Frage an Christian Petry von Jan Niklas F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Petry,
als Saarländer wende ich mich an Sie, da Sie mich über die SPD-Liste im Bundestag vertreten.
Die Bundesregierung hat in dieser Woche einen Referentenentwurf für eine Reform des "Transsexuellengesetzes" an die Verbände geschickt. Diese sollten sich innerhalb von zwei Tagen äußern, was an sich schon ein Unding ist. Der Entwurf enthält neben einigen wenigen Verbesserungen viele deutliche Verschlechterungen für transgender und auch intersexuelle Mitmenschen, wie den diversen Stellungnahmen zu entnehmen ist. Gegenüber dem Ideal einer repressionsfreien Selbstbestimmung bleibt er weit zurück.
Da Sie einer der "GroKo"-Fraktionen angehören, gehe ich davon aus, dass hier auch in Ihrem Namen gehandelt wurde.
(1) Sehe ich das richtig? Wie stehen Sie zum Vorgehen der Regierung und zum vorliegenden Entwurf? Welche Forderungen haben Sie an eine Gesetzesnovelle?
(2) Falls Sie den Referententwurf im Wesentlichen unterstützen: Welche Missbrauchspotentiale sollen durch so ein restriktives und inhumanes Verfahren bekämpft werden? Worin besteht der potentielle Schaden? Welche konkreten Hinweise aus Ländern mit liberaleren Verfahren gibt es, dass dieser angenommene Missbrauch tatsächlich stattfindet und welche konkreten Schäden konnten dort verzeichnet werden?
(3) Falls Sie meine Einschätzung im Wesentlichen teilen: Welche konkreten Maßnahmen wollen und werden Sie unternehmen, um die Verschlechterung des Ist-Zustandes durch den vorliegenden Entwurf zu verhindern und auf eine Verbesserung der Situation - möglichst im Sinne einer Selbstbestimmung der direkt betroffenen Mitmenschen ohne staatliche Repressalien - hinzuwirken? Welche Möglichkeiten, in Ihre Partei hineinzuwirken, werden Sie nutzen?
Danke schon jetzt für Ihre Antwort,
J. N. F.
Sehr geehrter Herr Fingerle,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Wie Sie verstehen, ist es für mich als Parlamentarier schwierig, mich zu Vorhaben zu äu-
ßern, die zwar im Stadium des Referent*innenentwurfs bekannt sind, aber bislang noch
nicht als Gesetzentwurf der Bundesregierung in das parlamentarische Verfahren einge-
bracht wurden.
Ganz allgemein begrüßt die SPD-Bundestagsfraktion die geplante Abschaffung des Trans-
sexuellengesetzes und den neuen „Standort“ für Änderung des Geschlechtseintrags im
Bürgerlichen Gesetzbuch. Eine solche Änderung ist überfällig. Angesichts des dringlichen
Reformbedarfs hatte sich SPD-Bundestagsfraktion bereits in der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages für eine solche Änderung ausgesprochen. Mit dem Koalitionspartner war dies aber nicht zu machen.
Grundlage einer jeden Reform muss die Anerkennung der Geschlechtsidentität und der
Schutz der Selbstbestimmung bei der Geschlechterzuordnung sein. Dabei muss die Ver-
besserung der medizinischen, gesundheitlichen, sozialen und rechtlichen Situation von
trans*- und intergeschlechtlichen Menschen im Mittelpunkt stehen.
Wie Sie richtigerweise kritisieren, wurde die Beteiligung der Verbände zu kurzfristig ein-
geleitet. Die anschließende Kritik betraf das gerichtliche Verfahren, insbesondere die Ehe-
gattenbefragung und die dreijährige Sperrfrist nach der gerichtlichen Entscheidung, sowie
eine zweifelhafte Trennung zwischen Inter- und Trans*geschlechtlichkeit.
Sowohl für mich als auch für die SPD-Bundestagsfraktion steht fest, dass es in Zukunft
keine medizinische Begutachtungspflicht mehr geben darf. Das vorgesehene Angebot einer flächendeckenden, qualifizierten – nicht medizinischen – Beratung muss so ausgestaltet werden, dass es keine Bevormundung darstellt. Es muss weiterhin darüber diskutiert werden, inwieweit Gerichte in diesem Verfahren eine Rolle spielen dürfen und sollen.
Ebenfalls wurde die Regelung in § 409g FGG-E kritisiert. In dem mir bekannten Refe-
rent*innenentwurf ist aber nicht etwa eine Dreijahres-Sperre nach Ablehnung des Antrags
auf Geschlechtsänderung das Ziel, sondern eine Frist, nach deren Ablauf und nach erfolg-
reicher Änderung eine erneute Änderung beantragt werden kann. Hier sind die Begrün-
dung und die tatsächliche Regelung des Referent*innenentwurfs nicht deckungsgleich. Die
Frist muss sich ausschließlich auf den sehr ungewöhnlichen Fall einer erneuten Namens-
änderung nach bereits erfolgreich durchgeführter Änderung beziehen. Um in diesem Punkt
Irritationen zu vermeiden, muss dies im Gesetzentwurf klarer formuliert und geregelt wer-
den.
Mit einem neuen Gesetz zur Änderung der in das Geburtsregister einzutragenden Angaben
und der Verbesserung der Situation intergeschlechtlicher Menschen konnte die SPD-Bun-
destagsfraktion bereits erste Erfolge für intergeschlechtliche Menschen erreichen. Jetzt
müssen wir mit dem Gesetz zur Neuregelung der Änderung des Geschlechtseintrags wei-
termachen und im parlamentarischen Verfahren dafür sorgen, dass die Neuregelungen in
jedem Fall eine Verbesserung zur aktuellen Rechtslage von Trans*personen erzielen. Für
die SPD-Bundestagsfraktion ist dabei klar, dass es durch die Neuregelungen auf keinen Fall zu einer Verschlechterung im Vergleich zur jetzigen Rechtslage kommen darf.
Die Kritik an dem Referentenentwurf hat dazu geführt, dass die Abstimmung zwischen den
Ressorts, insbesondere zwischen dem Bundesjustizministerium und dem Bundesinnenministerium weitergehen. Ein Kabinetttermin ist mir derzeit noch nicht bekannt, somit auch kein Termin für die Einbringung eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung in den Deutschen Bundestag.
Ich versichere Ihnen, dass ich um die Relevanz der geplanten Änderungen weiß und mich
mit Nachdruck innerhalb des parlamentarischen Verfahrens für eine wirkliche Reform der
bestehenden Regelungen gegenüber dem Koalitionspartner einsetzen werde. Gerne halte
ich Sie diesbezüglich auf dem Laufenden.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Petry