Portrait von Brigitte Zypries
Brigitte Zypries
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Brigitte Zypries zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Jochen Z. •

Frage an Brigitte Zypries von Jochen Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Fr. Zypries,

Artikel 3 Abs. 1 unseres Grundgesetzes garantiert uns eine Gleichheit vor dem Gesetz. In Abs. 2 verpflichtet sich der Staat die Gleichberechtigung von Mann und Frau zu fördern und bestehende Nachteile zu beseitigen.

Wie lässt sich das mit der in Artikel 12a festgelegten Wehrpflicht nur für Männer vereinbaren? Ist es nicht die Pflicht des Staates zuerst die durch ihn selbst (verfassungsmäßig) festgelegten Benachteiligungen zu beseitigen?
Mir ist bekannt, dass das BVerfG die Rechtmäßigkeit der Wehrpflicht für Männer mit der Begründung Art. 3 und 12a seien gleichrangig bestätigt. Wird hier nicht aber Art.12a klar der Vorrang gegeben?
Ist es nicht so, dass Art. 12a sogar in 2 Punkten gegen Art. 3 verstößt, da hier Menschen auf Grund ihres Geschlechtes und ihrer (deutschen) Herkunft benachteiligt werden?

Nach Art. 12 darf niemand zu einer Arbeit gezwungen werden, außer durch eine allgemeine, für ALLE gleiche Dienstleistungspflicht. Wo bleibt hier die für alle gleiche Pflicht, wenn nicht nur Frauen sondern auch Männer wie z.B. Geistliche, Polizisten, Männer deren 2 Geschwister bereits ihre Pflicht erfüllt haben etc.von der Wehrpflicht befreit sind? Warum dürfen diese Männer ihren normalen Berufen nachgehen, während die anderen bei ihrer Ausbildung, im finanziellen und privaten Bereich teilweise enorme Einbußen hinnehmen müssen?

Laut Art. 19 muss ein Gesetz, das ein Grundrecht einschränkt das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen. Wo steht in unserer Verfassung, dass auf Grund der Wehrpflicht Art. 3 eingeschränkt wird?

Für eine Baldige Antwort wäre ich Ihnen sehr dankbar

Mit freundlichen Grüßen
Jochen Ziegler

Portrait von Brigitte Zypries
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Ziegler,

die der Wehrpflichtregelung zu Grunde liegende Differenzierung nach dem Geschlecht ist nicht an den Gleichheitsgrundrechten des Artikels 3 des Grundgesetzes (GG) zu messen. Artikel 12a GG stellt eine verfassungsrechtliche Spezialnorm zu Artikel 3 Abs. 2 und 3 GG dar, dessen Diskriminierungsverbote folglich schon aus verfassungssystematischen Gründen nicht verletzt sein können.

Dass durch die Regelung des Artikels 12a GG nicht gegen den Gleichheitssatz des Artikels 3 GG verstoßen wird, hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt festgestellt (vgl. BVerfGE 48, 127, 165). So hat es zuletzt in einem Beschluss vom 27. März 2002 erneut klargestellt, dass die Beschränkung der allgemeinen Wehrpflicht auf männliche Bürger keinen Verfassungsverstoß darstellt http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/2002/3/27. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist die allgemeine Wehrpflicht "Ausdruck des allgemeinen Gleichheitsgedankens". Das aus dem Gleichheitsgebot abgeleitete Gebot der Wehrgerechtigkeit ist erfüllt, wenn der ganz überwiegende Teil aller für eine Dienstleistung verfügbaren jungen Männer tatsächlich zum Wehrdienst herangezogen wird oder einen gleichwertigen sonstigen Dienst leistet. Entscheidend ist damit nicht die Jahrgangsstärke, sondern der Teil, der nach dem Willen des Gesetzgebers für eine Dienstleistung zur Verfügung steht.

Ausnahmen von der Verpflichtung zur Ableistung des Wehrdienstes basieren auf einem sachlichen Differenzierungsgrund. Beispielsweise ist das sogenannte Geistlichenprivileg, wonach Träger geistlicher Ämter grundsätzlich vom Wehrdienst befreit sind und sich Personen vom Wehrdienst zurückstellen lassen können, die sich auf ein geistliches Amts vorbereiten, ist aus der Sicht von Artikel 4 Absatz 1 und 2 GG (Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit, ungestörte Religionsausübung) gerechtfertigt.

Mit freundlichen Grüßen

Brigitte Zypries