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Clemens Binninger
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Frage von Jochen W. •

Frage an Clemens Binninger von Jochen W. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrter Herr Binninger,

der Milchsektor erlebt die derzeit schlimmste Krise seit Bestehen der BRD. Wie prikär die derzeitige Situation ist wohl in der "Großen Koalition" noch nicht angekommen. Viele Betriebe stehen vor dem Aus!!!!
Drei von vier Milcherzeugern schätzen laut Infratest ihre derzeitige Lage als schlecht bis sehr schlecht ein. Von diesen Befragten erwarten, daß sie die kommerzielle Milcherzeugung innerhalb der nächsten 12 Monate aufgeben müssen.

Angesichts der Tatsache, daß bis zu 250000 Arbeitsplätze im vor und nachgelagerten Bereich auf dem Spiel stehen, frage ich Sie:
Wie kann die Existenz der Milcherzeuger langfristig gesichert werden?

In Deutschland zeichnet die Milcherzeugung kurze Wege zum Verbraucher und eine gesicherte Qualität aus. Woher soll in Zukunft die Milch kommen?

Wir müssen uns auch die Frage stellenwer pflegt in Zukunft die so vielgepriesene Kulturlandschaft z.B. Streuobstwiesen?

Wie kann Ihrer Meinung nach ein vernünftiger Milchpreis für Verbraucher und Milcherzeuger erreicht werden?

Wie stehen Sie zu einer flexiblen Mengensteuerung bzw. Quotenregelung des Milchmarktes auf EU-Ebene, die einen existenzsichernden Milchpreis für den Erzeuger ermöglicht?

Zum Abschluss meiner Fragen noch eine kleine Anmerkung. Die Molkerei Campina in Heilbronn, für die über 95% der Milch im Kreis BB erzeugt wird, hat für April 24Cent Grundpreis ausbezahlt. Für Mai werden es 23Cent sein.
In Neuseeland zahlt die Molkerei Fontera aktuell umgerechnet 21Cent aus. In Norddeutschland sind die Tiefstpreise bei aktuell 18Cent.
Müssen sich die Deutschen Milcherzeuger noch für den "Weltmarkt" fit machen?

MfG Jochen Welk

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Welk,

haben Sie vielen Dank für Ihren Beitrag, auf den ich gerne eingehe.

Die gesunkenen Milchpreise stellen gerade in Süddeutschland viele Milcherzeuger vor große Probleme. Wie Sie vielleicht wissen, habe ich im Herbst 2008 und im Frühjahr 2009 die Landwirte aus dem Kreis Böblingen zu zwei Gesprächen eingeladen, bei denen gerade die Situation der Milchwirtschaft eine große Rolle gespielt hat. Auch die Bundesregierung hat auf die Entwicklung am Milchmarkt reagiert und den Milchviehhaltern - im Rahmen des Möglichen - Hilfe zugesagt.

Wie Sie wissen, wurde die Milchquote in den 80er Jahren eingeführt. Die Mehrheit der EU-Staaten spricht sich aber gegen ein Festhalten an der Quotenregelung aus. Nach der aktuellen Beschlusslage wird die Milchquotenregelung 2015 auslaufen. Ich denke, wir müssen uns darüber klar sein, dass ein Auslaufen der Milchquote beschlossen ist und wenig dafür spricht, dass dieser Beschluss in nächster Zeit wieder rückgängig zu machen ist. Genau betrachtet, kam die Milchquote auch in den letzten Monaten auch gar nicht zum Tragen. Es wird - bezogen auf alle EU-Staaten - weniger Milch produziert als es die Quote zulassen würde. Trotzdem sinken die Preise.

Deshalb sind aus meiner Sicht zwei Punkte wichtig. (1) Wir werden auch in Zukunft eine europäische Koordinierung bei der Land- und damit auch der Milchwirtschaft brauchen, denn Landwirtschaftspolitik ist zu einem großen Teil europäische Politik. Hier wird in den nächsten Jahren eine gemeinsame Strategie entwickelt werden müssen. Ziel muss hier sein, dass Milchviehalter ihre Betriebe vernünftig bewirtschaften können. Ich glaube, dass wir dabei nicht an einer Art europäischen Quotenregelung vorbei kommen werden. Es ist sinnvoller, über den europäischen Markt Milchpreise zu erreichen, von denen die Betriebe leben können, als über Subventionen und Beihilfen Probleme, die über niedrige Preise entstanden sind, wieder auszugleichen. Deutschland konnte in der EU erreichen, dass in den nächsten fünf Jahren die Quote lediglich um 1 Prozent erhöht wird und nicht deutlich stärker, wie es eine Reihe EU-Staaten gefordert hatte. Auch wurde erreicht, dass die Auswirklungen der Quotenerhöhung ausgewertet werden, um dann über Konsequenzen zu sprechen.

(2) Da diese Beschlüsse den deutschen Milchviehhaltern in der aktuellen Lage nicht weiterhelfen, brauchen wir in Deutschland Maßnahmen, die kurzfristig wirken.

In den letzten Wochen hat die Bundesregierung dazu konkrete Beschlüsse gefasst:
- Die Agrardieselbesteuerung wird gesenkt. Damit werden die Landwirte in den kommenden beiden Jahren um 500 Mio. Euro entlastet. In den vergangenen Jahren war die Initiative der Union zur Senkung der Agrardieselsteuer an der SPD gescheitert.
- Die Auszahlung der EU-Betriebsprämien kann von Dezember auf Oktober vorgezogen werden.
- Der Bund hat 25 Mio. Euro für Zinsverbilligungen bei Liquiditätshilfen bereit gestellt.

Darüber hinaus wurde Ende 2008 im Rahmen der sog. Health-Check-Verhandlungen auf EU-Ebene beschlossen, dass Deutschland von 2010 bis 2013 rund 1 Mrd. Euro für struktur- und umweltpolitische Maßnahmen erhält. Die Bundesländer entscheiden über die Verteilung der Mittel. Der Bund empfiehlt gezielt die Milchwirtschaft über Investitionsförderung, Verstärkung der Ausgleichszulage und der Weideprämie zu fördern. Außerdem wird derzeit geprüft, wie der Einsatz von Molkereiprodukten als Tiernahrung subventioniert werden kann und das Schulmilchprogramm verstärkt werden kann.

Ich stimme mit Ihnen überein, dass der aktuelle Milchgrundpreis von teilweise nicht einmal 24 Cent je Liter viel zu wenig ist, um kostendeckend wirtschaften zu können. Für hochwertige Erzeugnisse muss ein angemessener Preis gezahlt werden. Deshalb ist es wichtig, dass wir unsere Betriebe mit nationalen Maßnahmen stützen. Ehrlichweise muss aber auch gesagt werden, dass der Milchpreis letztlich nicht von der Politik bestimmt werden kann.

Mit freundlichen Grüßen

Clemens Binninger