Dirk Wiese, Kandidat der SPD für den 20. Deutschen Bundestag
Dirk Wiese
SPD
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Frage von Wilfried M. •

Frage an Dirk Wiese von Wilfried M. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Wiese,

der ARD-Rechtsexperte Dr. Bräutigam hatte in der (u.a. kritsch über die
Vertrauenswürdigkeit von Sachverständigengutachten berichtenden) Sendung
"Unschuldig hinter Gittern" geäußert, der Justizminister habe einen
Gesetzentwurf erarbeitet, demzufolge die Videodokumentation der ersten
Vernehmungen der möglichen Opfer "und der Beteiligten" vorgesehen war (1).

In Vorbereitung auf eine Anhörung im Rechtsausschuß hat Dr. Axel
Boetticher, Richter am Bundesgerichtshof a.D., schriftlich unter anderem
Kritik an der -gegenüber der Einführung der Videodokumentation offenbar
kritischen- Haltung maßgeblicher Funktionäre des Deutschen Richterbundes
geübt (2).
Meine 4 Fragen:
Was meinen Sie aktuell zu der Videodokumentation der ersten Vernehmungen der -möglichen- Opfer und der Beteiligten?
Spricht -im Zusammenhang mit dem Regelungsgehalt des § 250 StPO- noch
immer etwas gegen die einvernehmliche audiovisuelle Dokumentation des
Untersuchungsgespräches, das ein Beschuldigter mit einem Psychiater im
Rahmen einer Begutachtung -sozusagen als Zeuge in eigener Sache- führt?
Können Sie -anders als ich- einen einzigen Lehrstuhlinhaber der
Psychiatrie und der Psychologie namhaft machen, der -nicht nur mir
unverständliche(3)- Vorbehalte gegenüber der Videodoumentation des
Untersuchungsgespräches aufgrund nachlesbarer sachkundiger Erwägungen
teilt?
Was können Sie über den Stand des o.g. Gesetzgebungsverfahrens
mitteilen?

Ich bitte um vollständige und wahrheitsgemäße Antworten.

Mit freundlichen Grüßen
Dipl. med. Wilfried Meißner
Facharzt für Anatomie, Psychiatrie und Psychotherapie a.D.
Anti-Korruption . Reformation 2014 e.V.

1) ab min. 55:15 hier. https://www.youtube.com/watch?v=-iRPHu0jUfQ
2)
https://www.bundestag.de/blob/500958/fededb7176991ad7fee9c4bf562671de/boetticher-data.pdf
3) vgl. Schweigen von MdB Dr. iur. Launert zu den Fragen
http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_silke_launert-778-78618--f450315.html#q450315

Dirk Wiese, Kandidat der SPD für den 20. Deutschen Bundestag
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Meißner,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Der Gesetzentwurf befindet sich derzeit in den parlamentarischen Beratungen und steht kurz vor dem Abschluss.

Der Referentenentwurf des "Entwurf eines Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens" aus dem SPD-geführten Bundesjustizministerium enthielt eine Vorschrift zur Regelung der audiovisuellen Dokumentation von Vernehmungen im Ermittlungsverfahren in § 58a StPO des Gesetzentwurfs. Danach sollte § 58a StPO dahingehend geändert werden, dass Beschuldigten- und Zeugenvernehmungen audiovisuell aufgezeichnet werden müssen, wenn es bei schweren Tatvorwürfen oder einer schwierigen Sach- oder Rechtslage geboten erscheint oder die schutzwürdigen Interessen des Zeugen insbesondere bei Kindern und Jugendlichen so besser gewahrt werden können. Diese Regelung bildete das Kernstück der neuen Regelung zur Dokumentation des Ermittlungsverfahrens, die zukünftig bei Vorliegen bestimmter, an die Tat oder an die Person des zu Vernehmenden anknüpfender Umstände eine audiovisuelle Aufzeichnung verpflichtend macht.

Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützte diese Neuregelung. Denn die audiovisuelle Aufzeichnung der Beschuldigten- und Zeugenvernehmungen stellt eine Verbesserung zur jetzigen Situation dar. Sie dient der besseren Wahrheitsfindung infolge erweiterter – und im Vergleich zum schriftlichen Inhaltsprotokoll authentischerer – Dokumentation. Zunächst weniger wichtige Aspekte der Aussage, die keinen Eingang in das Inhaltsprotokoll finden, im weiteren Verlauf der Ermittlungen infolge neuer Erkenntnisse jedoch Bedeutung erlangen, werden festgehalten und sind reproduzierbar. Daneben dient die Dokumentation dem Schutz der Betroffenen vor unsachgemäßen und – im Sinne des § 136a StPO – rechtswidrigen Vernehmungsmethoden und erleichtert den Nachweis erfolgter oder mangelhafter Belehrung.

Die audiovisuelle Aufzeichnung stellt zwar einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Befragten dar. Gerechtfertigt ist der Eingriff durch das staatliche Interesse an der Strafverfolgung, dem durch die authentischere Dokumentation im Sinne der das Strafverfahren prägenden Bemühungen, die Wahrheit möglichst genau zu ermitteln, Rechnung getragen wird. Unser Koalitionspartner, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat diese Neuregelung allerdings nicht unterstützt, so dass sie letztendlich keinen Eingang in den Regierungsentwurf fand. Eingang in die StPO hat allerdings die Regelung nach § 136 Abs. 4 StPO des Gesetzentwurfs gefunden, nach der die Aufzeichnung von Beschuldigtenvernehmungen bei vorsätzlichen Tötungsdelikten zu erfolgen hat.

Wie eingangs erwähnt, befindet sich der Gesetzentwurf kurz vor dem Abschluss. Ziel der SPD-Bundestagsfraktion ist es natürlich, so nah wie möglich an die Regelungen des Referentenentwurfs zu kommen und eine audiovisuelle Aufzeichnung im Strafverfahren zu ermöglichen. Da wir aber hier auf massiven Widerstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion stoßen, gestalten sich die Verhandlungen derzeit als schwierig.

Mit besten Grüßen

Dirk Wiese

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