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Frage von Rainer H. •

Frage an Angelika Graf von Rainer H. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Ludwig,

Sie haben eine Schuldenbremse für auf Bundes- und Landesebene beschlossen. Nun wollen sie auch noch den auf EU-Ebene beschlossenen Fiskapakt und den ESM beschließen.

Da muss ich Sie doch fragen, wofür der „Fiskapakt“ noch zusätzlich benötigt wird.

Nach meinem Kenntnisstand setzen sich derzeit die Verbindlichkeiten Deutschland im Rahmen der EURO - Finanzkrise wie folgt zusammen:
• die Bundesbank offenen Target2 Zahlungen in Höhe von ca. 500 Mrd.,
• die Bürgschaften Deutschlands bei dem IWF für deren Beteiligung an den Rettungsfonds
• und die Zusagen für den deutschen Anteil an den Rettungsfonds ESEF und ESM ca. 211 Mrd.
• Haftungen bei der EZB (ca. 27% Anteil) aufgrund von Ankäufen von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt.

Sollten die Bürgschaften gezogen werden, wird Deutschland automatisch einen verfassungswidrigen Haushalt haben und zu dem verstößt Deutschland auch noch automatisch gegen den Fiskalpakt, wonach wir auch noch mit Sanktionen seitens der EU zu rechnen haben.

Meines Erachtens schießen sich Schuldenbremse/Fiskalpakt und Bürgschaften gegenseitig aus und da frage ich Sie, wie Sie beidem zustimmen können?

Wo wollen Sie sparen, wenn die Bürgschaften gezogen werden? An der Rente? Am Arbeitslosengeld? An den Krankenkassenzuschüssen oder werden Sie die Steuern erhöhen?
Oder nehmen Sie nun die Schuldenbremse/Fiskalpakt als Argumentation, dass man dem Bürger nun keine „Geschenke“ mehr geben kann und den Bürger nun noch mehr belasten muss, da wir ja nun eine Verpflichtung dazu haben…
Denn selbst in 2011, als der Finanzminister so Hohe Steuereinnahmen hatte, wie niemals zuvor, war es der Bundesregierung noch nicht möglich keine neuen Schulden zu machen. Wie wollen Sie Schuldenbremse/Fiskalpakt einhalten, wenn die Wirtschaft nicht mehr so gut floriert?

R. Hoppenstedt

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hoppenstedt,

vielen Dank für Ihre Abgeordnetenwatch-E-Mail vom 13. März 2012.

Es gibt unabhängig von Schuldenbremse, Fiskalpakt und den Rettungsschirmen grundsätzlich keine Geschenke zu verteilen. Die SPD hatte dies bereits vor der letzten Bundestagswahl gesagt, als CDU, CSU und FDP massive Steuersenkungen versprochen hatten, die wir für unfinanzierbar hielten. Wie sich herausgestellt hat, ist inzwischen die Bundesregierung (nach der Wahl) ja auch zum Ergebnis gekommen, dass für eine große Steuerreform kein Geld da ist. Vom vor der Bundestagswahl groß angekündigten „CSU-Sofortprogramm“ zur Steuersenkung habe ich jedenfalls auch seit langem nichts mehr gehört.

Die SPD-Bundestagsfraktion nimmt die deutsche Schuldenbremse sehr ernst - wir haben sie schließlich in der Großen Koalition eingeführt. Deswegen lehnen wir auch die jetzt von der Bundesregierung zur Gesichtswahrung versprochenen kleineren Steuersenkungen ab, deren Gegenfinanzierung aus neuen Schulden bestehen soll. Wir bedauern es zudem, dass die Bundesregierung trotz der Rekordeinnahmen durch die gute Konjunktur die Neuverschuldung Deutschlands in diesem Jahr auf 26 Milliarden Euro erhöhen will und sich damit von einem ausgeglichenen Haushalt - den wir unter Peer Steinbrück in der Großen Koalition im Visier hatten - immer weiter entfernt. Das liegt auch daran, dass die aktuelle Bundesregierung ihr einst groß angekündigtes Sparpaket bisher nur zu einem Bruchteil umgesetzt hat. Vor allem die angekündigte Beteiligung der Wirtschaft an den Sparmaßnahmen wurde kaum umgesetzt - gekürzt wurde eigentlich nur bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Das kann noch erhebliche Folgeprobleme schaffen, denn der Abbau der Arbeitslosigkeit gelang ja auch wegen der vorherigen Stärkung der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Es wäre sinnvoll, die aktuell gute Konjunktur dafür zu nutzen, nun vor allem die bisher nicht ohne weiteres Vermittelbaren einzugliedern. Diese Chance hat die Bundesregierung einfach weggeworfen.

Wir wollen die Schuldenbremse einhalten, die Neuverschuldung des Landes zurückdrehen und die Verschuldung abbauen. Das wollen wir durch Investitionen in Bildung, Forschung und die Stärkung der Gemeinden begleiten - also durch Zukunftsinvestitionen für Wachstum. Unseren Vorschlag eines Nationalen Paktes für Bildung und Entschuldung finden Sie hier:
http://www.spd.de/scalableImageBlob/17144/data/finanzkonzept_2011_09_05-data.pdf

Der von der Bundesregierung vorgeschlagene „Fiskalpakt“, der noch nicht vom Bundestag verabschiedet wurde, beinhaltet unter anderem - grob gesagt - eine Übertragung der deutschen Schuldenbremse auf die anderen Mitunterzeichner, wobei es der Bundeskanzlerin nicht gelungen ist, alle EU-Mitglieder als Unterzeichner zu gewinnen. Es soll darum gehen, dass ganz Europa stärker auf Haushaltsdisziplin achtet und die Neuverschuldung reduziert. Die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung könnten dieses Ziel in Europa natürlich glaubwürdiger vertreten, wenn sie sich im eigenen Land daran halten und die Neuverschuldung nicht erhöhen würden sowie nicht bereits bei der deutschen Schuldenbremse getrickst hätten.

Grundsätzlich halte ich es für richtig, dass Europa gemeinsame Regeln entwickelt, um die Verschuldung in den Griff zu bekommen und unterstütze dies. Allerdings kann die Haushaltskonsolidierung nur ein Teil der Lösung sein, zumal die Erfolge davon - wenn die Umsetzung erfolgreich ist und die Regeln nicht gleich wieder umgangen werden - erst nach einiger Zeit sichtbar werden würden. Alleine durch Sparen werden die Krisenländer auch nicht aus der Krise kommen, denn Sparen bedeutet ja zum Beispiel in Griechenland auch Stellenabbau im öffentlichen Dienst, Kürzung von Sozialleistungen und weniger Investitionen. Die Leute haben dann also weniger in der Tasche, können weniger kaufen und die Betriebe kriegen weniger Aufträge, müssen entlassen und es gibt noch mehr dann noch mehr Arbeitslose, wodurch die Betriebe noch weniger verdienen und noch mehr entlassen müssen. Deswegen kann ausschließliches Sparen in eine wirtschaftliche und soziale Krise führen bzw. eine solche Krise verschärfen und letztlich ein Teufelskreislauf sein. Wenn wir keine Maßnahmen betreiben, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, dann werden wir regelmäßig neue Rettungsschirme spannen oder aufstocken müssen, wenn Griechenland nicht pleite gehen soll.

Die Bundesregierung hat leider bisher keine Vorschläge dafür gemacht, wie Griechenland aus der Krise kommen soll. Die bisherigen Rettungsschirme haben leider immer nur dafür gedient, Griechenland am Leben zu erhalten, damit das Land weiterhin die Zinsen bezahlen kann - das war und ist ein teurer Weg, weil die Krise damit ja nicht gelöst, sondern nur verlängert wird. Erst der von der SPD schon vor langer Zeit geforderte und von der Bundesregierung lange abgelehnte Schuldenschnitt für Griechenland ist ein wesentlicher Schritt für eine neue Perspektive. Dem müssen nun rasch weitere Schritte folgen. Ich spreche mich dafür aus, in Europa eine Finanztransaktionssteuer einzuführen und die Einnahmen auch für den wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas zu verwenden. Die Spekulanten würden damit endlich an den Krisenkosten beteiligt. Und die Krisenländer könnten bei Zukunftsinvestitionen unterstützt werden, so wie einst Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg mit dem Marshall-Plan unterstützt wurde.

Ich halte es für notwendig, gemeinsam in Europa die Währung zu sichern. Die bisher diskutierten Alternativen dazu halte ich für nicht sinnvoll, weil an ihrem Ende ein Zerbrechens des Euro stehen könnte. Das wäre für Deutschland als Exportnation und Profiteur des Euro eine Katastrophe. Deswegen halte ich auch die Debatten über einen Austritt Griechenlands aus dem Euro für falsch, denn dieser könnte eine Kettenreaktion auslösen, an deren Ende der Zusammenbruch steht. Zumindest hielte ich es für relativ wahrscheinlich, dass niemand mehr anderen Krisenländern Geld geben würde, wenn Griechenland plötzlich seine Euro-Schulden in abgewertete Drachmen umwandeln würde und die EU letztlich signalisiert, dass sie Krisenländer im Zweifel fallenlässt. Dann stünde wohl als nächstes die Entscheidung an, ob auch Portugal, Italien und andere entweder aussteigen oder mehr Hilfe kriegen sollen.

Rausschmeißen aus dem Euro kann man aber die Euro-Mitglieder rechtlich betrachtet sowieso nicht, das ginge nur freiwillig, wofür zum Beispiel der Vorschlag von manchen - auch aus der CSU - besteht, den freiwilligen Austritt dann mit einer Zahlung, einer Art Abfindung, zu befördern. Ich habe aber noch nicht gehört, wie viel Milliarden an deutschem Steuergeld die Befürworter dieser Lösung dann an betroffene Krisenländer sozusagen zum Abschied verschenken wollen. Die bisherigen Euro-Schulden wären als abgewertete Drachmen wohl auch so ziemlich weg, also ebenfalls deutsches Steuergeld. Das wären aber die kleineren Probleme im Vergleich zum Problem des zu befürchtenden Dominoeffekts, der Kettenreaktion, die dann so oder so massive Kosten für uns verursachen würde, im schlimmsten Fall eine nie dagewesene europäische Wirtschaftskrise und das Wegbrechen unserer Exporte, von den sozialen Problemen ganz zu schweigen. Im Fall des Euro-Zusammenbruchs wären dann auch die Target-Forderungen ein Problem.

Europa ist ohnehin bereits wirtschaftlich und auch in der Finanzwirtschaft verwachsen, so dass man nicht ein oder mehrere Teile sozusagen einfach rausschneiden kann, ohne dass dies zum (Ver-)Bluten führen würde. Zugunsten der Ehrlichkeit der Debatte würde ich mir daher auch wünschen, dass die Gegner der Hilfen für die Krisenländer auch mal erwähnen würden, dass das Fallenlassen der Krisenländer keineswegs kostenlos für die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wäre und nicht so tun würden, als ob uns in Deutschland die Pleiten von Krisenländern in Europa gar nicht betreffen würden. Die Idee einer Gegenüberstellung von teuren Hilfsmaßnahmen auf der einen und (für uns) kostenfreien Pleiten auf der anderen Seite hat nichts mit der Realität zu tun.

Zu Ihrer Frage - wenn die ganzen Bürgschaften gezogen werden müssten, weil Euro-Mitglieder nacheinander in die Pleite rutschen, dann hätten wir ein massives Problem und dann geht es meiner Meinung nach nicht mehr um die Frage, ob wir gerade irgendwelche Haushaltsregeln einhalten, sondern um die wirtschaftliche (und politische) Existenz Europas. Das ist ja der Grund, weswegen wir einen Zusammenbruch verhindern müssen und weswegen die Verhinderung auch billiger ist, als sozusagen den Stecker rauszuziehen.

Ich glaube, dass der Dreiklang aus Überlebenshilfe, Haushaltskonsolidierung und Zukunftsinvestitionen für nachhaltiges Wachstum der beste und richtige Weg aus der Krise ist. Ich glaube auch, dass dieser Weg der für Deutschland und die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler der günstigste ist. Der bisherige Weg der Bundesregierung würde allerdings in meinen Augen dazu führen, dass Europa nicht aus der Krise kommt, weil keine Maßnahmen für einen Weg aus der Krise geplant sind. Deswegen fordert die SPD-Bundestagsfraktion eine dringende Kurskorrektur, die auch eine Beteiligung der Spekulanten an den Krisenkosten beinhaltet.

Mit freundlichen Grüßen
Angelika Graf