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Frage von Dietrich H. •

Frage an Caren Marks von Dietrich H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Marks,

könnten Sie mir bitte erklären, warum ich zur Bundestagswahl gehen soll?

In einer Demokratie, in der es möglich ist, dass - wie in Niedersachsen - ein Augenarzt (!) Wirtschaftsminister eines Bundeslandes wird, erscheint mir das wirklich sinnlos.

Man sollte erwarten, dass solche Spitzenämter durch die kompetentesten Fachleute für die jeweiligen Ressorts besetzt werden.
Wenn Augenärzte Wirtschaftsminister werden können, ist das für mich eine Perversion der Demokratie.

Wenn nicht die Kompetenten Minister werden, kann ich auch gleich zu Hause bleiben.

Für eine aussagekräftige Antwort wäre ich Ihnen dankbar.
Dietrich Hartmann

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hartmann,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich gern beantworte. Minister leiten ein Fachressort. Dabei geben sie in Abstimmung mit der Regierung und dem Parlament die politische Richtung und den Rahmen vor. Ein Ministerium besteht aus vielen Fachabteilungen, die dem Minister oder der Ministerin inhaltlich zuarbeiten. Die Kompetenz des Ministers besteht in erster Linie darin, ein solches Ministerium führen zu können, die fachlichen Erkenntnisse politisch bewerten und in praktische Politik bzw. Gesetzgebung umsetzen zu können. Dazu muss man selbst nicht unbedingt das Fach studiert haben. Peter Struck zum Beispiel war ein auch innerhalb der Bundeswehr hoch anerkannter Verteidigungsminister, obwohl er selbst nicht einmal den Grundwehrdienst absolviert hat, da er zu den so genannten „weißen Jahrgängen“ gehörte (wie auch andere Verteidigungsminister vor ihm). Zweifellos hat er über die erforderliche politische Kompetenz verfügt. Dieses Beispiel steht auch für andere Ministerinnen und Minister. Bundeskanzler übrigens kann jeder werden, unabhängig von seiner beruflichen Ausbildung. Auch das Parlament, das sich ja mit den unterschiedlichsten Problemen und Fachgebieten beschäftigt und darüber entscheidet, setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern sehr unterschiedlicher Berufe zusammen. Welche Ausbildung würden Sie denn voraussetzen für ein Amt wie den Außenminister, Entwicklungshilfeminister oder Umweltminister? Ich stimme mit Herrn Rösler inhaltlich nicht überein. Das liegt aber nicht daran, dass er Augenarzt ist, sondern dass er neoliberale FDP-Positionen vertritt. Diese würde er auch vertreten, wenn er Wirtschaftswissenschaftler wäre und nicht Augenarzt.

Gerade die Wirtschafts- und Finanzkrise hat gezeigt, dass die Experten und Fachleute sich in vielerlei Hinsicht geirrt haben und dass Banker, die von Finanzmärkten etwas verstehen sollten, diese Krise mit verursacht haben. Wollen Sie einen dieser so genannten Experten nun ein Ministerium führen lassen?

Als weiteres Beispiel nenne ich das Gesundheitsressort. Ich hielte es eher für bedenklich, wenn dieses Ministerium von einem Mediziner, Apotheker oder Pharmazieunternehmer geleitet würde, da die Gefahr bestünde, dass sich einseitige Interessen durchsetzen.

Ich bin davon überzeugt, dass wir mit unserem politischen System in den vergangenen Jahrzehnten gut gefahren sind und dass unsere Demokratie gut funktioniert. Das ist auch Ministerinnen und Ministern zu verdanken, die vielleicht fachfremd sind, aber doch mit politischem Sachverstand gute Arbeit geleistet haben.

Sie fragen, warum Sie zur Bundestagswahl gehen sollten, wenn z.B. in Niedersachsen ein Augenarzt Wirtschaftsminister werden kann. Die Antwort ist: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Sie wählen weder Minister/innen noch den Bundeskanzler. Sie wählen mit Ihrer Zweitstimme, welche Partei die Mehrheit im Deutschen Bundestag stellt und mit Ihrer Erststimme, wer Wunstorf im Deutschen Bundestag vertritt.

Abschließend möchte ich Sie bitten, von Ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Finanzminister Peer Steinbrück hat kürzlich bei einer sehr guten Veranstaltung in Wunstorf gesagt: „Wenn du dich nicht um mich kümmerst, verlasse ich dich. Deine Demokratie.“ Wer seine Stimme verschenkt und damit die Demokratie schwächt, verspielt auch die Chance, mit zu entscheiden, wohin sich die Gesellschaft entwickelt.

Mit freundlichen Grüßen

Caren Marks, MdB