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Frage von Fred G. •

Frage an Clara West von Fred G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau West,
drastische Maßnahmen wie ein harter Lockdown sind in der Pandmie sicherlich für einen begrenzten Zeitraum notwendig. Irgendwann sind aber alle Mittel ausgeschöpft, die man der Bevölkerung einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft zumuten kann und man muss möglicherweise umdenken, weil die sozialen, wirtschaftlichen und letztendlich auch gesundheitlichen Folgen zu groß werden und den Nutzen eines Lockdowns überwiegen könnten. Man muss dann vielleicht mit einer höheren Virusverbreitung leben und sich auf verträglichere Maßnahmen wie flächendeckende Schnelltests, Masken usw. beschränken.
Deshalb meine Fragen:
1. Denken Sie über ein solches Szenario nach, in dem man irgendwann nicht mehr vorwiegend auf epidemiologische Werte schaut und trotzdem stufenweise lockert? Oder sind für Sie persönlich Inzidenzzahlen und die Situation der Krankenhäuser immer das Maß aller Dinge, auch wenn der Lockdown vielleicht 6, 7, 8 Monate dauert und an anderer Stelle teils schwer abzuschätzende Schäden anrichtet?
2. Was tun Sie und Ihre Fraktion, um diese Schäden einzurechnen und mit dem Nutzen eines harten Lockdowns abzuwägen?
3. Setzen Sie sich dafür ein, dass im Abgeordnetenhaus mehr über diese schwierigen Dilemmata diskutiert und auch entschieden wird oder nehmen Sie die aktuelle Dominanz von Kanzleramt und Landesregierungen gegenüber den Parlamenten in Kauf?
Mit freundlichen Grüßen
F. G.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Goldmann,

vielen Dank für Ihre Frage, mit der Sie ja genau den derzeitigen Stand der öffentlichen Diskussion wiedergeben.

Meiner Beobachtung und persönlichen Erfahrung nach in den Debatten auch auf politischer Ebene hier in Berlin ist allen Beteiligten von Anfang an sehr bewusst gewesen, dass ein Lockdown schwere Schäden an vielen anderen Stellen der Gesellschaft verursacht und deshalb auf lange Sicht natürlich nicht die einzige Antwort auf die Pandemie sein kann.

Auf zwei Punkte möchte ich dazu vorneweg kurz hinweisen. Erstens ist es das Virus, das diese Schäden letztendlich hervorruft, da es uns zur Reaktion zwingt. Und zweitens wird die Richtung der Maßnahmen auf Bundesebene vorgegeben. Manche Länder sind damit nicht in allen Punkten einverstanden, weshalb genau das teilweise uneinheitliche Bild an verschiedenen konkreten Ausgestaltungen der Vereinbarungen entsteht, dass so oft kritisiert wird. Ich sehe darin eher das Zeichen, dass eine Diskussion um den „richtigen“ Weg, wie Sie Sie ja einfordern, bereits stattfindet.

Nun noch etwas konkreter zu Ihren Fragen:

1. Natürlich schauen wir nicht alleine auf die Inzidenz. Und ein stufenweises Ausstiegsszenario hat gerade Berlin immer wieder angefordert und wird jetzt auch beim nächsten Treffen zwischen Ländern und Bund vorgelegt werden.

Nur – auch wenn wir uns entscheiden, in einzelnen Bereichen wieder langsam zu lockern. Es bleibt eine äußerst schwierige Abwägung. Denn auch eine Hinnahme von weit höheren Inzidenzen (und es wären, wenn man keine Maßnahmen ergreift, Zahlen in einem Bereich, die wir bisher in Deutschland nicht ansatzweise hatten), hätte schwere Konsequenzen. Auch und gerade im wirtschaftlichen Bereich. Die Menschen würden aus Angst vor Ansteckung die geöffneten Angebote gar nicht mehr nutzen. Wir hätten einen enorm hohen Krankenstand, der aufgrund von Long Covid auch nicht einfach nach zwei Wochen wieder vorbei wäre. Lehrer würden ausfallen etc.

Auch das Schauen auf die Krankenhauskapazitäten ist kein Selbstzweck.

Wenn dort die Strukturen aufgrund von Überlastung zusammenbrechen, bedeutet das eine schlechtere oder gar nicht mehr mögliche Behandlung aller.

Nehmen Sie das Beispiel Bildung: Hier drängen die einen – aus absolut berechtigten Gründen – zur Öffnung. Auf der anderen Seite sehen das viele Lehrkräfte und Eltern – ebenfalls zu Recht – sehr kritisch und mit großer Sorge.

Die Abwägung bleibt also eine, bei der niemand am Ende gewinnen kann.

Aber das Arbeiten an alternativen Wegen zu einer Schließung (Stichwort

Schnelltests) läuft auf Hochtouren. Auch, weil gerade die SPD dies auf Bundesebene immer wieder einfordert.

2. Zum einen legen wir – ergänzend zu den Hilfsprogrammen des Bundes – eigene Hilfsprogramme auf, die im finanziellen Umfang einmalig für den Berliner Haushalt sind. Nennen möchte ich hier an dieser Stelle beispielsweise unsere gesonderte Unterstützung für die Kultur- und Kreativbranche, die weit über die Bundesmaßnahmen hinaus geht oder unsere Zuschüsse zur Gewerbemiete.

Zum andere bewerten wir immer wieder neu, was wir in der aktuellen Situation möglich machen können – vor dem Hintergrund der Schutzverantwortung, die wir nun mal ebenfalls haben. Es sind die SPD-geführten Bundesländer, die in den letzten Wochen und Monaten beim Thema Schulen und Kitas immer wieder den Druck erhöht haben, hierauf bei etwaigen Öffnungen einen Fokus zu legen. Genau deshalb werden die Schulen nun auch langsam wieder öffnen, auch wenn die restlichen Maßnahmen noch erhalten bleiben. Aber auch hier gilt – vorsichtig abwägen, keine Öffnung ohne entsprechende Konzepte.

Wie ich bereits oben erwähnt habe – wir machen Druck bei der Erstellung von Stufenplänen und bei einer Schnellteststrategie. Beides Themen, bei denen die Union eher blockiert hat in den letzten Monaten.

3. Ja, dafür setzen wir uns nicht nur ein, sondern das ist bereits geschehen. Gerade im Januar hat das Berliner Abgeordnetenhaus einstimmig das „Covid-19-Parlamentsbeteiligungsgesetz“ beschlossen. Wir sind nun befugt, die beschlossenen Regelungen zu verändern – und sogar aufzuheben. Alle Senatsverordnungen, die auf der Basis der Bund-Länder-Treffen erlassen werden, müssen jetzt ebenfalls durch das Berliner Abgeordnetenhaus. Wir haben somit bereits die Grundlage geschaffen, um eine ordentliche Beteiligung des Parlaments zu garantieren.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre Clara West