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Anja Siegesmund
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Frage von Benny S. •

Frage an Anja Siegesmund von Benny S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Siegesmund,

im Rahmen eines Schulprojektes haben wir eine Reihe von Fragen an Sie vorbereitet:

1. Warum sollte ich als junger Mensch wählen gehen und warum sollte ich mich für Ihre Partei entscheiden?

2.Wie will Ihre Partei das Phänomen von Langzeit- und Sockelarbeitslosigkeit bekämpfen, dass dazu führt, dass manche Menschen sich mit Hartz IV irgendwann einfach arrangieren.

3. Wie will Ihre Partei in Thüringen die Abwanderung und deren Folgen bekämpfen?

Mit freundlichen Grüßen

Benny Stein

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Lieber Benny Stein,

das sind ganz schön komplexe Fragen, die schwer kurz beantwortet werden können, aber ich will es gern versuchen:
1. Unsere Demokratie lebt von den BürgerInnen, die sie mitgestalten. Manche gehen "nur" wählen aller 4 bzw. 5 Jahre, andere engagieren sich darüber hinaus in der Politik oder in Vereinen und bewegen so etwas in unserer Gesellschaft. Alle die mittun, können unsere Gesellschaft, also auch unsere Zukunft, formen. Sei das im Ortschaftsrat, wenn es um einen Bolzplatz geht, oder im Stadtrat, weil das Kino geschlossen wird oder im Landtag, weil es immer noch kein Programm gegen Rechtsextremismus gibt. Wer dabei ist, kann etwas bewegen.

Beispiel Bildungspolitik. Gerade höre ich ständig an den Ständen, dass die Entscheidung, nach der 4. Klasse aufs Gymnasium oder die Realschule zu gehen, viel zu früh gefällt werden muss. Wir Grüne fordern seit langem, dass Kinder länger gemeinsam lernen und es diese frühe Sortierung nicht gibt. Wer uns wählt, entscheidet sich für eine andere Bildungspolitik. Und nur wer sein Wahlrecht tatsächlich nutzt, kann damit etwas ändern und darf sich hinterher nicht beklagen, wenn es doch beim "Weiterso" bleibt. Also: Wählen Gehen!

2. Die Langzeitarbeitslosigkeit ist ein großes Problem. Wir Grüne gehen davon aus, dass jeder und jede in unserer Gesellschaft gebraucht wird, je nach Talenten und Neigungen. Oftmals sind schwierige Erwerbsbiografien, ein gescheiterter Ausbildungs- oder Qualifizierungsweg oder sogar Erkrankungen Grund für den sozialen Abstieg. Das eine an der Langzeitarbeitslosigkeit ist ja, dass man mit wenig auskommen muss, das andere, dass kulturelle und soziale Armut Einzug hält und diese Armut sich auf die Kinder in den Haushalten schlimmstenfalls vererbt. Hinzu kommt, dass diese Menschen durch die geringen Beiträge für die Rentenversicherung mit hoher Wahrscheinlichkeit von Altersarmut betroffen sind.

Auf Bundesebene hat die grüne Fraktion daher mehrere Anträge eingebracht, um vor allem die Qualifizierung und Vermittlung zu verbessern. Die Rechte der Arbeitssuchenden müssen gestärkt werden (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/095/1609599.pdf), das Fallmanagement individueller gestaltet und lokale Entscheidungsspielräume müssen passgenau vergrößert werden (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/085/1608524.pdf). Wichtig ist, dass ein kompetenter Fallmanager individuelle Lösungen sucht und nicht mit der Bürokratenbrille etwas verordnet.

3. Jeden Tag verlassen 26 ThüringerInnen das Land. Das an sich ist kein Skandal, wenn sie erstens wieder kämen (und ich behaupte die meisten würden das gern) und es nicht gleichzeitig die Hochrechnung von Prof. Sedlacek aus Jena gäbe, wonach Thüringen bis 2050 auf 1 Million BürgerInnen geschrumpft wäre. Schon im Jahr 2020, sagen Statistiker, wird Thüringen das älteste aller Bundesländer sein. Wir brauchen also eine gesellschaftliche Debatte über Abwanderung und den demografischen Wandel, aber auch eine wirtschaftliche, denn der „blockierte Generationenaustausch“ (also die Jugendlücke) wird einen enormen Fachkräftemangel nach sich ziehen. Demografische Debatten sind sehr vielschichtig und auch auf diese Frage gibt es keine einfache Antwort. Mir sind aber drei Aspekte besonders wichtig: Die Kommunen müssen vor Ort Perspektiven eröffnen, z.B. leerstehende Räume für start-ups anbieten, damit sie sich hier ansiedeln und ausprobieren können. Zweitens: Es muss uns gelingen, junge Menschen hochwertig zu qualifizieren und rechtzeitig in das Beschäftigungssystem zu integrieren. Kinder müssen individuell gefördert werden, Schule ist Lern- und Lebensort. Kindgerecht lehren und lernen lassen und vor allem: Ziel jeder Schule muss es sein, jeden Jungen, jedes Mädchen mit einem Abschlusszeugnis zu entlassen. Wir brauchen jeden und jede. Drittens: Wir brauchen gute Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, dann kommen die Jugendlichen, die zur Qualifizierung abwandern, auch gern wieder nach Thüringen zurück.

Ich hoffe ich habe Ihre Fragen zufriedenstellend beantwortet.