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Bettina Hagedorn
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Frage von Tanja G. •

Frage an Bettina Hagedorn von Tanja G. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Hagedorn,

als Angehörige des Haushaltsausschusses müßte der Schuldenabbau für Sie besonders wichtig sein.

Deshalb bringe ich Ihnen das Nachfolgende zur Kenntnis:

Die steuerliche Absetzbarkeit der Kirchensteuer (steuerliche Subvention) verursacht jährlich Einnahmeverluste von mehr als 3 Milliarden Euro.
Vom Staat werden also Mitgliedsbeiträge durch Verzicht auf Steuern mitfinanziert, obwohl nach dem Grundgesetz
die Ausübung der Religion Privatsache und keine staatliche Aufgabe ist.

Die Nutzlosigkeit der Kirchensteuer für die Allgemeinheit wurde schon vor vielen Jahren von Dr. Norbert Feldhoff, ehem. Generalvikar und ehem. Caritasdirektor des Erzbistums Köln, mit folgenden Sätzen bestätigt:
Vielfach geht man von falschen Tatsachen aus und operiert mit Scheinargumenten. So wird der Kirche immer wieder unterstellt, sie benötige die Kirchensteuer, um ihre umfangreiche Sozialarbeit zu finanzieren. Die Gegner der Kirchensteuer haben mit diesem Argument leichtes Spiel, weil es in der Tat nicht stimmt und meines Wissens auch noch nie von einem Kenner der Sache so vorgetragen worden ist. Wie wird die Sozialarbeit der Kirche tatsächlich finanziert, und welche Rolle spielt dabei die Kirchensteuer? Die meisten Sozialeinrichtungen ´verdienen´ die Mittel, die sie benötigen, als Leistungsentgelte und die Finanzierung ist durch staatliche Kostenträger weithin gesetzlich geregelt. "

Aus Kirchenzeitung des Erzbistums Köln, 21.9.90

Die Kirchensteuersubvention führt bei immer mehr Leuten zu folgender Überlegung: Durch Kirchenaustritt verbessere ich nicht nur meine eigene finanzielle Situation sondern ich trage dazu bei, daß der Schuldenabbau möglich wird.

Für den Haushalt ist es allerdings wichtig, daß möglichst schnell die Einnahmeverluste auf 0 reduziert werden.

Deshalb: Werden Sie sich für die Streichung der Kirchensteuersubvention einsetzen?

Mit freundlichen Grüßen
Tanja Großmann

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Sehr geehrte Frau Großmann,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Kirchensteuer. Sie scheinen sich in dieser Frage sehr zu engagieren, wie allein Ihre bisher 13 Anfragen zu diesem Thema bei Abgeordnetenwatch belegen. Mir ist nicht ganz klar, woher Ihr Eifer in dieser Frage rührt – die Sorge um die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen scheint mir nicht der Hauptgrund zu sein. Wie Sie richtig bemerken, liegt mir hingegen die Begrenzung der Staatsverschuldung - besonders auch im Hinblick auf kommende Generationen - aufrichtig am Herzen. Allerdings halte ich eine Sicherung staatlicher Einnahmen in gerechter Balance nach Leistungsvermögen einerseits sowie eine kritische Überprüfung staatlicher Ausgaben andererseits für den geeigneten Weg. Die Legitimität und den Sinn der Kirchensteuer stelle ich nicht in Frage – ich werde mich daher politisch nicht für ihre Streichung einsetzen.

In der Tat erleichtert ihre Abzugsfähigkeit die Kirchensteuerzahlung zu Lasten des Einkommensteuerergebnisses. Das hat allerdings in Deutschland eine gewachsene Tradition und ist politisch in breitem Konsens so gewollt. Die Kirchen spielen in Deutschlands Demokratie eine besondere anerkannte Rolle – wie z.B. auch der Religionsunterricht an den staatlichen Schulen belegt. Hinzu kommt, dass durch die Kirchensteuer in einem großen Maße bürgerschaftliches und soziales Engagement gefördert werden – eine Voraussetzung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Eine Reihe von sozialen Einrichtungen - wie Kindergärten, Alten- und Pflegeheime, Betreuungsstätten für Behinderte etc. – werden durch diese Mittel ergänzend mitfinanziert, wo übliche Zuschüsse für soziale Standards nicht reichen. Die Kirchen sind neben den Wohlfahrtsverbänden anerkannt herausragende Träger nicht nur solcher Einrichtungen, die zur Unterstützung des sozialen Miteinanders in unserer Gesellschaft von unschätzbarem Wert sind.

Aber nicht nur die rein finanziellen Mittel sind hier von Bedeutung. Eine Bürgergesellschaft ist mehr als die Versorgung gemeinnütziger Organisationen mit Geld. In einer ethisch-moralischen Perspektive besteht sie auch darin, füreinander da zu sein, Verantwortung für Mitmenschen zu übernehmen und an einer Wertevermittlung mitzuwirken. Den Kirchen kommt dabei eine besondere Rolle zu. Sie bereichern durch das werteorientierte Engagement die Gesellschaft fundamental. Das von Herrn Dr. Feldhoff von Ihnen übernommene Zitat - die Kirchensteuern seien für die Allgemeinheit nutzlos – ist aus dem Gesamtzusammenhang gerissen und weder aktuell (1990) noch aus meiner Sicht stichhaltig – in jedem Fall mache ich mir diese Sicht auf die Dinge nicht zu Eigen. Der Vorschlag einer Entschuldung des Staatshaushalts durch eine Abschaffung der Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer ist nach meiner Überzeugung nicht nur untauglich, sondern zudem ebenso vordergründig wie kurzsichtig.

Dass ausgerechnet die Zuwendungen an die Kirche oft als zweifelhafte Sonderausgaben angesehen werden, liegt nicht zuletzt an der Bezeichnung als Steuer. Diese historisch gewachsene Bezeichnung erweckt fälschlicherweise den Eindruck, der Staat kassiere und verwende die Steuern für eigene Zwecke. Dabei nutzen die Kirchen lediglich die Möglichkeit, die Einziehung der Kirchensteuer auf die Landesfinanzbehörden zu übertragen. Dafür bezahlen die Kirchen eine Verwaltungskostenentschädigung. So besteht auch nicht der von Ihnen benannte Konflikt zwischen der gängigen Erhebung der Kirchensteuer und dem Grundsatz der Religion als Privatsache. Darüber hinaus steht es jedem frei, Kirchensteuer zu zahlen. In die Frage, ob sich der Einzelne an der Finanzierung der Arbeit der Kirchen beteiligt, mischt sich der Staat nicht ein.

Mit meinem jahrzehntelangen politischen Engagement - zunächst zwanzig Jahre auf kommunaler und dann auf Bundesebene - hat sich eine Erkenntnis verfestigt: Investitionen in zivilgesellschaftliche Strukturen lohnen sich – und dazu gehört auch das Engagement vieler Menschen in und für die Kirchen!

Mit freundlichen Grüßen

Bettina Hagedorn

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