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Frage von Thomas H. •

Frage an Daniela Kolbe von Thomas H. bezüglich Familie

Wann wird die UN Resolution 2079 in Deutschland umgesetzt? Wieso wird in Deutschland so lange und hart um das Kind gestritten und einem Elternteil entzogen obwohl es gern am Leben des Kindes / Erziehung / Bildung teilhaben möchte?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hahn,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 05. Februar zum Thema UN-Resolution 2079. Gerne möchte Ihnen auf Ihre Fragen antworten und mich für die verspätete Rückmeldung entschuldigen.
Ich kann Ihr Anliegen sehr gut nachvollziehen, denn nicht immer finden Eltern einvernehmlich eine Umgangsregelung für ihr Kind und nicht selten wird, wie auch Sie betonen, meist zu Nachteilen eines Elternteils hart um das Kind gestritten. Diese Streitigkeiten machen auch oft dem Kind zu schaffen, das meist ohnehin schon unter der Trennung der Eltern leidet. Um dies zu verhindern, benötigen wir klare Rechtsgrundlagen.

Die 2015 vom Europarat verabschiedete Resolution 2079, die Sie ansprechen, fordert alle Mitgliedsstaaten auf das Wechselmodell, auch Doppelresidenz genannt, als bevorzugtes anzunehmendes Modell im Gesetz zu verankern. Auch ich teile die Ansicht, dass die aktuelle Rechtslage, die die Mutter immer noch als alleinigen betreuenden Elternteil und den Vater lediglich als unterhaltspflichtigen Alleinverdiener, der seine Kinder nur jedes zweite Wochenende sieht, nicht mehr zu der Lebensrealität vieler Familien des 21. Jahrhunderts passt. Frauen wollen ebenfalls einen Beruf ausüben und Männer ihren Kindern ein anwesender und sorgender Vater sein. Daher freut es mich, dass der Bundesgerichtshof 2017 entsprechend klargestellt hat, dass das Wechselmodell auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden kann, wenn es dem Kindeswohl entspricht. Eine gleichberechtigte Erziehung, wie Sie es fordern, ist daher seither auch nach einer Trennung möglich.

Anders als in Ländern wie Frankreich, Belgien, Italien oder Spanien ist die Abkehr vom sogenannten Residenzmodell in Deutschland jedoch nicht explizit gesetzlich verankert, sondern lediglich Richterrecht. Das wollen wir als SPD ändern. Wir wollen eine Rechtsgrundlage im BGB schaffen, auf deren Basis nach eingehender Einzelfallprüfung im Sinne des Kindeswohls entschieden und das paritätische Wechselmodell (das Kind ist zu gleichen Teilen bei beiden Eltern, etwa wöchentlich abwechselnd 50/50) oder ein anderer im Wechsel stattfindender Umgang mit anderer Aufteilung (z.B. 30/70 oder 40/60) angeordnet werden kann. Auch wenn wir es grundsätzlich befürworten, wenn beide Elternteile nach einer Trennung zu gleichen Teilen die Verantwortung für ihr Kind übernehmen, lehnen wir als SPD eine Pflicht zur Anordnung eines bestimmten Modells ab. Uns ist es wichtig bei einer neuen Lösung vor allem auch die Individualität von Familien zu berücksichtigen. Denn jede Familie ist anders und jede Trennung individuell. Daher bin auch ich gegen die Umsetzung eines allgemeingültigen Modells. Vielmehr bedarf es in jedem einzelnen Fall einer intensiven Auseinandersetzung sowie einer individuellen Entscheidung, die neben der Berücksichtigung vielfältiger Lebensrealitäten und Unterschieden zwischen Familien vor allem das Wohl des Kindes in den Fokus stellt.

Mit der Regelung über die Betreuung eines Kindes und die Umgangsrechte einher geht für uns zudem auch die Regelung über die Verteilung der Unterhaltslasten zwischen den Eltern. Die Düsseldorfer Tabelle beruht systematisch auf dem Residenzmodell, d.h. darauf, dass im Wesentlichen ein Elternteil allein das Kind betreut und der andere im Wesentlichen Unterhalt leistet. Auch dies wollen wir im Zuge einer Reform anpassen.
Unsere Vorarbeiten haben gezeigt, dass in einigen Bereichen des Familienrechts akuter Handlungsbedarf besteht. Deshalb wollen wir noch in dieser Legislaturperiode mit einer Teilreform beginnen, die u.a. die Vereinfachung der Begründung gemeinsamer elterlicher Sorge aufgrund Anerkennung der Elternschaft, einen verbesserten Gewaltschutz im Umgangsrecht, die Stärkung der Konfliktlösung zur Vermeidung der Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die gleichrangige Mutterstellung zweier Frauen enthält.

Auch für die Anwendung des vereinbarten oder angeordneten Wechselmodells sieht die Teilreform bereits pragmatische Lösungen vor. So soll u.a. geregelt werden, dass künftig gemeinsam sorgeberechtigte und nicht nur vorübergehend getrenntlebende Elternteile gegenüber den jeweils anderen Elternteilen Kindesunterhaltsansprüche geltend machen können. Zusätzliche Ergänzungspflegschaften und Übertragungen der Entscheidungsbefugnisse werden dadurch überflüssig. Auch soll eindeutig geklärt werden, welche Angelegenheiten des täglichen Lebens jedes Elternteil künftig allein und welche gemeinsam zu entscheiden sind. Darüber hinaus soll auch die durch höchstrichterliche Rechtsprechung bereits praktizierte Kindergeldanrechnung in den Fällen des Wechselmodells klargestellt werden.

Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meinem Schreiben darstellen, dass uns die Möglichkeit einer gleichberechtigten Erziehung auch nach einer Trennung entsprechend Ihrer Forderung sehr am Herzen liegt. Mit den geplanten Änderungen wollen wir daher mehr Rechtssicherheit und eindeutige Vereinfachungen im Alltag eines gelebten Wechselmodells erzielen. Daher hoffen wir, den Gesetzentwurf zeitnah im parlamentarischen Verfahren beraten und somit die Lebenssituation vieler Familien verbessern zu können.

Herzliche Grüße

Daniela Kolbe