass wirtschaftliche Angleichungsprozesse länger dauern, als sich dies viele 1990 vorgestellt und erhofft hatten.

Was die von Ihnen angesprochenen Osttarife angeht, weise ich darauf hin, dass hierfür die Tarifpartner zuständig sind. Wenn solide gewirtschaftet werden soll, müssen sich die Löhne an der Produktivität und der Wettbewerbsfähigkeit der Branchen ausrichten. Staatlich verordnete Löhne (und Preise) – das ist doch auch eine der Lehren aus der DDR – wären politische Entscheidungen, die wirtschaftlicher Verantwortung nicht unterliegen. Wohlstand muss erwirtschaftet werden; die Politik kann ihn nicht herbeibeschließen, sondern lediglich dafür sorgen, dass Rahmenbedingungen geschaffen und garantiert werden, die wirtschaftliche Entwicklung ermöglicht. Im übrigen sind die Löhne auch im Westen nicht einheitlich, sondern variieren nach Tarifbezirken.

Mit dem Zitat des Niedersächsischen Ministerpräsidenten zur Nominierung der Ministerin Özkan meine ich selbstverständlich nicht, dass nur Migranten gefördert werden sollen. In einer offenen Gesellschaft muss jedem seine Chance gegeben werden, dafür mache ich Politik.

Gestatten Sie mir zum Abschluss noch eine geschichtliche Klarstellung: Der Westen hat weder 1953 noch 1956 noch 1968 teilnahmslos zugeschaut, als sowjetische Panzer den Freiheitswillen plattgewalzt hatten, er hatte ohnmächtig zuschauen müssen, weil die Alternative Krieg gewesen wäre.

Mit freundlichen Grüßen
Eckart von Klaeden MdB