Erfolg vor Gericht: Bundestag muss abgeordnetenwatch.de interne Dokumente zu Parteispenden herausgeben (Update)

Die Bundestagsverwaltung muss abgeordnetenwatch.de nach einem aktuellen Gerichtsurteil interne Dokumente zu Parteispenden herausgeben. Dadurch lässt sich verschiedenen Merkwürdigkeiten im Zusammenhang mit der Parteienfinanzierung nachgehen – vorausgesetzt, der Bundestag verzichtet auf eine Revision. Doch ob die Verwaltung das Urteil hinnimmt, ist fraglich. [Update Juni 2018: Die Parlamentsverwaltung hat Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht eingelegt]

von Martin Reyher, 27.04.2018
Dokument unter Verschluss (Symbolbild)

Wie intensiv geht die Bundestagsverwaltung fragwürdigen Parteispenden nach? Selbst diese einfache Frage ließ sich bislang nur unzureichend beantworten. Seit Jahren verweigert die Parlamentsverwaltung der Öffentlichkeit Einblick in ihre Prüfunterlagen – zu unrecht, wie jetzt das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entschieden hat und damit ein Urteil aus der Vorinstanz bestätigte (OVG12 B 6.17 und OVG 12 B 7.17). Die Richterinnen und Richter stellten erneut klar, dass der Bundestag sich bei seiner Prüftätigkeit einer öffentlichen Kontrolle nicht entziehen kann.

In der Vergangenheit hatte es dabei immer wieder Merkwürdigkeiten gegeben, die sich nun möglicherweise aufarbeiten lassen. Drei Beispiele:

  • Illegale CDU-Parteispende: Im vergangenen Oktober deckte abgeordnetenwatch.de auf, dass die CDU mit der Annahme einer Spende des aserbaidschanischen Ölkonzerns SOCAR gegen das Parteiengesetz verstoßen hatte. Die Bundestagsverwaltung prüfte den Fall mehrere Jahre lang und erwog anfangs eine Strafzahlung gegen die CDU. Am Ende ging die Partei trotz eines Verstoßes gegen das Parteiengesetzes straffrei aus. Warum änderte die Bundestagsverwaltung ihre Meinung?
  • Strafzahlung gegen DIE PARTEI: Mit der Aktion „Geldverkauf“ hatte die Satirepartei 2014 auf eine Hintertür im Parteiengesetz aufmerksam gemacht, die zuvor von der AfD genutzt worden war, Stichwort Goldhandel. Die Bundestagsverwaltung verhängte daraufhin gegen DIE PARTEI eine Sanktionszahlung über 455.000 Euro – zu Unrecht, wie Gerichte in zwei Urteilen feststellten (noch nicht rechtskräftig). Wie kam es zu dem offenbar rechtswidrigen Sanktionsbescheid des Bundestages, der für DIE PARTEI das finanzielle Aus bedeuten könnte?
  • Versetzung eines unbequemen Beamten: Ein akribischer Referatsleiter in der Bundestagsverwaltung hatte in seiner Karriere schon einige Parteispendenskandale aufgedeckt. Als er die FDP-/Möllemann-Affäre auf den Tisch bekam, war mit einem Mal Schluss für ihn: Der angesehene Experte wurde 2008 von der Prüfung der Parteifinanzen entbunden und in den Wissenschaftlichen Dienst versetzt (manche sprechen von "kaltgestellt"). Später wurde bekannt, dass sich der damalige FDP-Schatzmeister Hermann Otto Solms beim Bundestagspräsidenten über den unbequemen Beamten beschwert hatte. Warum wurde der Referatsleiter urplötzlich versetzt?

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Akten zu diesen und anderen Vorgängen hielt die Parlamentsverwaltung bislang unter Verschluss. Nach dem jetzigen Urteil muss der Bundestag die Unterlagen jedoch grundsätzlich herausgeben, wenn Interessierte sie nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) beantragen.

Die OVG-Richter betonten in der mündlichen Urteilsbegründung das Anliegen des Informationsfreiheitsgesetzes, eine Kontrolle des Verwaltungshandelns herzustellen. Der Bundestag hatte argumentiert, er müsse Unterlagen zur Parteienfinanzierung nicht herausgeben, weil das IFG in diesem Fall nicht greife. Vielmehr sei das Parteiengesetz zuständig, bei dem ein Auskunftsanspruch wie beim IFG aber nicht vorgesehen sei.

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist noch nicht rechtskräftig, es besteht die Möglichkeit zur Revision. Ob die Bundestagsverwaltung vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zieht, ist nicht unwahrscheinlich. Am Rande der Gerichtsverhandlung deuteten Vertreter der Parlamentsverwaltung diesen Schritt schon einmal an.

Update Juni 2018:

Die Bundestagsverwaltung hat nun wie erwartet Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig eingelegt. Eine mündliche Verhandlung dürfte nicht vor Ende 2019 stattfinden, zumindest wenn man eine parallel laufende Transparenzklage von netzpolitik.org gegen das Bundeskanzleramt zur Orientierung nimmt.  netzpolitik.org will über das Informationsfreiheitsgesetz die Herausgabe eines Kabinettsprotokolls erreichen. Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ist der 13. Dezember 2018 – und damit rund eineinhalb Jahre nach dem Urteil des OVG Berlin-Brandenburg.

Medienberichterstattung zum Urteil (Auswahl):

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