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Clemens Binninger
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Frage von Axel B. •

Frage an Clemens Binninger von Axel B. bezüglich Recht

Sehr geehrter Hr. Binninger!

In einem Artikel der taz. vom 10.08.2012 unter der Überschrift " Soldaten fürs aufsässige Volk" wurde über den Aufbau von Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräften (RSUKr) durch die BW berichtet. Diese Einheiten können auch im Rahmen der "Amtshilfe" zur Unterstützung der Polizei eingesetzt werden. Als eine Möglichkeit wird der Einsatz gegen Zitat "widerstrebende Bevölkerungsteile" Zitatende genannt. Was ist darunter ganz konkret zu verstehen und würden Sie mir bitte einige Beispiele diesbezüglich nennen. Das Ganze hat ja Methode. Bereits 1993, also lange vor dem 11. September, begann Wolfgang Schäuble mit seiner enervierenden Kampagne, um die Bundeswehr für den Fall von "größeren Sicherheitsbedrohungen im Innern" durch den internationalen Terrorismus auch im Inland einsetzen zu können. Dabei sind demokratische Bedenken manchem wohl Demokraten fremd. So erklärte Schäuble 1994: "Es darf nicht von vornherein alles ausgeschlossen und tabuisiert werden, indem man nur auf die besonderen historischen Erfahrungen verweist". Die katastrophalen Erfahrungen mit Kompetenzüberschneidungen offizieller und paramilitärischer "Sicherheitsorgane", von Reichswehr, Freikorps und Parteimilizen in der Weimarer Republik sprechen für eine kontrollierbare Trennung der Exekutivorgane. Ist das inzwischen wieder alles vergessen ???

Mit freundlichen Grüßen

Axel Beu

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Beu,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 16. August 2012 zum Thema Bundeswehrwaffeneinsatz im Inland, die ich gerne beantworte.

In Ihrem Beitrag sprechen Sie einen Artikel der Tageszeitung (taz) vom 10.08.2012 mit der Überschrift „Soldaten fürs aufsässige Volk“ an. Allein diese irreführende Überschrift lässt einen falschen Eindruck entstehen. Die im taz-Artikel angesprochenen sogenannten Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte (RSUKr) werden für militärische Wach- und Sicherungsaufgaben aufgestellt. Im Grundbetrieb nehmen sie zudem die Funktion als zivil-militärische Mittler und regionale Multiplikatoren gegenüber den zivilen Stellen und Akteuren, die Unterstützung der Landeskommandos bei der Personalwerbung und der Öffentlich-keitsarbeit, die Unterstützung im Rahmen von Projekten, Großveranstaltungen sowie bei Veranstaltungen von aktiven Truppenteilen und/oder Patenverbänden wahr. Die Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte können wie alle bundesweit verfügbaren Kräfte auch im Rahmen des Katastrophenschutzes nach den geltenden gesetzlichen Regelungen herangezogen werden. Der Auftrag liegt damit innerhalb der nach Art. 87a Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) zugewiesenen Aufgabe der Bundeswehr. Weder durch die bislang etablierte und in ihrer Arbeit bewährte Verbindungsorganisation zu der zivilen Seite noch durch die Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte erfolgt eine Vermischung von zivilen und militärischen Strukturen.

Das Bundesverfassungsgericht hat am 03.07.2012 entschieden (Bericht am 17.08.2012 veröffentlicht - Nr. 63/2012), dass die Bundeswehr bei Einsätzen im Inland in Ausnahmefällen militärische Mittel zur Abwehr von Gefahren einsetzen darf. Ein Einsatz der Bundeswehr im Innern ist gerade nicht (wie im etwa im taz-Artikel dargestellt) wegen Gefahren erlaubt, „die aus oder von einer demonstrierenden Menschenmenge drohen“, heißt es in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Auch sind vor allem strikte Voraussetzungen zu beachten und der Einsatz der Streitkräfte, wie auch der Einsatz militärischer Abwehrmittel sei zudem stets nur „als Ultima Ratio zulässig“, so die Verfassungsrichter weiter.

Bei einem Einsatz der Bundeswehr in Unglücksfällen - zu den grundsätzlich auch Terrorangriffe zählen können - sind strikte Bedingungen zu beachten. Voraussetzung sind Ereignisse „von katastrophalen Dimensionen“. Nicht jede Gefahrensituation, die ein Bundesland nicht mit seiner Polizei beherrschen könnte, erlaubt den Einsatz der Streitkräfte. Zwar muss nicht abgewartet werden, bis Schäden eintreten, der Eintritt katastrophaler Schäden muss jedoch „unmittelbar bevorstehen“. Ein Abschuss von Passagiermaschinen, etwa im Fall eines Terrorangriffs, bleibt im übrigen weiterhin verboten. Zudem entschied das Bundesverfassungsgericht, dass über den Einsatz der Bundeswehr zur Gefahrenabwehr im Inland stets die Bundesregierung als Kollegialorgan entscheiden muss. Die Entscheidung darf auch in Einzelfällen nicht auf ein einzelnes Regierungsmitglied (etwa der Verteidigungsminister) übertragen wer-den.

Ein Einsatz von Streitkräften als solcher wie auch der Einsatz militärischer Kampfmittel kommt infolgedessen immer nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht. Insbesondere sind die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 87a 4 GG zu berücksichtigen, der vor dem Hintergrund historischer Erfahrungen den Einsatz der Streitkräfte zur Bewältigung innerer Auseinandersetzungen besonders strengen Beschränkungen unterwirft.

Die innere Sicherheit Deutschlands wird weiterhin eines der bedeutenden Themen und Herausforderungen unserer Zeit und Gesellschaft bleiben. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht ist positiv zu bewerten: Die Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Innern wurden innerhalb strenger Grenzen bei Gefahren von katastrophalem Ausmaß konkretisiert und die Lücke zwischen dem Einsatz nach Art. 35 GG bei Naturkatastrophen und terroristischen Angriffen geschlossen. Gleichzeitig bestätigt das Urteil die sicherheitspolitisch wichtige Trennung zwischen Polizei und Bundeswehr.

Mit freundlichen Grüßen

Clemens Binninger