Frage an Bernhard Daldrup von Gerhard L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Ich bin potentieller SPD Wähler und verstehe die Welt nicht mehr, warum kann sich die SPD nicht an einer Regierung beteiligen- Außenminister, Arbeitsminister, Umwelt.. usw.- wenn durch Neuwahlen doch kaum neue Optionen entstehen... warum bewegt sich die SPD nicht, wenn sie doch mitgestalten könnte. Die Theorie von der Abwahl der großen Koalition durch den Wähler ist doch eine Merkwürdige, als wenn wir Wähler die Stimme gäben für bestimmte Koalitionen, wir geben Euch einen Verhandlungsauftrag. Wenn Ihr das nicht wollt, musst Ihr das deutlicher vorher sagen. Wenn also die SPD nicht stärkste Partei wird in Wahlen, muss sie doch ein Interesse zeigen zu regieren. Ihr macht den Eindruck, als wäret Ihr beleidigt, nicht gerade sehr selbstbewusst.... Also auf , gebt Euch einen Ruck... Solidarische Grüße Gerd L.
Sehr geehrter Herr Lohmann,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich glaube wie Sie, dass eine Regierungsbeteiligung der SPD dem Land für die Dauer einer Legislaturperiode sicher guttun würde. Aber Deutschland braucht die Sozialdemokratie nicht nur in den nächsten vier Jahren, sondern darüber hinaus. Und zwar eine starke Sozialdemokratie. Auch dafür tragen wir Verantwortung. Deshalb ist der viel bemühte Vorwurf der Verantwortungslosigkeit gegenüber Land und Wählern nicht haltbar. Denn Verantwortung bedeutet vor allem, nichts zu überstürzen, das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren und die Demokratie langfristig zu stärken. In der jüngsten Vergangenheit waren wir zu sehr auf Konsens fixiert und haben zugelassen, dass die Ränder stärker wurden, mit schlimmen Folgen. Das müssen wir uns alle ehrlich eingestehen.
Es gibt keinen Zwang zu alternativlosem Konsens! In einer Demokratie erst recht nicht. Wir dürfen uns in der Debatte um die Koalitionsbildung – die durch das egozentrische Gehabe eines FDP-Vorsitzenden und seinen von langer Hand geplanten Rückzieher in letzter Sekunde ausgelöst wurde – nicht in eine Große Koalition um jeden Preis treiben lassen.
Wir wollen eine fortschrittliche und soziale Politik in einem europäischen Gesamtkontext, nur eine solche Politik können wir mittragen. Nicht mehr nur an Schrauben im bestehenden System drehen und das Status Quo verwalten, sondern Bestehendes neu denken und die großen Projekte unserer Zeit anpacken. Das ist es, was wir wollen! Nicht weniger. Es geht um Ungerechtigkeiten, die wir nicht weiter hinnehmen dürfen:
- bei den Steuern durch Begünstigung leistungslos erworbenen Vermögens gegenüber Einkommen aus Arbeit;
- bei der Rente dank einem System, bei dem jemand, der 40 Jahre gearbeitet hat, unter Umständen so viel Rente bekommt wie jemand, der nie gearbeitet hat;
- in der Gesundheitsversorgung durch das Nebeneinander zweier Systeme, in die nicht alle einzahlen, obwohl alle davon profitieren;
- in der Bildung durch ein Kooperationsverbot, das es dem Bund schwer macht, in Schulen zu investieren, sowie einen Flickenteppich aus unterschiedlichen Schulsystemen der Länder;
- zwischen den Regionen wegen auseinanderdriftender Lebensverhältnisse;
- in Europa durch eine unvollendete Union und ein innereuropäisches Steuerdumping zugunsten milliardenschwerer Großkonzerne und zulasten der europäischen Steuerzahler;
- in der Pflege durch schlechte Bezahlung der Pflegekräfte trotz steigender Arbeitsbelastung.
All das wollen wir ändern. Dafür brauchen wir eine starke SPD oder Partner, die das ebenfalls wollen.
Die Entscheidung, nach der Wahl in die Opposition zu gehen, war weder leicht noch voreilig und schon gar nicht verantwortungslos, sie war gut überlegt. In diese Entscheidung sind viel mehr Überlegungen und Aspekte eingeflossen, als Sie das darstellen.
Nun hat sich nach dem Aus für Jamaika eine andere Situation ergeben, die aber nicht zwangsläufig dazu führen kann, dass die SPD eine Koalition mit der Union eingeht. Zu schnell wurde vergessen, dass Angela Merkel und die FDP diese verfahrene Situation zu verantworten haben. Und jetzt muss die SPD möglichst schon morgen in eine Koalition?!
Der SPD-Parteitag hat entschieden, ergebnisoffene Gespräche mit der Union zu führen. Ergebnisoffen bedeutet, dass nichts ausgeschlossen wird. Eine Große Koalition ist kein Selbstzweck. Gespräche darüber dürfen nicht in einem Automatismus zur Regierungsbildung führen. Wir halten uns nach wie vor alle Optionen offen. Am Ende müssen unsere Mitglieder entscheiden. Nun muss erst einmal die Union zeigen, dass sie mit der SPD regieren will.
Am 13.01.2017 lade ich im Kreis Warendorf Interessierte, um über diese Themen und über eine mögliche Regierungsbildung der SPD zu diskutieren. Ort und Uhrzeit werden rechtzeitig auf meiner Homepage bekannt gegeben. Sie sind herzlich eingeladen.
Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Daldrup