Dr. Axel Troost
Axel Troost
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Frage von Carina S. •

Frage an Axel Troost von Carina S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Troost,

im Zuge meiner Seminararbeit beschäftige ich mich mit der Währungskrise und ob sie eine potentielle Gefahr für die Demokratie darstellt und würde Ihnen gerne diesbezüglich Fragen stellen.

Sind Sie der Auffassung, dass unsere Demokratie durch die Währungskrise gefährdet wird? Glauben Sie Politikverdrossenheit wenn nicht sogar die politische Radikalisierung wird durch die Finanzkrise gefördert? Sehen Sie diesbezüglich parallelen zu der Weltwirtschaftskrise 1929?

Haben ihrer Meinung nach die Politiker in Deutschland richtig reagiert?
Können wir derzeit überhaupt noch von einer Euro-Krise reden?

Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen

Dr. Axel Troost
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Stark,

das sind ja gleich mehrere Fragen, die Sie da an mich richten. Gerne möchte ich auf einige eingehen.

Ich bin nicht der Ansicht, dass sich in Sachen Politikverdrossenheit und politischer Radikalisierung so direkt Parallelen zum Nachwirken der Weltwirtschaftskrise von 1929 und den Folgejahren ziehen lassen. Angesichts der politisch-rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen, der über einen längeren Zeitraum gewachsenen demokratischen Kultur, innerhalb derer die Menschen -und Bürgerrechte fest verankert sind, ist die Situation heute eine gänzlich andere. Kurzum: Europa ist heute ein anderes als der Morast aus Vorurteilen und Nationalismus, der es vor 80 Jahren war. Deshalb glaube ich nicht, dass die Folgen einer Rezession von ähnlicher politischer Tragweite sein können wie 1929. Nichtsdestotrotz stimmen mich Zulauf und Wahlerfolge von rechtsextremen oder rechtspopulistischen Parteien, wie der Jobbik-Partei in Ungarn, Wilders in den Niederlanden, aber auch Pro Köln samt seiner regionalen Ausläufer sehr nachdenklich.

Des Weiteren bin ich der Überzeugung, dass sich neue Unsicherheiten für die Menschen insbesondere in Zusammenhang neoliberaler Globalisierung stellen. So diente der durch Globalisierungsprozesse hervorgerufene vermeintliche Wettbewerbsdruck vielen Politikern als Rechtfertigung, die Schutzmechanismen des Sozialstaates abzubauen. Dieser Trend setzte sich fort, gerade auch, als sich die Notwendigkeit eines solchen Schutzes verstärkte, weil sich die Einkommensschere öffnete. Doch ist der Abbau von Sozialstaat ja nur ein Aspekt, so dass ich Ihnen für eine tiefer gehende Auseinandersetzung gerne die Lektüre von Elmar Altvater und Birgit Mahnkopf (Grenzen der Globalisierung) empfehle. Lesenswert auch gerade deshalb, weil sie die Konsequenzen der „Entfesselung von Marktkräften“ für den Staat und die Politik herausarbeiten (als Prozess des „Disembedding/Entbettung“). Hierdurch dürften sich Ihnen weitere nützliche Anhaltspunkte hinsichtlich der aufgeworfenen Fragen nach Politik und Demokratie ergeben.

Zur Finanzkrise bleibt zu sagen, dass diese keineswegs als ein zufälliges Naturereignis zu betrachten ist. Dass Finanzmarktakteure mit hochgefährlichen Instrumenten und minimalem Eigenkapital Billionen bewegen konnten, liegt auch daran, dass Gesetzgeber hierfür die Grundlage geschaffen haben. Um den jeweiligen Finanzstandort zu fördern, sind in Deutschland, der EU und anderen Wirtschaftsräumen staatliche Regulierungen immer mehr abgebaut worden. Auch sind zu Lasten einer wirksamen Beaufsichtigung des Banken- und Finanzsektors keine neuen geschaffen worden. Was Demokratieferne und Intransparenz betrifft waren vor allem die Bankenrettungen für die Geschichte der Bundesrepublik bislang ohne Beispiel. So wurde mit dem Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung ein Budget von bis zu 480 Milliarden Euro eingerichtet, das der Kontrolle des Parlaments und der Öffentlichkeit de facto vollständig entzogen ist. Noch dazu wurden und werden die Verluste der Bankenrettung der Allgemeinheit aufgebürdet und somit vergesellschaftet, wohingegen die privaten Gewinne aus dem globalen Spielcasino unangetastet bleiben. Zu den Kosten der Krise gehören nicht zuletzt der Abbau von Stellen sowie massive Kürzungen im Sozialbereich, die nun durch den verordneten Sparkurs eingeleitet werden und ganz klar zu Lasten der Schwächsten gehen.

Wie Sie in verschiedenen Anträgen meiner Fraktion und auch auf meiner Homepage nachlesen können, bin ich der Auffassung, dass weder unter der Großen Koalition noch bislang unter Schwarz-Gelb angemessen, geschweige denn richtig reagiert wurde. Es ist ein Skandal, dass so gesehen bis heute nichts in die Wege geleitet wurde, um die Vorgänge auch unter Beteiligung der Öffentlichkeit ernsthaft aufzuarbeiten und grundlegende Veränderungen des Finanzsystems einzuleiten. Zaghaft nehmen sich beispielsweise Versuche des Finanzministers aus, auf Ebene der EU für eine europäische Finanztransaktionssteuer zu werben, um sodann, bei geringstem Widerstand gleich wieder einzuknicken. Auch ist die Re-Regulierung der Finanzmärkte ja nur ein Schritt. Auf der anderen Seite muss es darum gehen, umzuverteilen und die stetig wachsende Ungleichverteilung von Vermögen und Einkommen zu beenden (Vgl. Antrag DIE LINKE., Drucksache 17/2944).

Mit freundlichen Grüßen

Axel Troost