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Brigitte Pothmer
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Frage von Reinhard K. •

Frage an Brigitte Pothmer von Reinhard K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Frau Pothmer,
für meine Wahlentscheidung zur Bundestagswahl 2009 habe ich folgende Fragen an Sie und währe Ihnen dankbar, wenn Sie mir diese Fragen noch bis zu 26.09.09 beantworten können.
1. Finden Sie es richtig, das Arbeitnehmer in Vollzeitbeschäftigung ihr Einkommen mit Hart IV aufgestockt werden muss, damit sie überhaupt das Existenzminimum erreichen?
2. Worin sehen Sie die Ursachen?
3. Welche Maßnahmen wollen Sie einleiten und durchsetzten, damit sichergestellt wird, dass jeder Vollzeitbeschäftigte mit seiner Arbeit ohne staatliche Zuschüsse, auch mit Familie leben kann?
4. Stimmen Sie mit mir überein, dass mit staatlichen Lohnzuschüssen, der Staat von den Unternehmen ausgenommen wird, bzw. die Unternehmen sich vom Staat mit ihrer Unternehmensstrategie subventionieren lassen?
5. Wie stehen Sie zu dem Thema „Mindestlöhne“?
Wenn Sie das Thema „Mindestlöhne“ in den Bereich Tarifautonomie verweisen, möchte ich Ihnen sagen, das die Tarife zwischen den Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften ausgehandelt werden. Arbeitgeber die keinem Arbeitgeberverband angehören oder ausgetreten sind, sind nicht an den Tarifvertrag gebunden. Das ist der Grund, warum Arbeitgeber aus den Arbeitgeberverband austreten oder Beschäftigungsagenturen o. ä. gründen.
Oder sehen Sie das anders?
6. Ihre Partei sagt „Leistung (Arbeit) soll sich lohnen“!
Was halten Sie davon und ist dies mit Ihrem Abgeordnetenverständnis vereinbar:
Es wird per Gesetz ein Mindestlohn festgelegt in Höhe des Existenzminimum.
Die Tarifpartner vereinbaren für ihre Branche einen untersten in Höhe von Existenzminimum plus x%.
Die Größe „x“ berücksichtigt die wirtschafliche Lage der Branche, regionale Unterschiede usw.
8. Welche Wege verfolgen Sie um die Staatverschuldung zu stoppen und abzubauen?

Reinhard Koch, Bad Salzdetfurth

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Koch,

haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen, auf die ich Ihnen gerne antworten möchte.

Es ist tatsächlich ein Skandal, dass immer mehr Menschen in Deutschland arbeiten, ohne von ihrem Lohn leben zu können. Fast zwei Millionen Menschen arbeiten zurzeit für weniger als 5 Euro die Stunde, mehr als 1,3 Millionen Menschen beziehen ergänzend zu ihrem Einkommen Arbeitslosengeld II. Ursächlich hierfür sind vor allem die fehlenden Mindestlöhne, gegen die sich CDU/CSU und FDP erfolgreich stemmen. Vor allem die Union hat in den vergangenen vier Jahren dafür gesorgt, dass das Mindestlohnnetz in Deutschland löchrig geblieben ist und viele Beschäftigte nach wie vor nicht vor Armutslöhnen geschützt sind.

Die Bundestagswahl am Sonntag entscheidet darüber, ob es in Zukunft mit Schwarz-Gelb weiter Lohndumping auf Kosten der Beschäftigten und der Staatskasse gibt oder ob es eine verbindliche Untergrenze für alle Löhne gibt. Wir Grünen wollen Mindestlöhne und streiten dafür seit 2004. Mit einem Mindestlohn von 7,50 Euro würde Wettbewerb durch Lohndumping in Zukunft unmöglich. Gleichzeitig würden die Steuerzahlerinnen und -zahler 1,5 Milliarden Euro jährlich sparen, denn so viel kostet die "öffentliche Subventionierung" von Armutslöhnen und Unternehmensgewinnen. Wir finden, dass dieses Geld besser in Bildung angelegt wäre.

Für einen zuverlässigen Schutz vor Niedrigstlöhnen in Deutschland ohne Schlupflöcher, haben wir Grünen ein Modell entwickelt, mit dem schnell Mindestlöhne für alle Beschäftigten in allen Branchen einführt werden können:

* Wir wollen die Aufnahme aller Branchen ins
Arbeitnehmer-Entsendegesetz.
* Wir schlagen die Einrichtung einer Mindestlohn-Kommission nach
dem Vorbild der Low-Pay-Commission in Großbritannien vor. Die
Mindestlohn-Kommission setzt sich aus Vertretern der Sozialpartner
und der Wissenschaft zusammen. Sie wird die Höhe der Mindestlöhne
unter umfassender Berücksichtigung der sozialen und ökonomischen
Auswirkungen festlegen.
* Wir wollen eine generelle Lohnuntergrenze festschreiben, die
mindestens 7,50 Euro beträgt und von der Mindestlohn-Kommission
jährlich angepasst wird. Die festgelegte Grenze ist für alle
verbindlich und darf von keinem Betrieb und in keinem
Beschäftigungsverhältnis unterschritten werden. So wird zukünftig
Lohndumping zu Lasten der Beschäftigten und Steuerzahler wirksam
verhindert.
* Wir wollen darüber hinaus die Einführung von branchen- und
regionalspezifischen Mindestlöhnen ermöglichen, die über der
allgemeinen Lohnuntergrenze liegen. So können
Mindestarbeitsentgelte für einzelne Wirtschaftszweige bundesweit
oder regional auch oberhalb der Lohnuntergrenze festgesetzt werden
und allgemeine Gültigkeit erhalten.
* Wir wollen die Möglichkeit zur Allgemeinverbindlicherklärung von
regionalen Tarifverträgen durch die zuständigen Landesbehörden,
um die Tariftreueregelungen bei öffentlicher Auftragsvergabe in
den Bundesländern auch weiterhin effektiv anwenden zu können. Das
verhindert Lohndumping und bodenlosen Unterbietungswettbewerb bei
der Ausführung öffentlicher Aufträge.

Wie Sie sehen können, entspricht unser grünes Modell Ihren Vorstellungen. Es sorgt für eine unterste Grenze von mindestens 7,50 Euro und gleichzeitig für darüber liegende branchenbezogene Mindestlöhne, die sich an der wirtschaftlichen Situation orientieren.
Auch auf Ihre Frage zu unserem Umgang mit den Staatsschulden möchte ich Ihnen gerne antworten. Wir wollen die Kosten der Wirtschafts- und Finanzkrise nicht allein den kommenden Generationen aufbürden und sind deshalb auch gegen Steuersenkungen auf Pump.
Ebenso falsch wäre es, diese Kosten durch allgemeine Steuererhöhungen aufzufangen. Stattdessen wollen wir, dass diejenigen, die in den Zeiten vor der Krise vom Finanzmarktkapitalismus profitiert und große Vermögen aufgebaut haben, einen Beitrag leisten. Starke Schultern müssen auch mehr tragen. Dafür wollen wir eine einmalige Abgabe auf Vermögen erheben und den Einkommensteuerspitzensatz auf 45 Prozent erhöhen. Alle Einkommen unterhalb des heutigen Spitzensteuersatzes werden dadurch nicht zusätzlich belastet.Daneben haben wir auch Einsparvorschläge, wie zum Beispiel die Abschaffung der ungerechtfertigten und unökologischen Steuerfreiheit von Flugbenzin.
Grundsätzlich fordern wir Grünen eine Schuldenbremse, die sicherstellt, dass nur noch so viel Geld ausgegeben wird, wie auch tatsächlich an Einnahmen zur Verfügung steht. Schulden sollen aber nicht einfach verboten werden. Einnahmen und Ausgaben sollen über den Zeitraum eines Konjunturzyklus hinweg in der Summe ausgeglichen sein. **Dies bedeutet, dass in wirtschaftlich schwachen Zeiten Schulden möglich sind, aber in Boomphasen müssen sie wieder abgetragen werden. Unabhängig davon sollen Investitionen nur über Kredite finanziert werden, wenn sie der nächsten Generation einen bleibenden Nutzen bringen. Aus grüner Sicht bedeutet das klare Prioritäten für Klimaschutz, Bildung und Gerechtigkeit.

Ganz zum Schluss noch ein Hinweis: Wenn Sie Lust haben, mit mir persönlich zu diskutieren, dann können Sie das heute (Donnerstag) Abend ab 19.00 Uhr im Hotel Kronprinz in Bad Salzdetfurth tun.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Pothmer