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Christiane Schneider
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Frage von Jennifer K. •

Frage an Christiane Schneider von Jennifer K. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Schneider,

wir befassen uns gerade mit dem Thema ,,Wahlen" und ,,Ausländerquote in Hamburg".
In Ihrem Forum erläutern Sie, dass die Migrantenrechte gestärkt werden sollen und, dass sie politisch, sozial und kulturell gleichberechtigt werden.

Da Fragen wir uns ,,warum sollen diese unterstützt werden , denn die meisten intregrieren sich nicht" z.B. erlernen die deutsche Sprache nicht , bemühen sich nicht um einen Beruf und dessen Kriminalität wächst. Auch in den Medien wird dies stark hervorgehoben.

Über eine Nachricht von Ihnen würden wir uns sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen

J.Kämpfer

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Antwort von
DIE LINKE

Liebe Jennifer Kämpfer,

fast 500.000 Menschen in Hamburg, das sind mehr als ein Viertel (28,1%) der Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner, haben einen Migrationshintergrund. Mehr als die Hälfte von ihnen hat einen deutschen Pass, die anderen leben zum Teil schon lange hier und sind oft auch schon hin geboren. Dass Hamburg ohne die HamburgerInnen mit migrantischen Wurzeln sehr viel kleiner, bedeutungsloser, uninteressanter, eintöniger und ärmer wäre, ist erst einmal eine Tatsache.
Ich möchte Sie nun umgekehrt fragen: Was soll denn dagegen sprechen, dass die Menschen, die hier leben, die gleichen Rechte haben? Welchen Nachteil könnten Sie persönlich beklagen, wenn der türkische Döner-Buden-Besitzer wählen könnte, wenn der polnische Nachbarssohn einen guten Ausbildungsplatz bekäme oder wenn sich Behörden mehr darauf einstellen, dass sie mit vielen Menschen zu tun haben, die sich noch etwas schwerer im Behördenwirrwarr zurechtfinden als andere, weil zu allen anderen Barrieren (wie unverständliche Formulare) noch Verständigungsschwierigkeiten hinzukommen?

Sie sagen, "die meisten integrieren sich nicht". Sie hätten Recht, wenn Sie unter "integrieren" verstehen, dass sich Menschen migrantischer Herkunft völlig anzupassen hätten, an irgendeine Art von "Leitkultur". Aber eine solche Erwartung ist nicht gerechtfertigt. Eine Gesellschaft, die durch eine "Leitkultur" quasi gleichgeschaltet wäre, wäre arm. Die kulturelle Vielfalt ist ein Erbe der Menschheit. Hamburg bezeichnet sich gern als "Tor zur Welt". Heute spiegelt sich die kulturelle Vielfalt der Welt in einer Stadt wie Hamburg wenigstens teilweise wieder. In der Erklärung der UNESCO (Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) zur kulturellen Vielfalt heißt es ganz zu Recht: "Nur eine Politik der Einbeziehung und Mitwirkung aller Bürger kann den sozialen Zusammenhalt, die Vitalität der Zivilgesellschaft und den Frieden sichern." Kulturelle Rechte sind Teil der Menschenrechte.
Sie sagen, die meisten Migrantinnen und Migranten lernen z.B. die deutsche Sprache nicht. Das stimmt so nicht. Die meisten, vor allem die Jüngeren, sprechen gut Deutsch. Natürlich haben auch viele noch sprachliche Probleme, vor allem Ältere. Wir fordern deshalb, dass es mehr kostenlosen Sprachunterricht geben muss. Wir fordern auch, dass alle Kinder ab zwei einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz haben, u.a. damit sie in ihrer sprachlichen Entwicklung von Anfang an besser gefördert werden. Umgekehrt besteht aber leider das große Problem, dass viele Kinder aus Einwandererfamilien ihre Muttersprache nicht mehr richtig lernen. Es spricht doch alles dafür, Kindern die Möglichkeit zu geben, zweisprachig aufzuwachsen und so ihre Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten zu fördern.
Sie sagen, die meisten Migranten bemühen sich nicht um einen Beruf. Die älteren Migranten sind hergekommen, als der Arbeitsmarkt leergefegt war, sie haben oft Hilfstätigkeiten verrichtet und waren bzw. sind als Ungelernte die ersten, die in Krisenzeiten entlassen wurden. Die jungen Menschen werden durch das dreigliedrige Schulsystem nicht gefördert, sondern genauso wenig wie Kinder und Jugendliche deutscher Herkunft aus armen Familien benachteiligt. Hier muss alles getan werden, vor allem durch längeres gemeinsames Lernen, um Bildungsgerechtigkeit schaffen, damit alle Jugendlichen die reale Chance haben, eine gute Ausbildung zu bekommen.
Sie sagen, die Kriminalität nimmt zu. Das stimmt definitiv für die hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund nicht. Das Gegenteil ist der Fall, die "Kriminalitätsrate" von Menschen mit Migrationshintergrund nimmt ab. Leider ist es jedoch so, dass die Medien Einzelfälle immer wieder sehr ins Licht rücken, so dass ein falscher Eindruck entsteht oder auch erweckt wird.
Ich will nicht bestreiten, dass es noch Probleme des Zusammenlebens gibt. Diese Probleme zu lösen, ist aber nicht (nur) die Aufgabe der Migrantinnen und Migranten, sondern Aufgabe aller Mitglieder dieser Gesellschaft, gleich welcher Herkunft, welchen Glaubens, mit welcher Sprache oder kulturellen Gebräuchen.
Die Anerkennung der Migrantinnen und Migranten als Gleiche, als Gleichberechtigte ist eine Grundvoraussetzung, Probleme friedlich zu lösen.

Mit freundlichen Grüßen
Christiane Schneider